Abschiebungen

Nur noch schwere Krankheiten als Hindernis

Ein Stempel mit der Überschrift "Abgeschoben" in einem serbischen Pass.
Ein Stempel mit der Überschrift "Abgeschoben" in einem serbischen Pass. © picture alliance / dpa / Sebastian Willnow
Von Gudula Geuther |
Der Bundestag verabschiedet mit dem Asylpaket II verschäfte Regelungen für den Umgang mit Flüchtlingen. Es wird Spezialeinrichtungen für Menschen aus so genannten sicheren Herkunftsstaaten und weniger Ausnahmen für Abschiebungen geben.
Das Asylpaket II ist gerade erst durchs Kabinett, da spricht man in Berlin schon von einem dritten Bündel, das geschnürt werden soll. Zuerst aber muss der Bundestag über die heute auf den Weg gebrachten Verschärfungen entscheiden. Kernstück sind besondere Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive. Gemeint sind vor allem Menschen aus so genannten sicheren Herkunftsstaaten. Ob die dort geplanten Schnellverfahren der Verfassung entsprechen, ist umstritten. Flüchtlingsorganisationen und der Deutsche Anwaltverein etwa glauben, Rechtsschutz wie er im Flughafenverfahren mit Notdiensten der Anwaltschaft organisiert wird, sei für diese Einrichtungen gar nicht herstellbar. Der Frankfurter Anwalt Tim Kliebe sagt:
"Das Gleiche jetzt für eine so große Zahl neu einreisender Flüchtlinge in diesen besonderen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen, würde nicht nur bedeuten, dass jeden Tag ein Anwalt, eine Anwältin Bereitschaft haben müsste, sondern wahrscheinlich ein Dutzend, oder 50, oder 100 Anwälte – die es im Bundesgebiet überhaupt nicht gibt, und schon gar nicht in der Region, in der momentan diese besonderen Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen werden."
Asylpaket III ist bereits in der Vorbereitung
Wie viele Menschen tatsächlich betroffen sein werden, wird allerdings erst die Praxis zeigen. Abschiebungen sollen seltener als bisher am Gesundheitszustand des Betroffenen scheitern, unter anderem indem nur noch schwere oder lebensbedrohliche Krankheiten als Hindernis gelten sollen. So genannte subsidiär Schutzberechtigte sollen zwei Jahre lang Ehepartner und Kinder nicht nachholen dürfen. Es geht dabei unter anderem um – wenn man so will – bloße Bürgerkriegsflüchtlinge. In der Vergangenheit betraf das etwa 20 Prozent der Syrer. Auch ob dies verfassungsgemäß ist, ist umstritten. Sozialleistungen soll in Zukunft nur noch bekommen, wer sich nach den neuen Regeln registrieren lässt – und zwar dort, wohin er verwiesen wurde.
Das Kabinett beschloss heute auch, dass die Liste der sicheren Herkunftsstaaten erweitert werden soll, um Marokko, Algerien und Tunesien. In der Frage allerdings muss auch noch der Bundesrat mitsprechen. Einige wollen die Liste schon jetzt verlängern. Nach einem bayerischen Wunschzettel sollen auch Staaten wie Nigeria oder auch die Ukraine für verfahrensrechtlich sicher erklärt werden. Unter dem Kürzel Asylpaket III laufen Pläne für weitere Verschärfungen, aber auch für bessere Integration. Eine Verschärfung will auch die SPD mittragen, zumindest ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel:
"Ich glaube, wir brauchen eine Wohnsitzauflage, sonst ziehen die Menschen, auch die anerkannten, alle in die Großstädte. Da massiert sich das Problem und wir kriegen Ghetto-Probleme."
Auch hier ist hochumstritten, ob Verfassungs- und Völkerrecht nicht entgegensteht. Teil des neuen Paketes soll außerdem ein Bündel von Integrationsmaßnahmen sein. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will in einem Integrationsfördergesetz auch zum Beispiel näher umreißen, welche Ansprüche Flüchtlinge in der Beschäftigungsförderung haben. Und gleichzeitig dafür sorgen, dass denen, die Integrationskurse nicht besuchen, schon im Asylverfahren Leistungen gekürzt werden können. Das ist zwar bisher nicht der Fall – Verweigerung kann aber Konsequenzen bei der Anerkennung haben, was für die meisten schwerer wiegen dürfte. Völlig offen ist, wann ausreichend Sprach- und Integrationskurse angeboten werden können.
Außenpolitische Lösungen für Flüchtlingsproblem
Intensiv arbeitet die Bundesregierung vor allem außenpolitisch am Flüchtlingsproblem. Sei es durch Verhandlungen darüber, dass Flüchtlinge nicht weiterziehen, vor allem mit der Türkei, es geht aber auch um die Bedingungen in den anderen Syrien-Anrainerstaaten. Und verhandelt wird unter anderem mit den Maghreb-Staaten darüber, dass diese ihre eigenen Staatsbürger häufiger zurücknehmen. Teilweise sind Abschiebungen aber auch wegen der Zustände im Herkunftsland nicht möglich. Kanzleramtschef Peter Altmaier hat ins Spiel gebracht, auch in Drittländer abzuschieben. Und bezog das auf Straftäter. Der Grüne Jürgen Trittin kritisiert das:
"Bei einer im Schnitt gegenüber der Deutschen Wohnbevölkerung im Schnitt unterdurchschnittlichen Kriminalitätsrate permanent die Debatte darüber zu führen, was die wenigen Straftäter unter Flüchtlingen angestellt haben, und was man nach einer Verurteilung denn machen wird, das lenkt von den eigentlichen Problemen ab."
Gemeint ist auch hier vor allem die Türkei. Welche Gegenleistung die für die Aufnahme von Angehörigen anderer Staaten erwartet, auch das ist offen.
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