Spaniens fragwürdige Einwanderungspraxis
Hunderttausende Flüchtlinge sind in den vergangenen Monaten nach Deutschland gekommen. Wegen dieser Willkommenskultur blicken viele Spanier mit Bewunderung nach Deutschland, denn ihr Land will derzeit lediglich 8.000 Menschen jährlich aufnehmen. Doch bisher sind nur wenige angekommen.
Für Pedro Sanchez ist es einfach nur beschämend. Der Chef der spanischen Sozialisten sagte in einer Parlamentsdebatte im April an die Adresse von Ministerpräsident Rajoy: "Wir haben gerade mal 18 Flüchtlinge empfangen, Herr Rajoy. 18 Flüchtlinge. Millionen sind auf der Flucht vor dem Tod und der Barbarei und Ihre Regierung war nur in der Lage, 18 Flüchtlinge aufzunehmen." Und er fügte hinzu: "Das ist eine wirkliche Schande."
Pedro Sanchez wirft der konservativen Regierung vor, nicht entschlossen zu handeln, das Problem zu verschleppen. Und damit ist er nicht allein. Auch die Kommunen gehen in Sachen "Flüchtlinge" in Frontstellung: Ada Colau zum Beispiel, die linke Bürgermeisterin von Barcelona. Sie wolle aus Barcelona eine Aufnahmestadt machen, sagte sie kürzlich. Die Voraussetzungen seien geschaffen.
Die organisatorischen Voraussetzungen fehlen
"Flüchtlinge, Ihr seid willkommen", rief sie zuletzt auf einer Wahlveranstaltung. Und auch in Madrid baumelt seit Monaten ein Schriftzug vom Rathaus, auf dem "Refugees Welcome" zu lesen ist. Doch die Refugees kommen nur langsam nach Spanien. Sehr langsam. Für Francisco Martínez, Staatssekretär im Innenministerium, hat das vor allem bürokratische Gründe, wie er dem ARD-Fernsehen sagte. So seien die Flüchtlings-Hotspots noch nicht eingerichtet. Auch seien viele "organisatorische Voraussetzungen" noch gar nicht geschaffen: "Akten müssen übermittelt und die Kandidaten ausgewählt werden, um sie dann umzusiedeln", erklärte Martinez. Es sei sehr schwer gewesen, dies alles in Gang zu bringen, doch werde es sich bald reibungsloser funktionieren.
Das war im Mai. Doch immer noch sind es angeblich nur 315, die in Spanien angekommen sind. Bei ihnen handelt es sich vor allem um Syrer, die aus Aufnahmelagern in Italien oder Griechenland nach Spanien überführt wurden. Tatsächlich ist das mit viel Bürokratie verbunden. Die Flüchtlinge müssen erst aufgesucht und einwandfrei identifiziert werden. Dann werden sie von Gesundheits- und vor allem auch Polizeibehörden überprüft. Und schließlich wartet noch ein ganzer Rattenschwanz an Verwaltungs-Prozeduren, bis die Menschen dann wirklich nach Spanien weiterreisen können. Aber dorthin wollten ohnehin die wenigsten, so Paloma Favieres von der spanischen Flüchtlingsorganisation CEAR: "Schon die ersten Syrer, die 2011 hier am Flughafen ankamen, wollten nach Deutschland." Deutschland sei schon seit langem das Zielland, gerade für syrische Kurden, vor allem weil viele dort Familienangehörige haben. "Außerdem wissen sie, dass sie dort bessere Versorgungsleistungen erwarten können", sagte Favieres.
Der Reiz der besseren Versorgungsleistungen
Für die Flüchtlingsorganisation CEAR ist es aber auch eine Frage des politischen Willens, dass Spanien bisher so wenige aufgenommen hat. Die spanische Online-Zeitung El Diario wies kürzlich darauf hin, dass die meisten Flüchtlinge in Spanien erst Ende Mai aufgenommen wurden, kurz vor den Parlamentswahlen. Und dass das sehr medienwirksam inszeniert wurde. Gut möglich, dass die Regierung aus den Flüchtlingen doch noch politisches Kapital schlagen wollte.
Fakt ist jedenfalls: Will Spanien tatsächlich 16000 Flüchtlinge aufnehmen, würde das bei der derzeitigen Geschwindigkeit nicht zwei Jahre dauern. Sondern ganze 36.