Abschiede

Prominente Verstorbene

Ein Mann legt Blumen vor Postern mit dem Porträt Nelson Mandelas nieder.
Die ganze Welt nahm Anteil am Tode Nelson Mandelas. © picture alliance / dpa
Von Klaus Pokatzky |
Weltweite und weitreichende Würdigung erfuhr vor kurzem der frühere Staatsmann Nelson Mandela. Doch neben ihm erinnerten die Zeitungen an viele weitere verstorbene Politiker, Künstler und Kritiker. Eine Rückschau.
"Held der Welt." So lobte hymnisch die FRANKFURTER RUNDSCHAU. "Sein Leben steht wie kein anderes für den Wandel eines Kontinents, für Emanzipation und Selbstbestimmung". Wann zuletzt hat ein verstorbener Staatsmann eine solche Würdigung und ein solches Staatsbegräbnis erfahren wie Nelson Mandela?
"Vergleichbar allenfalls mit Gandhi", fand die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG den "Pragmatiker und Garanten für Stabilität, den König der Versöhnung". Bild machte es wie immer schlicht, aber diesmal treffend: "Er war der gütigste Mensch der Welt".
Alle aus der Politik, die in diesem Jahr verstorben sind, stehen da in der zweiten oder dritten Reihe: ob der einstige ungarische Ministerpräsident Gyula Horn, Polens Ex-Premier Tadeusz Mazowiecki, New Yorks ehemaliger Bürgermeister Ed Koch - oder auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez.
In Deutschland verstarb mit Manfred Rommel ein ehemaliger Stuttgarter Oberbürgermeister und "ein großer Menschenfreund", wie die Stuttgarter Zeitung würdigte, "ein beeindruckender liberal-konservativer Intellektueller". Also der genaue Gegenentwurf zu der einzigen verstorbenen Politikerpersönlichkeit, die in ihrer Wirkung an Nelson Mandela heranreichte: "Eisern und eisig"nannte die FRANKFURTER ALLGEMEINE "die moderne Machtfrau", so DIE WELT, die für den TAGESSPIEGEL "die Krankenschwester der Nation"war. Oder in den Worten der ZEIT: "Margaret Thatcher hat den Kapitalismus entfesselt – aber dem Westen den Glauben an sich selbst zurückgegeben."
"Der letzte Patriarch"
Von einem wahrhaft guten Kapitalisten hatten wir Abschied zu nehmen. Neben dem Russen Boris Beresowski, der vor Putin nach London floh; neben dem Metro-Gründer Otto Beisheim; neben dem Kulturunternehmer Peter Dussmann verstarb auch Berthold Beitz: "Der letzte Krupp", wie ihn die FRANKFURTER ALLGEMEINE nannte, "der letzte Patriarch", so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, "Stahlmagnat und Retter von Juden", so die International Herald Tribune.
Der Mann, der im Krieg im besetzten Polen Hunderte jüdische Nachbarn vor den Nazi-Mördern schützte und dann Krupp vor dem Untergang bewahrte. "Von der Pflicht des Herzens", schrieb Helmut Schmidt da in der ZEIT; "er fühlte sich verantwortlich für die Beschäftigten", stellte der SPIEGEL fest und die BERLINER ZEITUNG erinnerte: "Er hat sich für Sport und Kultur starkgemacht". Und zwar mit 615 Millionen Euro, die die Krupp-Stiftung in 45 Jahren unter Berthold Beitz an gemeinnützige Projekte gegeben hat.
Unter den Künstlern starb Willi Sitte, unter den Schauspielern Otto Sander, unter den Literaten Doris Lessing, Erich Loest und Sarah Kirsch, der Schöpfer des Räubers Hotzenplotz Otfried Preußler, es starben Walter Jens und der Verleger Wolf Jobst Siedler: der "geschichtsbewusste Konservative mit einer Leidenschaft für Preußen", wie ihn die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG würdigte, der "glänzende Stilist"– oder, so die SÜDDEUTSCHE, der "scharfe, mit Geist und Witz begabte Beobachter seiner Zeit".
"Held des Vergebens"
Und es starb Marcel Reich-Ranicki: "Der Herr der Worte", so nannte ihn der Münchner Merkur, der "Versöhner und Spalter",so die Münchner Abendzeitung, der "Entertainer aus der Not", wie es in der BERLINER ZEITUNG hieß, der "Held des Vergebens", so die FRANKFURTER ALLGEMEINE. Und in der ZEIT schrieb Ulrich Greiner: "So einen Kerl habe ich zeit meines Lebens nicht gesehen".
Aus der leichteren Muse, wo Kultur und Unterhaltung ihre Ehen eingehen, verließen uns die großen Kabarettisten Peter Ensikat, Dietrich Kittner und Dieter Hildebrandt; die Fernsehansagerin Dagmar Bergmeister, der ihr Süddeutscher Rundfunk einst, als sie 36 Jahre alt war, aus Altersgründen kündigen wollte. Es verließen uns die Musiker Lou Reed und Paul Kuhn, Vivi Bach – "die kluge Schönheit"war sie nicht nur für die FRANKFURTER ALLGEMEINE. Und Chris Howland, der Mr. Pumpernickel, oder wie der TAGESSPIEGEL schon origineller schrieb, das "Urgestein bundesdeutscher Medienunterhaltung"–nämlich"Brite, Butler, Botschafter der Vinylkultur".
Dass Michail Timofejewitsch Kalaschnikow, der Erfinder des gleichnamigen russischen Sturmgewehrs, bis zum 23. Dezember überhaupt noch unter den Lebenden weilte, war für die meisten wahrscheinlich eine große Überraschung. Wer bei der NVA gedient hatte, erinnerte sich an den Rekrutenreim: "Schütze tot im Schützenloch, Kalaschnikow schießt immer noch". Die zwielichtige Welt muss in Zukunft auf den birmanischen Drogenhändler Lo Hsing Han und den mexikanischer Drogenboss Francisco Rafael Arellano Félix verzichten. Und natürlich auf Ronald Biggs, den Posträuber von 1963, Englands"Lieblingsräuber", wie die WELT befand – "Ein Gangster, aber mit Mut und Fantasie: Posträuber Ronnie Biggs geht als Volksheld in die Kriminalgeschichte ein".