Abschaffung der Todesstrafe aus Kostengründen
Der US-Bundesstaat Maryland ist kurz davor, die Todesstrafe abzuschaffen. Überhaupt, so der Politikwissenschaflter Martin Thunert, würde die Todesstrafe in US-Staaten mit demokratischer Mehrheit immer weniger Anhänger haben. Dabei spielten auch pragmatische Gründe eine Rolle.
Ute Welty: Maryland mitten im Entscheidungsprozess: Der US-Bundesstaat an der Ostküste könnte der 18. sein, der die Todesstrafe abschafft. Der Gouverneur ist dafür, ein Teil des Senats hat bereits zugestimmt und der andere berät ein entsprechendes Gesetz. Was die Entscheidung aus Maryland für die amerikanische Gesellschaft insgesamt bedeutet, das bespreche ich jetzt mit Martin Thunert, Politikwissenschaftler am Heidelberg Center for American Studies. Guten Morgen!
Martin Thunert: Schönen guten Morgen nach Berlin.
Welty: Wie schätzen Sie das ein? Ist das eine Kurskorrektur, oder doch ein Paradigmenwechsel?
Thunert: Nein, ich würde sagen, es ist eine Kurskorrektur. Wir sehen schon seit etwa sechs bis sieben Jahren, dass die Zustimmungsrate zur Todesstrafe für Mord leicht sinkt, und sie sinkt besonders bei der Bevölkerung, die der demokratischen Partei zuneigt, also der Partei des Präsidenten Obama, und in Bundesstaaten, wo die Mehrheitsverhältnisse wie in Maryland im Moment sehr stark zu Gunsten der Demokraten sind, haben wir schon in anderen Staaten wie New Jersey, Illinois, New Mexico und Connecticut einen ähnlichen Prozess gesehen, dass die Landtage und die Gouverneure dann mehrheitlich für die Abschaffung der Todesstrafe in ihren Bundesstaaten entscheiden.
Welty: Offenbar haben die Todesstrafengegner gute Argumente, die weniger emotional oder religiös sind, sondern vor allem pragmatisch. Welches Argument ist das wahrscheinlich entscheidende?
Thunert: Ich denke, bei dem Prozess, der vor sechs bis sieben Jahren eingesetzt hat, waren einige mögliche Fehlurteile, die gefällt worden waren, etwa im Bundesstaat Illinois, ausschlaggebend. Man kann natürlich Fehlurteile im Falle der vollzogenen Todesstrafe nicht mehr korrigieren, das ist ein sehr, sehr starkes Argument, was unentschiedene Menschen sozusagen zum Zweifeln gebracht hat.
Ein zweites Argument ist, dass bei den Verurteilten, die auf death row, also die sozusagen in der Todeszelle sitzen, die schwarze Bevölkerung, vor allen Dingen junge schwarze Männer, stark überrepräsentiert sind. Knapp 40 Prozent sind das bei den Todeskandidaten, in der Bevölkerung nur 13 Prozent, und das hat insbesondere progressiv gesonnene Menschen dazu gebracht, darüber nachzudenken, ob das Justizwesen der USA tatsächlich im Hinblick auf die Hautfarbe gerecht ist, und dort ist dann Skeptizismus eingetreten.
Welty: Darüber hinaus gibt es Untersuchungen, die sagen, die Todesstrafe schreckt nicht ab, die Todesstrafe ist teurer als lebenslänglich und die Todesstrafe ist nicht revidierbar. Welches Argument spricht dann überhaupt noch für die Todesstrafe?
Thunert: Das ist jetzt nicht unbedingt meine Auffassung, sondern bei der Diskussion in den USA geht es darum, dass man bei der Todesstrafe dann keine Rückfalltäter mehr hat. Es wird argumentiert, dass die Opfer von Verbrechen von Mord dadurch befriedet werden. Aber insgesamt hat sich gezeigt, wenn man die Leute nach einer Alternative fragt, Todesstrafe oder lebenslänglich ohne Bewährung – es geht also nicht um lebenslänglich mit Haftentlassung nach 15, 18 oder 20 Jahren -, dass dann mittlerweile sogar eine ganz knappe Mehrheit sagt, ja, lebenslang ohne die Chance, wieder in Freiheit zu kommen, das finden wir besser.
Und da spielt das Kostenargument eine Rolle. Es ist in der Tat so, dass die Kosten der Todesstrafe durch die langen Berufungsverfahren, die also sehr, sehr viele Anwälte involvieren, höher sind als die Gefängnisstrafe auf lebenslänglich.
Welty: Aller Wahrscheinlichkeit werden ja Texas und die Südstaaten noch auf sehr lange Zeit an der Todesstrafe festhalten. Bedeutet das für die USA einmal mehr eine Zwei-Klassen-Gesellschaft?
Thunert: Es kommt natürlich auch jetzt schon darauf an, wo Sie eine Straftat begehen.
Welty: …, wo ich ein Verbrechen begehe.
Thunert: Das haben Sie ja gesagt. Es sind 17 oder dann 18 Staaten, wo das nicht der Fall ist. Eine landeseinheitliche Lösung könnte es, glaube ich, nur geben, wenn wie zwischen 1972 und -77 der Supreme Court, also das oberste Gericht der USA, der Auffassung wäre, dass Todesstrafe an sich, egal wie sie ausgeführt wird, eine unangemessene verfassungswidrige Bestrafung darstelle, und dass so eine Rechtssprechung in naher Zukunft kommt, ist nicht zu erwarten. Deswegen wird es dabei bleiben, dass es eine sehr, sehr uneinheitliche Regelung gibt, denn Strafrecht ist in den USA Zuständigkeit der Einzelstaaten.
Welty: Die USA und die Todesstrafe – dazu Gedanken des Politikwissenschaftlers Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies. Ich danke Ihnen!
Thunert: Vielen Dank – auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Martin Thunert: Schönen guten Morgen nach Berlin.
Welty: Wie schätzen Sie das ein? Ist das eine Kurskorrektur, oder doch ein Paradigmenwechsel?
Thunert: Nein, ich würde sagen, es ist eine Kurskorrektur. Wir sehen schon seit etwa sechs bis sieben Jahren, dass die Zustimmungsrate zur Todesstrafe für Mord leicht sinkt, und sie sinkt besonders bei der Bevölkerung, die der demokratischen Partei zuneigt, also der Partei des Präsidenten Obama, und in Bundesstaaten, wo die Mehrheitsverhältnisse wie in Maryland im Moment sehr stark zu Gunsten der Demokraten sind, haben wir schon in anderen Staaten wie New Jersey, Illinois, New Mexico und Connecticut einen ähnlichen Prozess gesehen, dass die Landtage und die Gouverneure dann mehrheitlich für die Abschaffung der Todesstrafe in ihren Bundesstaaten entscheiden.
Welty: Offenbar haben die Todesstrafengegner gute Argumente, die weniger emotional oder religiös sind, sondern vor allem pragmatisch. Welches Argument ist das wahrscheinlich entscheidende?
Thunert: Ich denke, bei dem Prozess, der vor sechs bis sieben Jahren eingesetzt hat, waren einige mögliche Fehlurteile, die gefällt worden waren, etwa im Bundesstaat Illinois, ausschlaggebend. Man kann natürlich Fehlurteile im Falle der vollzogenen Todesstrafe nicht mehr korrigieren, das ist ein sehr, sehr starkes Argument, was unentschiedene Menschen sozusagen zum Zweifeln gebracht hat.
Ein zweites Argument ist, dass bei den Verurteilten, die auf death row, also die sozusagen in der Todeszelle sitzen, die schwarze Bevölkerung, vor allen Dingen junge schwarze Männer, stark überrepräsentiert sind. Knapp 40 Prozent sind das bei den Todeskandidaten, in der Bevölkerung nur 13 Prozent, und das hat insbesondere progressiv gesonnene Menschen dazu gebracht, darüber nachzudenken, ob das Justizwesen der USA tatsächlich im Hinblick auf die Hautfarbe gerecht ist, und dort ist dann Skeptizismus eingetreten.
Welty: Darüber hinaus gibt es Untersuchungen, die sagen, die Todesstrafe schreckt nicht ab, die Todesstrafe ist teurer als lebenslänglich und die Todesstrafe ist nicht revidierbar. Welches Argument spricht dann überhaupt noch für die Todesstrafe?
Thunert: Das ist jetzt nicht unbedingt meine Auffassung, sondern bei der Diskussion in den USA geht es darum, dass man bei der Todesstrafe dann keine Rückfalltäter mehr hat. Es wird argumentiert, dass die Opfer von Verbrechen von Mord dadurch befriedet werden. Aber insgesamt hat sich gezeigt, wenn man die Leute nach einer Alternative fragt, Todesstrafe oder lebenslänglich ohne Bewährung – es geht also nicht um lebenslänglich mit Haftentlassung nach 15, 18 oder 20 Jahren -, dass dann mittlerweile sogar eine ganz knappe Mehrheit sagt, ja, lebenslang ohne die Chance, wieder in Freiheit zu kommen, das finden wir besser.
Und da spielt das Kostenargument eine Rolle. Es ist in der Tat so, dass die Kosten der Todesstrafe durch die langen Berufungsverfahren, die also sehr, sehr viele Anwälte involvieren, höher sind als die Gefängnisstrafe auf lebenslänglich.
Welty: Aller Wahrscheinlichkeit werden ja Texas und die Südstaaten noch auf sehr lange Zeit an der Todesstrafe festhalten. Bedeutet das für die USA einmal mehr eine Zwei-Klassen-Gesellschaft?
Thunert: Es kommt natürlich auch jetzt schon darauf an, wo Sie eine Straftat begehen.
Welty: …, wo ich ein Verbrechen begehe.
Thunert: Das haben Sie ja gesagt. Es sind 17 oder dann 18 Staaten, wo das nicht der Fall ist. Eine landeseinheitliche Lösung könnte es, glaube ich, nur geben, wenn wie zwischen 1972 und -77 der Supreme Court, also das oberste Gericht der USA, der Auffassung wäre, dass Todesstrafe an sich, egal wie sie ausgeführt wird, eine unangemessene verfassungswidrige Bestrafung darstelle, und dass so eine Rechtssprechung in naher Zukunft kommt, ist nicht zu erwarten. Deswegen wird es dabei bleiben, dass es eine sehr, sehr uneinheitliche Regelung gibt, denn Strafrecht ist in den USA Zuständigkeit der Einzelstaaten.
Welty: Die USA und die Todesstrafe – dazu Gedanken des Politikwissenschaftlers Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies. Ich danke Ihnen!
Thunert: Vielen Dank – auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.