Weg vom Radiosound, hin zur Nische
11:28 Minuten
Nach zwölf Jahren verabschieden wir uns bei Breitband von der Netzmusik. Grund genug, einen Blick auf die Szene zu werfen und zu besprechen, wie sie sich über die Zeit verändert und entwickelt hat.
"Die Musik, die Sie heute gehört haben, finden sie natürlich wie immer unter einer freien CC-Lizenz auf unserer Webseite." Wer Breitband von Anfang an begleitet, wird diesen Satz in dieser oder einer abgewandelten Form schon über 500 Mal gehört haben. Doch damit ist jetzt Schluss. Nach zwölf Jahren, in denen wir in dieser Sendung nichtkommerzielle Creative-Commons-Musik präsentiert haben.
Sehr lange war der Podcaster und ehemalige Netlabel-Eigentümer Christian Conradi einer unserer Musikredakteure. Er hat die Szene die gesamte Zeit über begleitet und erzählt uns im Gespräch, wie alles begann und wie und warum sich die Landschaft verändert hat – weg vom Radiosound, hin zur Nische.
Vorreiter für die Musikindustrie
Vor rund 15 Jahren habe es damit angefangen, dass das Aufnehmen und Produzieren von Musik technisch immer einfacher und auch finanziell erschwinglicher geworden sei. Die Creative-Commons-Lizenzen hätten dann das Teilen, aber vor allen Dingen auch das Remixen von Musik ermöglicht. Dies habe eine Szene geschaffen, die dafür stand, dass Musik wirklich als Kulturgut jenseits des Konsums verstanden werden sollte.
Netlabels hätten mit Creative Commons legale, weltweite Vertriebswege aufbauen können. Dies sei ein großer Vorteil gegenüber der etablierten Musikindustrie gewesen, die damals noch keine legalen digitalen Distributionswege im Angebot gehabt habe.
Es ist alles erst zehn Jahre her
Conradi erinnert sich außerdem an Festivals, Cafés und Restaurants, in denen ausschließlich freie Musik gespielt worden sei: "Das hatte manchmal auch ein bisschen absurde Auswüchse. Ich kann mich an eine Milchreisbar namens 'breiPott' in Berlin erinnern. Und dazu eben PCs mit freier Musik, sogenannte Musik-Tankstellen. Und da konnte man eben Milchreis essen und einen USB-Stick mitbringen, um seine Musik darauf zu laden. Das klingt schon so, als wäre das in den Achtzigern gewese, aber es ist tatsächlich erst zehn Jahre her."
Mehr Nische, weniger Radio
Die Szene mit den Netlabels und Veranstaltungen habe es aber niemals geschafft, sich wirklich zu professionalisieren – auch wegen fehlender Infrastruktur. So habe es wenige Möglichkeiten gegeben, online überhaupt Geld einzunehmen. Und dann seien zeitgleich zwei Dinge passiert, die für Conradi essenziell waren: das Aufkommen von legalen Streamingangeboten wie Spotify und das Ende der "Web 2.0"-Utopie, in der alle selbst publizistisch tätig wurden. Dies sei zwar in sozialen Medien noch geschehen, aber kaum noch im Musikbereich.
"Gleichzeitig ist Social-Media auch eins der großen Probleme für Netlabels, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden", sagt Conradi. "Musik ist im Überfluss da, aber gleichzeitig kommt man, wenn man heute ein neues Album herausbringt, gar nicht mehr gegen dieses große Rauschen im Netz an." So sei es auch in der Rolle als Musikredakteur für Breitband immer schwieriger geworden, qualitativ hochwertige Netzmusik zu finden, die auch noch radiotauglich ist.
Trotzdem werde der Gedanke, der hinter Netzmusik steckt, nicht verschwinden: "Aber ich glaube, sie wird kleiner werden, sie wird noch nischiger werden", erwartet Conradi. "Vielleicht könnte es eine Vision sein, dass das sogar wieder offline zu einem Mikro-Festival wie dem von Peppermill Records wird, das in der Wildnis stattfindet, an einem geheimen Ort, an den alle Teilnehmer zwei Tage hin wandern müssen. Es ist für mich und alle, die das erlebt haben, schwer zu beschreiben, wie es wirklich ist."
Also zurück zu den Anfängen für Netzmusik. Denn auch wenn sie bei uns nicht mehr läuft, vorbei ist sie noch lange nicht.
(hte)