Rechtsfreie Räume gibt es auch nicht im Internet
Das linke Portal "linksunten.indymedia.org" ist abgeschaltet worden. Am Morgen gab es Razzien in Freiburg. Diese Aktion hängt mit den Krawallen in Hamburg zum G20-Gipfel zusammen, meint unser Kommentator Stefan Koldehoff - mit Zensur habe sie aber rein gar nichts zu tun.
Nein, auf dem linken Auge ist dieser Staat nie blind gewesen. Wer sich an Innenminister wie Friedrich Zimmermann oder Manfred Kanther erinnert, dem kommt dieser seit G20 immer wieder erhobene Vorwurf geradezu absurd vor. Beiden wurde eher Blindheit auf dem rechten Auge nachgesagt: Viele Jahre lang war der Linksextremismus-Teil des Verfassungsschutzberichtes deutlich dicker als der zum Thema rechts.
In den vergangenen Jahren hatte sich die öffentliche Aufmerksamkeit allerdings aus gutem Grund nach rechts verschoben: Weil es vor allem im Osten Deutschlands plötzlich so genannte "national befreite Zonen" gab. Weil Flüchtlingswohnheime brannten. Weil Menschen wegen ihrer anderen Hautfarbe oder Kleidung oder Lebensart totgeprügelt wurden. Weil plötzlich immer mehr Menschen der Meinung waren, für diese menschenverachtende Brutalität gebe es sogar eine Legitimation – ein angebliches "Recht auf Widerstand". Und weil eine Partei zunehmend an Einfluss und Mandaten gewann, die sich davon bis heute nicht so distanziert, wie man es von Demokraten erwarten müsste.
Die Grenzen scheinen zu verschwimmen
Durch die massive Gewalt beim G20-Gipfel hat sich dieses Bewusstsein nun wieder verschoben – diesmal in die andere Richtung. Und natürlich hängt die heutige Entscheidung damit, und wohl auch mit dem Wahlkampf, zusammen. Mit einer Beschneidung der Medienfreiheit, mit Zensur gar, hat sie trotzdem überhaupt nichts zu tun.
Von den Linken wollen viele den Staat in seiner jetzigen Form abschaffen – weil er ihnen nicht ins politische Konzept passt. Auf der Rechten wollen viele Menschen abschaffen, ausweisen, ermorden – wie sie ihnen nicht ins politische Konzept passen. Das war bislang der grundlegende Unterschied zwischen beiden extremen Lagern. Die Krawalle von Hamburg haben nun gezeigt, dass diese Grenzen zu verschwinden scheinen. Wer auf einer Website wie "linksunten.indymedia.org" erklärt, wie man Molotow-Cocktails baut oder Autos möglichst effektiv "abfackelt" und dafür ebenfalls ein "Recht auf Widerstand" reklamiert, der nimmt ebenfalls Tote in Kauf. Allein schon deswegen spielt die politische Ideologie dahinter keinerlei Rolle. Rechtsfreie Räume gibt es auch im Internet nicht – weder für Rechte noch für Linke noch für Privatpöbler bei Facebook.
Das Gewaltmonopol liegt allein beim Staat
Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie. Sie hat das Recht und die Verpflichtung, ihre Bürgerinnen und Bürger – und auch die Polizisten – zu schützen. Und sich selbst: Wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht nur infrage stellt, sondern offen zum Kampf gegen sie aufruft, macht sich nicht nur strafbar, er wendet sich gegen die einzig mögliche Form eines friedlichen Miteinander: gegen das Austragen von Konflikten im Diskurs und gegen den Konsens, dass das Gewaltmonopol allein beim Staat liegt.
Dass über dessen Umgang damit nach G20 nun ebenfalls intensiv diskutiert wird, ist Teil dieses demokratischen Konsenses und zeigt, dass er trägt. Im Laufe der Debatte kam übrigens auch heraus, wieviele V-Leute die Polizei in der linken Szene hat. Dass den Behörden nach der Abschaltung von "linksunten.indymedia.org" nun eine wichtige Informationsquelle abhanden käme, muss also auch niemand fürchten.