Abschiebung von Kriegsflüchtlingen

Willkür in deutschen Amtsstuben

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Das BAMF würdigt den "glaubhaft vorgetragenen Sachverhalt des Antragstellers" Manaf Mohammed, lehnt seinen Antrag aber ab. © picture alliance/dpa/Foto: Klaus-Dietmar Gabbert
Von Klaus Schirmer |
Die Verschärfung des Asylrechts durch die Bundesregierung wird offenbar wirksam. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verschickt zunehmend Ablehnungsbescheide. Wie willkürlich die Sachbearbeiter dabei vorgehen, zeigt der Fall einer irakischen Familie in Berlin.
"Vielleicht heute letzter Tag, hier!"
Manaf Mohammed strahlt. Der 31-jährige Iraker ist mit seiner Frau Hayfaa und der jüngsten Tochter, der fünfjährigen Ruqaya, auf dem Weg nach Zehlendorf, um den Vertrag für ihre erste Wohnung zu unterschreiben, die ihnen deutsche Freunde vermittelt haben. Nach elf Monaten Notunterkunft endlich eine eigene Wohnung, endlich Familienleben, endlich selber kochen in einer kleinen Küche, ein Schlafzimmer für die vier Kinder im Alter von 3 bis 9 Jahren. Manaf Mohammed:
"Ich bin Hauptfeldwebel irakischer Army von Beruf. Meine Stadt Mossul in Irak. Viele Probleme."
Als der IS 2014 seine Heimatstadt Mossul überrennt, töten sie Manafs Bruder im Elternhaus. Er, selber Sunnit, wird vom IS gefangen genommen, kann aber fliehen, und wird später von schiitischen Milizen gezwungen, sunnitische Zivilisten zu misshandeln und zu töten.
"Ich sage nee! Ich mache nicht das! Und Schiiten sagt: Aufstehen! Meine Augen verbunden, und meine Hand gefesselt und zu Gefängnis."

Bundesamt sieht gefährliche Lage, lehnt den Antrag aber ab

Drei Monate lang wird er in Bagdad von schiitischen Milizen gefoltert. Unter Zahlung von Lösegeld und mit Hilfe eines befreundeten kurdischen Generals kommt er frei. Am gleichen Tag, an dem die Familie Mohammed die mündliche Zusage für ihre Wohnung bekommt, erhält sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Bescheid über Manafs Asylantrag. Darin wird der "glaubhaft vorgetragene Sachverhalt des Antragstellers" gewürdigt. Auf zwei Seiten skizziert das Bundesamt die aktuell gefährliche Lage im Irak, insbesondere in Mossul und Bagdad und verweist auf Lageberichte des Auswärtigen Amts und UNHCR.
Aber: Manafs Antrag auf Asyl wird abgelehnt. Er und seine Familie werden auch nicht als Flüchtlinge anerkannt. Sie erhalten nicht einmal subsidiären Schutz mit beschränkter Aufenthaltserlaubnis. Dieser wird Menschen gewährt, die von Todesstrafe, Folter und willkürlicher Gewalt bedroht sind. Stattdessen werden sie aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Tun sie das nicht, werde man sie in den Irak abschieben. Manaf wendet sich mit Hilfe seiner deutschen Freunde an einen Anwalt.

Anwalt für Ausländerrecht reicht Klage ein

Als Begründung für die Ablehnung schreibt das Bundesamt unter anderem: "Subsidiärer Schutz ist im Wesentlichen für Zivilpersonen gedacht und dazu zählen Angehörige des Militärs nicht."
Rechtsanwalt Dieter Kierzynowski: "Also, muss ich zugeben, habe ich auch nicht kapiert diese Einschränkung. Also finde ich völlig unlogisch."
Dieter Kierzynowski ist seit über 30 Jahren spezialisiert auf Ausländerrecht und Asylrecht und das für Flüchtlinge aus dem arabischen Raum. Er hat den Fall vor wenigen Tagen erst übernommen und als erstes fristgerecht Klage beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht.
"Da hat man dann einen Ansatzpunkt, an dem man argumentativ sagen kann: Hier bitte schön! Da hat das Bundesamt falsch entschieden bzw. die Situation falsch eingeschätzt."

Die Anhörung von Manaf wurde im Juli in der Außenstelle des Bundesamtes in Berlin durchgeführt. Ein Spracherkennungsprogramm hat dann zeitgleich zur laufenden Anhörung die Niederschrift gefertigt. Die Entscheidung über den Asylantrag hat allerdings drei Monate später ein anderer Mitarbeiter in der Zentrale in Nürnberg getroffen, der sogenannte Entscheider - allein auf der Grundlage der Niederschrift und ohne einen persönlichen Eindruck von der Glaubhaftigkeit Manafs.
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Das Zimmer von Manaf Mohammed und seiner Familie in der Notunterkunft im ICC in Berlin© Deutschlandradio Kultur / Klaus Schirmer

"Es sollen Bescheide rausgeknüppelt werden"

Lange Zeit war es im Bundesamt so, dass derjenige, der die Anhörung macht, auch die Entscheidung trifft. Aber der massive politische Druck auf die Behörde, schneller über Asylanträge zu entscheiden, führte zu dieser Arbeitsteilung.
Kierzynowski: "Also, es sollen Bescheide rausgeknüppelt werden, ja, also, es geht um Erledigung, geht natürlich hauptsächlich um Erledigung im negativen Sinne."

Mehr Ablehnungsbescheide heißt aber auch mehr Klagen. Und somit eine längere durchschnittliche Verfahrensdauer. Dieter Kierzynowski rechnet im Fall von Manaf zwischen ein und zwei Jahren – was sich als integrationsfördernd für die Betroffenen auswirken kann.
"Je länger ich hier bin, desto schlechter kann man mir sagen: 'Geh wieder nach Hause!' Also vor allen Dingen, wenn es Familien mit Kindern sind, wo dann erste Schritte in Bezug auf Sprache, in Bezug auf Einschulung oder ähnliches passiert sind. Und da kann man dann sagen: Da Leute! Da ist der Zug jetzt abgefahren! Vielleicht kein Asyl, aber aus humanitären Gründen müsst ihr die Leute jetzt da lassen, und daran arbeiten wir Anwälte ja auch."
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