Ringen um den Rechtsstaat
Im Fall der voreiligen Abschiebung des Islamisten Sami A. übt die Justiz scharfe Kritik an den Behörden. Zu Recht, finden unsere Gäste in der Sendung Studio 9 - die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und der Journalist Jacques Schuster.
Am 13. Juli war Sami A. nach Tunesien abgeschoben worden. Trotzdem muss der angebliche Bin-Laden-Leibwächter nun nach Deutschland zurückgeholt werden. Um einem Abschiebeverbot zuvorzukommen und den Islamisten vorher noch auszufliegen, hatten die Behörden der Justiz wichtige Informationen vorenthalten - ein Vorgehen, das nun scharfe Kritik nach sich zieht. Manche Beobachter sehen sogar die Gewaltenteilung in Gefahr.
Der Journalist Jacques Schuster teilt diese Meinung bedingt. Die Kritik an den Behörden sei zwar berechtigt, aber: "Dass man den Rechtsstaat in Frage stellt, das halte ich für überzogen. Die Deutschen und die deutsche Regierung haben eine große Achtung vor dem Verfassungsgericht und allem anderen. Da ist eine Panne passiert - vielleicht auch bewusst, gar keine Frage - aber im Grundsatz, würde ich sagen, ist die Rechtstaatlichkeit gewahrt und man muss auch die Kirche im Dorf lassen."
Deutlich kritischer bewertet die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin den Fall. Es sei Zeit gewesen, "dass die Richterin hier mal eine ganz klare Ansage gemacht hat", sagte Däubler-Gemlin mit Blick auf die Äußerung der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, Ricarda Brandts, wonach die Behörden bei der Abschiebung von Sami A. 'die Grenzen des Rechtsstaats ausgetestet' hätten. Wenn die Richterin im vorliegenden Fall von Tricksereien spreche, werde sie wissen warum. "Das geht alles nicht. Wenn das der Fall ist, dann muss einem Rechtsspruch Folge geleistet werden - ob das eine Behörde mag oder nicht."
Der Fall zeige, dass "wir doch in einer sehr aufgeregten Zeit" lebten, meint Jacques Schuster. Empfehlenswert sei daher die Rechtslage zu ändern. "Ich glaube sehr wohl, dass wir dann die Gesetze verschärfen müssten und dieses ewige Ineinander-Mischen von Flucht und Asyl und Arbeitsmigranten - das ja weitergeht, merkwürdigerweise -, das muss aufhören, damit auch die Menschen wieder Klarheit haben, wer kommt und wer auch berechtigt kommt und wer eben nicht kommen soll."
Im Fall Sami A. gehe es um etwas anderes, betont demgegenüber Herta Däubler-Gmelin. "Es muss völlig klar sein, dass auch dann, wenn eine aufgeregte Öffentlichkeit, auch mit Interessen behaftete Meinungen, die ganz unterschiedlich sein können, einen Fall extrem aufgeregt diskutierten - dass dann das gilt, was das Gericht sagt". Es reiche schon das Wort 'Gefährder' öffentlich auszusprechen und sofort werde so ein Fall mit Emotionen überfrachtet. "Das ist dann auch nicht das Rechtsempfinden, sondern eine aufgesetzte Gerüchte-Kocherei und Angstmacherei - und das kann sich ein Rechtsstaat nicht leisten."