Scharfe Richterworte in Richung Geheimdienst
Erstmals hat ein US-Bundesgericht massiven Einspruch gegen das Sammeln von Daten durch den amerikanischen Geheimdienst NSA erhoben. Richter Richard Leon sieht den Schutz der Privatsphäre gefährdet.
Richter Richard Leon drückte sich deutlich aus. Der vierte Verfassungszusatz schütze die Bürger ausdrücklich vor unverhältnismäßigen und willkürlichen Durchsuchungen seiner Privatsphäre. Er, Richter Leon, könne sich kein willkürlicheres und beliebigeres Eindringen vorstellen als diese systematische High-Tech-Sammlung und -Speicherung der Daten fast jedes einzelnen Bürgers. Gemeint ist die Sammlung der Telefonmetadaten in den USA.
Kurz zuvor hatte NSA-Chef Keith Alexander das Datensammlungsprogramm seiner Behörde noch als legal bezeichnet. In einem Interview mit dem Fernsehsender CBS sagte er:
"Wir dürfen lediglich die Nummern, die Länge des Anrufes und die Tageszeit herausgeben - das ist alles, was wir an die anderen Sicherheitsbehörden weiterleiten dürfen."
Aus der Sicht von Richter Richard Leon ist das bereits zu viel. Doch sein Distriktsgericht ist juristisch nicht entscheidend und befindet sich zwei Ebenen unterhalb des Supreme Courts, des Obersten Gerichtshofes.
Edward Snowden, der ehemalige NSA-Mitarbeiter, der die Datensammlung der Behörde an die Öffentlichkeit gebracht hatte, ließ von der New York Times ein Statement veröffentlichen. Er habe im Vertrauen darauf gehandelt, dass die Massenüberwachung der NSA einer Verfassungsprüfung nicht standhalten werde.
Eine abschließende juristische Bewertung können nur die Supreme Court Richter vornehmen. Der politische Druck auf die Obama-Administration wächst allerdings, die Datensammlung einzugrenzen. Präsident Obama hatte dazu bereits vor Monaten zwei Expertenkommissionen eingesetzt, eine von ihnen hat bereits in der vergangenen Woche ihren Bericht vorgelegt und angeblich weitgehende Einhegung und Kontrolle der NSA vorgeschlagen.
Snowdon sitzt auf einem Riesenhaufen hochsensiblen Materials
Gleichzeitig wurde bekannt, dass Snowden weit mehr gestohlen hat als bisher vermutet: 1,7 Millionen Dokumente sollen es nach Angaben der NSA sein. Der Jura-Professor Jonathan Turley hält deshalb weitere peinliche Überraschungen für wahrscheinlich.
"Snowden sitzt auf einem Riesenhaufen hochsensiblen Materials. Es ist erst ein Bruchteil davon veröffentlicht worden, und schon das hat das Weiße Haus politisch und diplomatisch in schwere Verlegenheit gebracht. Sie sind verzweifelt, und sie hätten nichts lieber als das Material zurückzubekommen."
Dass bei der Behörde die Nerven bloßliegen, zeigte ein Vorschlag des NSA-Mitarbeiters Rick Ledgett, der mit der Untersuchung des Snowden-Lecks befasst ist.
"Seiner Ansicht nach müsse man über eine Amnestie für Snowden zumindest diskutieren. Allerdings müsse dieser das komplette, nicht-veröffentlichte Material wieder mit zurückbringen."
"Seiner Ansicht nach müsse man über eine Amnestie für Snowden zumindest diskutieren. Allerdings müsse dieser das komplette, nicht-veröffentlichte Material wieder mit zurückbringen."
Dass der Geist auf diese Weise wieder in die Flasche zurückkommen könnte, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Das Material befindet sich in den Händen des Guardian-Journalisten Glen Greenwald, der in Brasilien lebt. Außerdem gehen Experten davon aus, dass sowohl der chinesische als auch der russische Geheimdienst sich mit Kopien versorgt haben.
Der Sprecher des Präsidenten, Jay Carney, erklärte umgehend: Man bleibe dabei, Snowden solle von Russland ausgeliefert und in den USA vor Gericht gestellt werden.