Sagen, was ist, fällt dem "Spiegel" schwer
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Nach dem Bekanntwerden der Fälschungen in vielen "Spiegel"-Reportagen durch Claas Relotius versprach das Nachrichtenmagazin eine umfassende Aufklärung. Es setzte eine unabhängige Prüfkommission ein. Diese hat jetzt ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Das muss man dem "Spiegel" und seinen Verantwortlichen zugute halten: Sie setzen auf maximale Transparenz. Schon die Affäre hatte das lange so stolze Nachrichtenmagazin kurz vor Weihnachten selbst aufgedeckt – mit einem Titel in eigener Sache.
Nun geht auch der Abschlussbericht der eigens installierten Prüfkommission online, ins gedruckte Magazin und auf einem Termin vor die Presse. Der Bericht ist für die Verantwortlichen auch verheerend. Klusmann selbst sprach von "Fehlern in einem Ausmaß, das – gemessen an den Maßstäben seines Hauses – unwürdig" sei.
Große Eingeständnisse, keine echten Änderungen
Das alles muss man sich natürlich erst mal trauen. Aber hatten Chefredakteur Steffen Klusmann und Kollegen denn eine andere Wahl, um aus dem tiefen Loch herauszukommen, das Relotius dem "Spiegel" mit seiner Fälschungsserie gegraben hat? Die Eingeständnisse sind nun groß. Anders als: echte Änderungen.
Zum Beispiel das "Fact Checking": Bei einem Text pro Ausgabe soll es nun besonders scharfe Kontrollen geben, um zu prüfen, ob Reporter wirklich selbst recherchiert haben, was sie aus der weiten Welt nach Hamburg in die Redaktion tragen. Bei einem Text pro Ausgabe will die Redaktion Gesprächsmitschnitte abhören oder auch Selfies von Reportern mit Protagonisten sehen.
Das Magazin beschäftigt etwa 50 Faktenchecker, die Texte vor Druck prüfen. Das macht der "Spiegel" auch viel intensiver als andere Medien in Deutschland. Dabei, heißt es, geht es aber nur darum, ob die Fakten stimmen – nicht, ob die Reporter "ihre" Protagonisten auch selbst gesprochen oder besucht haben. Das soll sich nun ändern – bei einem Text pro Heft.
Wird das Gesellschaftsressort umgebaut?
Dann das Gesellschaftsressort, dem Relotius angehörte. Wie eine der "Spiegel"-Prüferinnen – die frühere Chefredakteurin der "Berliner Zeitung", Brigitte Fehrle – sagte, ein besonderes Problem: Redaktionelle Entscheidungen immer mit Blick auf Journalistenpreise, getrieben von der perfekte Geschichte.
Wird diese Risikoquelle nun radikal umgebaut, vielleicht sogar aufgelöst? Klusmann schweigt sich dazu aus. Auch zu weiteren personellen Konsequenzen – ein Faktenchecker ging in den Vorruhestand, zwei leitende Mitarbeiter müssen auf Chefposten verzichten, mehr nicht.
Viel "mea culpa" also, wenig konkrete Ansagen. "Sagen, was ist", so immerhin das Motto, das "Spiegel"-Gründer Rudolf Augstein seinem Blatt verpasste und das in der Lobby des Verlagssitzes prangt, das fällt da schwer – über den "Spiegel" und die Konsequenzen aus seiner größten Affäre.