Hanser-Verleger über die Absage der Leipziger Buchmesse

„Ein Frühjahr ohne Leipzig ist wie ein immerwährender Winter“

10:44 Minuten
Jo Lendle, Verleger des Hanser Verlags, steht vor einer Wand aus Backstein und blickt in die Kamera.
2023 wird es wieder eine Buchmesse in Leipzig geben, ist der Verleger Jo Lendle überzeugt. © picture alliance / dpa / Markus Scholz
Jo Lendle im Gespräch mit Vladimir Balzer · 09.02.2022
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Die Leipziger Buchmesse gilt als die kleine, bunte Schwester der Messe in Frankfurt. Dass sie erneut abgesagt wurde, ist für Hanser-Verleger Jo Lendle ein herber Verlust für die gesamte Branche.
Bücherfreundinnen und -freunde sind enttäuscht: Die Leipziger Buchmesse, dieser publikumsorientierte Kontrapunkt zur weltgrößten Buchmesse in Frankfurt, ist erneut abgesagt worden. Coronabedingt, zum dritten Mal in Folge.
Auch bei Verlegern wie Jo Lendle vom Hanser Verlag in München ist die Stimmung nun gedämpft: „Ein Frühjahr ohne Leipzig fühlt sich an wie ein immerwährender Winter“, bedauert er.

"Wie mit angezogener Handbremse"

„Bis zur letzten Minute“ habe Hanser gewartet, ob die Messe nicht doch stattfinden könne, so Lendle. Doch angesichts der zu erwartenden Einschränkungen und auch Risiken wäre es wohl ein Buchfest „mit angezogener Handbremse“ geworden.
Für Lendle ist jedoch klar: Leipzig ist nach wie vor wichtig als Begegnungsort für Verlage, Autorinnen und Leser. Die Wirkung dieser Woche dürfe nicht unterschätzt werden, betont er.
Die Messe und ihr Neustart nach der Wende, mit beständigen Wachstumsraten, sind nicht zuletzt auch für den Standort Leipzig immer von großer Bedeutung gewesen.
Der Verleger ist überzeugt: 2023 wird es wieder eine Leipziger Buchmesse geben – nicht trotz, sondern wegen der „fundamental anderen Ausrichtung“ im Vergleich mit Frankfurt.

Der Direktor der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille, hatte die Entscheidung, die Leipziger Buchmesse abzusagen, schweren Herzens treffen müssen, wie er im Interview betont . „Wir haben diese Schlacht verloren“, sagt er. Das Marken- und Leistungsversprechen sei so nicht einzuhalten. Und unter den aktuellen Umständen bekomme die kleine Mannschaft die Messe auch nicht umorganisiert.

Auch Autoren wie etwa Gregor Sander trifft es hart. Sander wollte in Leizpzig seinen neuen Roman vorstellen und ist regelrecht „sauer“ - auch vor dem Hintergrund, dass parallel große Veranstaltungen wie die Berlinale stattfinden dürfen.

Jörg Plath, Literaturredakteur von Deutschlandfunk Kultur, sieht den Börsenverein des Deutschen Buchhandels in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass es weiterhin zwei Buchmessen geben wird . Diese sollten sich jedoch voneinander unterscheiden, betont Plath im Hinbick darauf, dass sich die Frankfurter Buchmesse seit einiger Zeit auch als Lesermesse zu profilieren versuche.

Die Absage der Buchmesse trifft vor allem Kleinverlage. Mikrotext-Verlegerin Nikola Richter findet, die Messe mache sich zu sehr abhängig von großen Verlagen und vermisst mehr Kreativität beim Neudenken der Messe.

Frankfurt ist wichtig fürs internationale Geschäft

Stichwort Frankfurt: Dort oder auch auf der London Book Fair im April nicht präsent zu sein, kann sich keiner der großen Verlage leisten, weil die Messe unter anderem sehr wichtig für den internationalen Rechte- und Lizenzhandel ist.
„Das Problem bei Frankfurt ist, dass das die größte Buchmesse der Welt ist, die ganz wesentlich davon lebt, dass international Zuspruch kommt", betont Lendle. "Und wenn da gerade die amerikanischen Kollegen auf Dauer wegbleiben, dann ist das wirklich eine Gefahr.“
(mkn)
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