Kitsch, Kalauer und Kunstgewerbe
Der Regisseur Achim Freyer hat am Berliner Ensemble "Ein Lamento in Bildern" angerichtet. Es wird getanzt, gelatscht, sich gedreht, Masken und Puppen werden vorgeführt. "Abschlussball" zur BE-Saisoneröffnung ist nichts als heiße Luft, meint unser Rezensent Peter Claus.
"Ein Lamento in Bildern" heißt der Abend im Untertitel. Was zeigen die Bilder, wo sind wir? Klar wird das nicht: In einem Varieté, einem Puff, einem Tanzpalast, einem Zirkus? Viele Assoziationen sind möglich ob all der Lämpchen und Lampions, vieler Spiegel, einer Glitzerkugel. Der Ort wirkt beliebig – so wie der ganze Abend, der sich trotz Kürze von nicht einmal eineinhalb Stunden unendlich lang anfühlt. Worüber wird geklagt? Über nicht weniger als das Leben an sich. Dazu wird dann Else Lasker-Schüler zitiert: "Es ist ein Weinen in der Welt, als ob der liebe Gott gestorben wär’."
Wer jammert? Das wird auch nicht recht klar. Vergessene Künstler, Artisten, Schauspieler, Tänzer, Fabelwesen, Zombies? Wieder: Beliebigkeit. Suche sich jede und jeder im Zuschauerraum aus, was ihr oder ihm gefällt. Und warum klingt die Musik, gern vom Akkordeon dominiert, unentwegt nach Fellini-Film?
Witze, Schlagworte und Video
Da wird getanzt, gelatscht, sich gedreht, werden viele Masken und Puppen vorgeführt, treten oft Herren in Damengarderobe auf und auch mal Damen als Herren gewandet. Pina Bausch kommt einem in den Sinn, ihr schöner Satz: "Mich interessiert nicht, wie sich die Leute bewegen, mich interessiert, was sie bewegt." Genau das, das "Was", wird hier nicht klar. Da helfen auch keine Kalauer und Witzchen, keine Schlagworte, die auch mal auf einer Glühbirnen-Wand erscheinen, wie etwa "Mord", "Fremde", "Schrei", "Tod".
Ach, ja, Video gibt’s auch. Mal sehen wir da von hinten einen Dirigenten, der an einem Meeresstrand steht und die Schaumkronen dirigiert, mal sehen wir ein Flugzeug, das Bomben abwirft. Und vieles mehr. Und immer wieder sehen wir die Theatermaschinerie: Garderobenständer im Hintergrund zum Beispiel, die Souffleuse in Aktion. Und gesungen wird auch noch. Klingt nach Oper, angeschrägt, vielleicht parodistisch gemeint, vielleicht todernst. Noch ein Fragezeichen.
Nicht mal eine Petitesse
Zwei kurze wahrhaftig anmutende Momente gab’s in dem zwischen Kitsch und Kunstgewerbe wabernden Abend. Erstens: Kurz vorm Ende wird für einen Moment die Windmaschine angeworfen und damit sehr viel heiße Luft in den Zuschauerraum geblasen. Man meint, damit wird einem die Quintessenz des Unternehmens um die Ohren gepustet. Zweitens: In den Schlussbeifall mischten sich einige kräftige Buh-Rufe. Als Achim Freyer die Bühne betrat, rief ein erboster Zuschauer "Schäm’ dich!" Freyer drehte sich um und es sah so als, als präsentiere er dem Auditorium sein Hinterteil. Das wirkte wie ein Statement Richtung Publikum: "Es geht mir am Arsch vorbei, was ihr denkt."
Kein Glanzlicht zur Eröffnung der letzten BE-Spielzeit unter Intendant Claus Peymann. Nicht mal eine Petitesse. Nichts.
Informationen des Berliner Ensembles zu "Abschlussball - Ein Lamento in Bildern"