Erzwungene Spielpause in der Komödie am Kudamm
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Es sollte ein opulente Premiere des Krimiklassikers "Mord im Orientexpress" werden – doch die Revue fällt vorerst aus. Für das Theater ist das nicht nur ein finanzieller Schlag. Doch er habe auch Hoffnung, sagt Intendant Martin Woelffer.
André Mumot: Am Sonntag hätte in der Komödie am Kurfürstendamm im Schillertheater das Stück "Mord im Orientexpress" als Bühnenfassung des Krimiklassikers von Agatha Christie Premiere gehabt. Nun fällt die Uraufführung der Ausbreitung des Coronavirus zum Opfer. Für das Theater, das von Martin Woelffer geleitet wird, war es die aufwendigste und teuerste Produktion bisher. Wie schwer ist es für das Haus, dass es gerade jetzt schließen muss?
Martin Woelffer: Ja, es ist natürlich der denkbar schlechteste Zeitpunkt, wo so etwas passiert, wobei man sich so was nicht aussucht – und was auch nicht vorauszusehen ist. Es ist tatsächlich so, dass die Produktion nicht nur sehr teuer war, sondern sich auch schon super verkauft hat.
Jetzt passieren zwei Dinge: Einmal sind schon sehr viele Gelder eingenommen worden, lange nicht so viele, wie alles kostet, aber es kann nun nicht gespielt werden, das heißt, die Tickets müssen umgebucht werden, beziehungsweise Leute kriegen ihr Geld zurück oder aber einen Gutschein. In jedem Fall müssen sie Geduld haben.
Das andere ist, dass ab jetzt keine einzige Einnahme mehr hereinkommt. Das heißt, der Zug – wenn man das Bild benutzen will – ist nicht nur mit der Notbremse gestoppt worden, sondern jemand hat auch die Brücke genau vor der Fahrt gesprengt.
Schauspieler in Kurzarbeit geschickt
Mumot: Die Komödie Am Kurfürstendamm ist ein Privattheater, lebt zu 83 Prozent von den eigenen Einnahmen. Wie stellen Sie sich denn dieser Herausforderung? Gibt es schon konkrete Hilfe, die Sie von staatlicher Seite bekommen? Was können Sie denn da im Augenblick erwarten?
Woelffer: Im Augenblick wird viel gesagt – und ich glaube auch daran, dass das tatsächlich passiert, was vom Berliner Senat, aber auch von der Bundespolitik gesagt wird. Wie es passiert, wissen wir noch nicht. Das Einzige, was wir jetzt machen konnten, ist, dass wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch alle Schauspielerinnen und Schauspieler umgehend in Kurzarbeit geschickt haben, sodass wir jetzt den Betrieb im Augenblick entlasten. Problem bei der Kurzarbeit ist, dass wir als Betrieb das erst mal das Geld auslegen müssen, was bezahlt wird. Wie gesagt, es gibt jetzt weder Dinge, die eingenommen worden sind, noch gibt es neue Einnahmen. Das heißt, wir sind praktisch auf null, wie jeder Kulturbetrieb.
Mumot: Haben Sie denn den Eindruck, dass eine langfristige Schließung auf jeden Fall abgewendet werden kann?
Woelffer: Wenn es bei uns nicht passiert, dass so etwas abgewendet wird, dann wird es ganz, viele treffen. Denn wir als Kulturinstitution – wie alle Kulturinstitutionen – sind die ersten, die es getroffen hat, aber es wird einen Riesenrattenschwanz geben in allen anderen Branchen.
Das heißt: Es muss abgewendet werden, denn sonst bricht – wir sind als Kultur nur ein bisschen ein Vorzeigeding –, es bricht sonst die gesamte Wirtschaft und Infrastruktur zusammen. Was jetzt in die Wege geleitet wird von der Stadt oder vom Staat, ist absolut richtig. Es müssen Schutzschirme her, die man auch unbürokratisch und sehr schnell erreichen kann, damit nicht jeder Betrieb sagen muss: Wir sind insolvent.
Noch kein neuer Termin
Mumot: Welche Reaktionen haben Sie von Ihrem Publikum bekommen? Sie haben gesagt, Sie müssen Karten zurückgeben. Merken Sie denn auch, dass es da von Menschen eine Solidarität gibt, die vielleicht sagen, wir wollen unser Geld jetzt nicht wiederhaben, wir wissen, dass wir damit auch einen Beitrag leisten können?
Woelffer: Ja, die meisten sind zum Glück sehr verständig und sehr unterstützend. Das heißt, manche können natürlich nicht umbuchen auf einen Termin, den es noch gar nicht gibt, manche sagen, ich möchte gern mein Geld wieder zurück, aber die haben auch Geduld mit uns, weil, jetzt wird es nicht gehen. Sie werden natürlich ihr Geld zurückerhalten.
Insgesamt ist die Solidarität sehr groß: Die Leute wollen nicht nur ihre Karte auf einen späteren Termin umbuchen, sondern sie sagen sogar teilweise von sich aus, kann ich euch was spenden? Das ist natürlich toll. Unterm Strich sitzen wir jetzt alle zusammen in einem Boot.
Es hat auch keinen Sinn, dass jetzt irgendjemand ein Egospiel macht, also wir nicht und irgendjemand anderes auch nicht. Es geht jetzt wirklich um mehr als nur um uns oder um irgendwelche anderen Betriebe, es geht um die Gesellschaft, habe ich fast das Gefühl.
Stück muss auf alle Fälle herauskommen
Mumot: Die große gesellschaftliche Herausforderung ist sicherlich das eine, die ganz konkrete Produktion dann das andere. Wenn wir an den "Mord im Orientexpress" denken, da sind viele Künstlerinnen und Künstler beteiligt, die auch vermutlich mit anderen Engagements für die Zukunft planen, die Geschwister Pfister zum Beispiel. Haben Sie denn den Eindruck, dass sich diese konkrete Produktion auch weiterhin planen lässt? Haben Sie da schon Vorstellungen, wann es zu einer Ersatzpremiere kommen könnte?
Woelffer: Also, konkrete Vorstellungen können wir leider nicht haben, weil es überhaupt nicht absehbar ist, was jetzt in den nächsten Wochen passiert. Gleichzeitig sind wir mit allen Künstlern ständig im Gespräch, wann wäre der nächste Zeitpunkt möglich; da haben wir schon Zeitpunkte gefunden, Zeiträume.
Diese Produktion wird in jedem Fall irgendwann herauskommen, aus unserer Sicht natürlich so schnell wie möglich. Wenn es dabei bleibt im April oder im Mai, aber sonst dann zu einem späteren Zeitpunkt. Es muss rauskommen, sonst ist dieses wirtschaftliche Loch nicht mehr zu füllen.
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