Mehrheit für die Liebe
Noch in den 90er-Jahren war Homosexualität in Irland strafbar. Jetzt könnte das katholische Irland zum ersten Mal weltweit Vorreiter werden. Die Iren stimmen über die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe ab und die Chancen dafür stehen gut.
"Ich bin dafür, weil die Menschen gleiche Rechte haben und jeder denjenigen heiraten sollte, den er liebt."
"Es ist doch ein Grundrecht, das jeder gleich behandelt wird, und hetero- und homosexuelle sollten die Person ehelichen können, die sie lieben."
Ausgerechnet Irland könnte heute vom Nachzügler zum Vorreiter werden und in seiner Verfassung die gleichgeschlechtliche Ehe verankern. Und ausgerechnet ein konservativer Ministerpräsident wie Enda Kenny hat diese Art Kulturrevolution möglich gemacht.
"Es waren die Geschichten normaler Leute, die mir von der Benachteiligung ihrer homosexuellen Kinder erzählten, die mich bewegt haben und jetzt stolz machen, dass wir nicht einfach die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare einführen wie andere Staaten, sondern dass wir das erste Land weltweit sind, das das eigene Volk fragt, ob in der Verfassung die Institution der Ehe gestärkt werden soll."
Für katholische Aktivisten wie Eva Conwoy, bedeutet die vorgeschlagene Verfassungsänderung wonach eine Ehe zwischen zwei Personen geschlossen werden kann ohne Rücksicht auf deren Geschlecht, keine Stärkung, sondern eine Entwertung der Ehe. Die Ehe, so sagt sie, sei kein Mittel Gleichberechtigung herzustellen; zur Ehe gehörten Liebe, Mütter und Väter.
"Marriage is not the measure of equality. It is simply a recognition that as well as love mothers and father do matter. That’s why I’m voting No!"
Lange galt Irland als erzkatholische Bastion. Hier waren bis 1978 Kondome verboten und Bill Clinton war schon US-Präsident da wurde Homosexualität noch bestraft. Erst vor zehn Jahren wurde die Scheidung möglich und Abtreibung ist bis heute untersagt. Erzbischof Eamon Martin:
"Die Einheit von Mann und Frau in der Ehe zur Zeugung von Kindern ist ein Geschenk Gottes, der uns als männlich und weiblich geschaffen hat. Mütter und Väter bringen unterschiedliche, aber sich ergänzende Gaben und Stärken in das Leben eines Kindes. Wir können keine Verfassungsänderung befürworten, die die Ehe neu definiert."
Kirche hat als Moralinstanz abgewirtschaftet
Es sind Argumente, die bei immer weniger der fünf Millionen Iren auf fruchtbaren Boden fallen. Denn die Kirche hat als Moralinstanz abgewirtschaftet, seit der Jahrzehnte lange Missbrauch von Kindern durch Priester, die Misshandlungen in katholischen Kinderheimen durch Nonnen und die Vertuschungsversuche der Amtskirche bekannt wurden.
"Die katholische Kirche ist nicht mehr annähernd so mächtig, wie sie es war. Wenn Sie bedenken, was in den letzten 30 Jahren alles geschehen ist, so hat sie erheblich an Glaubwürdigkeit verloren – insbesondere in Sexualfragen."
Sagt der Historiker Diarmaid Ferriter. Und dass die Ja-Kampagne als Favorit gilt, liegt auch daran, dass über die Gemeinde der Schwulen und Lesben hinaus alle Parteien und Institutionen wie die Polizei die Homo-Ehe befürworten. Eine der prominentesten Mitstreiterinnen ist die die Ex-Präsidentin und gläubige Katholikin Mary McAleese.
"Ein Ja kostet den Rest unserer Gesellschaft nichts, ein Nein aber kostet unsere homosexuellen Kinder alles. Weil die unterschiedliche Behandlung schwuler Bürger, ihr Ausschluss von der zivilen Eheschließung, nicht nur die Gleichberechtigung untergräbt, sondern Ungleichheit auf Dauer verfestigt."
Die Umfragen in Irland signalisieren eine 60 zu 40 Mehrheit für Ja, allerdings schmilzt der Vorsprung seit einigen Wochen. Die bange Frage der Meinungsforscher lautet, wie viele scheue Iren es geben mag, die ihnen gegenüber nicht zugeben mochten, dass sie an der Urne mit Nein stimmen, weil das als politisch nicht korrekt gilt im modernen Irland.