Abrechnung eines Intimus
Jörg Immendorffs Wegbegleiter Hans-Peter Riegel zeichnet mit der Biografie des Malerstars zum einen ein dichtes Bild spannender Kapitel der deutschen Nachkriegskunst. Gleichzeitig lässt seine hemmungslos subjektive Sicht den Leser mit ambivalenten Gefühlen zurück.
Hans-Peter Riegel war, wie er selbst sagt, über viele Jahre hinweg ein enger Wegbegleiter Jörg Immendorffs und arbeitete für ihn als "Hausfotograf", Assistent, Privatsekretär und schließlich gar Berater, der dazu beitrug, "Immendorff und sein Image des Kunstrebellen und gesellschaftlichen Outlaws zu popularisieren". Wenn solch ein Intimus die erste Immendorff-Biografie vorlegt, ist man zwangsläufig neugierig.
Tatsächlich gelingt es Riegel, Immendorffs wechselvolle Geschichte vom jungen Kunststudenten der Beuys-Klasse, über den Anhänger der KPD/AO, den Hamburger Kiezwirt bis zum populären Malerstar und Kanzlerbegleiter in Sachen Kultur lebendig werden zu lassen. So ergibt sich mitunter ein dichtes Bild spannender Kapitel der deutschen Nachkriegskunst und deren herausragender Protagonisten. Und dennoch bleibt diese Biografie im Äußeren verhaftet und lässt den Leser mit ambivalenten Gefühlen zurück.
Aus zweierlei Gründen: Zum einen hat die Furcht vor juristischen Nachspielen, etwa durch Immendorffs Witwe Oda Jaune, die nicht mit Riegel sprechen wollte, den Autor gebremst und gezwungen, um einige wichtige Menschen in diesem Künstlerleben herumzulavieren. Der andere Grund wiegt schwerer als diese Leerstellen. Dem Autor wird die eigene Motivation zu dieser Biografie zum entscheidenden Hindernis. Riegel, so scheint es, verfolgt in erster Linie ein Ziel, dem er alles gnadenlos unterordnet: die Entlarvung seines Helden.
Seine These lautet: Immendorff sei alles andere als ein politischer Künstler gewesen. Vielmehr bestimmten "Konzeptlosigkeit" und "politisch inhaltlose Richtungslosigkeit" über weite Strecken sein Tun. Auch habe er stets von den Ideen anderer profitiert. Erste wichtige politische Kunstaktionen unter dem Lidl-Label in den 1960er Jahren habe er den Impulsen der Künstlerin und seiner damaligen Ehefrau Chris Reinicke zu verdanken. Bei Max Ernst habe er sich für "Café de Flore" bedient. Die berühmten "Café-Deutschland-Bilder" seien von der Kritik quasi reflexhaft als "kritische Kunstäußerung" missverstanden worden. Damit habe auf einmal das Label "politischer Künstler" an ihm geklebt, ohne dass Immendorff es wirklich mit Inhalten hätte füllen müssen bzw. können. Seinen Ruhm verdanke er geschickten Galeristen wie Michael Werner, kunstaffinen Geschäftsmännern sowie mit der Deutschen Einheit dem Zufall der Weltgeschichte.
Immendorff, also nur ein von Zufällen begünstigter, überschätzter Künstler und obendrein ein Opportunist? Da will man, so umstritten er auch sein mag, nicht mitgehen. Riegel reitet seine These zu Tode, wenn er ihr sämtliche Aspekte unterordnet. Er geht zudem fehl, wenn er Immendorff immer wieder "mangelnde Durchdringung" seiner Themen vorwirft oder künstlerisches Suchen und Richtungswechsel ausschließlich als "Konzeptlosigkeit" versteht. Man wird das Gefühl nicht los, hier schreibt ein – aus welchen Gründen auch immer – enttäuschter, ehemaliger Intimus. Obwohl seltsamerweise über die gesamten fast 400 Seiten hinweg nicht einmal das Wort "ich" vorkommt, ist der Leser mit einer hemmungslos subjektiven Sicht konfrontiert. So wird man dem Phänomen Immendorff nicht gerecht.
Besprochen von Eva Hepper
Hans-Peter Riegel: Immendorff - Die Biografie
Aufbau Verlag, Berlin 2010
399 Seiten, 24,95 Euro
Tatsächlich gelingt es Riegel, Immendorffs wechselvolle Geschichte vom jungen Kunststudenten der Beuys-Klasse, über den Anhänger der KPD/AO, den Hamburger Kiezwirt bis zum populären Malerstar und Kanzlerbegleiter in Sachen Kultur lebendig werden zu lassen. So ergibt sich mitunter ein dichtes Bild spannender Kapitel der deutschen Nachkriegskunst und deren herausragender Protagonisten. Und dennoch bleibt diese Biografie im Äußeren verhaftet und lässt den Leser mit ambivalenten Gefühlen zurück.
Aus zweierlei Gründen: Zum einen hat die Furcht vor juristischen Nachspielen, etwa durch Immendorffs Witwe Oda Jaune, die nicht mit Riegel sprechen wollte, den Autor gebremst und gezwungen, um einige wichtige Menschen in diesem Künstlerleben herumzulavieren. Der andere Grund wiegt schwerer als diese Leerstellen. Dem Autor wird die eigene Motivation zu dieser Biografie zum entscheidenden Hindernis. Riegel, so scheint es, verfolgt in erster Linie ein Ziel, dem er alles gnadenlos unterordnet: die Entlarvung seines Helden.
Seine These lautet: Immendorff sei alles andere als ein politischer Künstler gewesen. Vielmehr bestimmten "Konzeptlosigkeit" und "politisch inhaltlose Richtungslosigkeit" über weite Strecken sein Tun. Auch habe er stets von den Ideen anderer profitiert. Erste wichtige politische Kunstaktionen unter dem Lidl-Label in den 1960er Jahren habe er den Impulsen der Künstlerin und seiner damaligen Ehefrau Chris Reinicke zu verdanken. Bei Max Ernst habe er sich für "Café de Flore" bedient. Die berühmten "Café-Deutschland-Bilder" seien von der Kritik quasi reflexhaft als "kritische Kunstäußerung" missverstanden worden. Damit habe auf einmal das Label "politischer Künstler" an ihm geklebt, ohne dass Immendorff es wirklich mit Inhalten hätte füllen müssen bzw. können. Seinen Ruhm verdanke er geschickten Galeristen wie Michael Werner, kunstaffinen Geschäftsmännern sowie mit der Deutschen Einheit dem Zufall der Weltgeschichte.
Immendorff, also nur ein von Zufällen begünstigter, überschätzter Künstler und obendrein ein Opportunist? Da will man, so umstritten er auch sein mag, nicht mitgehen. Riegel reitet seine These zu Tode, wenn er ihr sämtliche Aspekte unterordnet. Er geht zudem fehl, wenn er Immendorff immer wieder "mangelnde Durchdringung" seiner Themen vorwirft oder künstlerisches Suchen und Richtungswechsel ausschließlich als "Konzeptlosigkeit" versteht. Man wird das Gefühl nicht los, hier schreibt ein – aus welchen Gründen auch immer – enttäuschter, ehemaliger Intimus. Obwohl seltsamerweise über die gesamten fast 400 Seiten hinweg nicht einmal das Wort "ich" vorkommt, ist der Leser mit einer hemmungslos subjektiven Sicht konfrontiert. So wird man dem Phänomen Immendorff nicht gerecht.
Besprochen von Eva Hepper
Hans-Peter Riegel: Immendorff - Die Biografie
Aufbau Verlag, Berlin 2010
399 Seiten, 24,95 Euro