Baubranche

Mit Altbauten zu mehr Klimaschutz

05:59 Minuten
Ein Bagger im Bauschutt beim Abriss eines Gebäudes in Nürnberg.
Nur sieben Prozent des Bauschutts werden in Deutschland recycled, erklärt Alexander Stumm. © imago / imagebroker / Helmut Meyer zur Capellen
Alexander Stumm im Gespräch mit Eckhard Roelcke |
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Die Baubranche boomt. Für das Klima ist das keine gute Nachricht, denn der Energieverbrauch ist enorm. Vor allem, wenn Gebäude abgerissen und neue errichtet werden. Experten fordern nun ein Eingreifen der Politik.
Rund 55 Prozent des gesamten deutschen Mülls stammen vom Bau: 230 Millionen Tonnen Abfälle produziert die Branche pro Jahr. Der kurze Lebenszyklus von Gebäuden ist einer der wesentlichen Gründe für den enormen Müllberg. Nach durchschnittlich 50 bis 80 Jahren werden sie abgerissen und durch neue ersetzt. Investoren und Bauindustrie haben wenig Interesse, an dieser Praxis etwas zu ändern. Abriss und Neubau bedeuten Gewinn.
Mit einem "Abriss-Moratorium" fordern Experten Bundesbauministerin Klara Geywitz(SPD) nun auf, dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben. Erhalt, Sanierung, Umbau und Weiterbauen statt Abriss und Neubau lautet ihre Forderung. Initiator des Moratoriums ist der Architekturtheoretiker Alexander Stumm.

"Können uns Abrisse nicht mehr leisten"

Die Interessen der Bauindustrie seien nicht immer ökologischer Art, sagt Stumm. Das sei nicht per se zu kritisieren. Bundesbauministerin Geywitz müsse aber "klare regulatorische Rahmen schaffen", um die gegenwärtige Abrisspraxis zu begrenzen und letztendlich zu stoppen. Deutschland wolle bis 2045 klimaneutral werden. "Wir können es uns einfach nicht mehr leisten, weiter abzureißen."
Befürworter von Neubauten argumentieren oft, es sei billiger und schneller, neu zu bauen, statt Altbauten zu sanieren. Stumm weist das zurück. "Der Neubau ist nur deshalb günstiger, weil die ganzen Kosten letztlich in die Umwelt- und die Klimabelastung ausgelagert werden." Auf lange Sicht rechne es sich "auf keinen Fall", weiter abzureißen und neu zu bauen.

Energieverbrauch beim Neubau höher

Laut Stumm sind Neubauten aber auch energetisch nicht sparsamer - oder nur dann, wenn man ausschließlich die Betriebsenergie der Gebäude vergleicht. Die "ehrlichere Rechnung" sei, die gesamte Lebenszeit eines Gebäudes zu betrachten, sagt der Experte. Dazu gehöre die Energie, die beim Abriss, bei der Produktion von neuen Baumaterialien, auf der Baustelle etc. verbraucht werde. Gesamt betrachtet ist der Energieverbrauch beim Neubau dann laut Stumm "in jedem Fall immer höher".

Rechte der Eigentümer

Abrisse politisch zu regulieren ist schwer, das weiß auch der Experte. Denn ein Gebäude abzureißen, ist das gute Recht des Eigentümers. "Aber, und das ist mein Argument, Eigentum verpflichtet auch", erklärt Stumm und sagt: "Es geht darum, den Gebrauch des Eigentums auch zum Wohle der Allgemeinheit dienstbar zu machen. Und das ist Artikel 14 im Grundgesetz." Ein Abrissmoratorium hält der Architekturtheoretiker "vor dem Hintergrund unserer multiplen Krisen" daher für verhältnismäßig.
(tmk)

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