Abtreibung in US-Filmen und -Serien

Manchen kam das Wort nicht über die Lippen

05:05 Minuten
Drei Menschen stehen in einem Raum und tanzen.
In „Dirty Dancing“ spielte die Schauspielerin Cynthia Rhodes (r.) die schwangere Tänzerin Penny. © imago images/Artisan Entertainment/Courtesy Everett Collection
Von Matthias Dell · 27.06.2022
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Mit einem Urteil des Supreme Court verloren Frauen in einigen US-Bundesstaaten das Recht auf Abtreibung. Der Beschluss ist ein Wendepunkt in einem Jahrzehnte währenden Kulturkampf, der auch Spuren in US-Filmen und Serien hinterließ.
Die Geschichte vom steten gesellschaftlichen Fortschritt ist keine. Auch wenn wir das gern glauben – wie 1972 in "Maude", einer US-amerikanischen Sitcom, in deren Mittelpunkt eine Frau stand.
Maude wird gespielt von Beatrice Arthur, die als sarkastische Dorothy später eines der "Golden Girls" werden sollte in der legendären Fernsehserie. Revolutionär an "Maude" war auch, dass die Hauptfigur als 47-jährige Mutter noch einmal schwanger ist – und deshalb über Abtreibung redet. Ein Jahr vor Roe gegen Wade, dem Grundsatzurteil, das Abtreibung in den USA bundesweit entkriminalisierte. Bis dahin galten verschiedene Regelungen. In New York war der Abbruch schon erlaubt, wie der Ehemann und die erwachsene Tochter von Maude wissen:

It's legal in New York now, isn't?
Of course it is, Walter. We're free, we've finally have the right to decide what we can do with our body.

Als Abbrüche illegal und gefährlich waren

Während die Tochter sich freut über das Recht, als Frau über ihren Körper selbst zu entscheiden, zögert die Mutter. Weil sie aufgewachsen ist in einer Zeit, in der die Eingriffe illegal waren und gefährlich. Und Abtreibung ein stigmatisierendes Wort.

When you were young, abortion was a dirty word. It's not anymore.

Das war die Hoffnung auf den Fortschritt, an den 15 Jahre später auch ein überraschender Blockbuster erinnern wollte: "Dirty Dancing", Patrick Swayze und Jennifer Grey, ein wilder Tanz, ein beliebter Soundtrack.
Der Film ist lange unterschätzt worden, dabei ist "Dirty Dancing" komplex, die Liebesgeschichte zwischen Johnny und Baby politisch und emanzipatorisch. Und sie wird erst möglich, weil Baby die Tanzpartnerin von Johnny ersetzen soll. Penny ist ungewollt schwanger, muss abtreiben aus sozialen Gründen. Das machte im Sommer 1963, in dem "Dirty Dancing" spielt, große Angst.

I'm scared, I'm so scared, Baby.
Don't worry, you'll be fine, you'll be fine.

Und dann gerät Penny für 250 Dollar an einen Kurpfuscher, bis Babys Vater, der Arzt ist, sie schließlich rettet. Eine Plot-Konstruktion, die Drehbuchautorin Eleanor Bergstein bewusst gewählt hatte.

Der Sponsor spring ab

„Sie habe, so Bergstein später, einer Generation von Mädchen, die nach dem einschneidenden Roe-Urteil aufgewachsen seien, zeigen wollen, was ohne Rechtssicherheit bei Abtreibungen passieren könne. (…) Wie Bergstein erzählt, wollte eine Kosmetikfirma den Filmstart mit einer großen Werbekampagne unterstützen, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Geschichte über die Abtreibung gestrichen wird. Als Bergstein dies verweigerte, springt der Kosmetikhersteller ab“, schreibt die Filmkritikerin Hannah Pilarczyk in ihrem tollen Dirty-Dancing-Buch von 2012.
Dass man über Abtreibungen besser nicht spricht, wusste nicht nur Baby, als sie ihrem Vater, dem sie sonst alles erzählt, anfangs nicht sagen kann, dass die 250 Dollar für Pennys Eingriff sind.

I can't tell you. It's hard to say that to you, but I can't.
You always said you can tell me anything.
I can't you tell this.
It's not illegal, isn't it?

Konservativer Backlash in den Neunzigern

Das Schweigen über Abtreibung zieht sich durch die Zeit des konservativen Backlashs, der Neunziger- und Nuller-Jahre, als Serien wie die "Gilmore Girls" nicht mal das Wort über die Lippen bringen. Und das Reden wird auch da nicht als leicht dargestellt, wo zuletzt differenzierter erzählt worden ist – etwa in der komischen Animationsserie "BoJack Horseman" auf Netflix. Da diskutiert eine Frau das Thema mit ihrem Partner.

Ich zähl bis drei, und dann sagen wir gleichzeitig, was wir wollen.
Okay.
Eins, zwei …
Auf drei oder nach drei?
Wie sollte ich denn auf drei sagen, das ist technisch unmöglich. Ich sage nur drei.
Okay.
Eins, zwei, drei.
Abtreiben/Lass es abtreiben.

Tödlicher Terror gegen Kliniken und Ärzte

Die Filme übers Abtreibungsrecht sind mehr und entschiedener geworden, während das Grundsatzurteil von 1973 immer weiter beschnitten wurde. Den langen Kampf der Republikaner gemeinsam mit der religiösen Rechten in den USA zeichnet etwa der "Reversing Roe" nach, ein Dokumentarfilm von 2018. Und damit den tödlichen Terror gegen Kliniken und Ärzte. Und die Verdrehung von Fakten, mit denen die christlichen Fundamentalisten arbeiten, die die Debatte mit Horrorbildern von sehr selten Spätabtreibungen gekapert haben.

Man setzt immer auf die Schwäche seines Feindes. Und sie wissen, dass, sobald wir im neunten Monat gewinnen, der Rest des Kartenhauses zusammenbricht. Das war es dann.
Aus: "Reversing Roe"

Und so ist es nun. Die Hoffnung auf Fortschritt, auf Selbstbestimmung der Frau ist in den USA für den Moment dahin. Die Zeit vorbei, in der Abtreibungen eine sorgfältige medizinische Operation sein konnten wie in einer berührenden Szene in der Serie "Glow" gezeigt wird. "Glow" handelt von einer Gruppe von Wrestlerinnen in den Achtzigerjahren – und damit von der Erinnerung an eine sicherere Zeit für Frauen.

Dann beginnen wir mit dem Eingriff. Sie werden jetzt ein wenig Druck spüren, haben Sie das verstanden?
Ich bin Wrestlerin.
Wie bitte?
Ja, ich verstehe.
Atmen Sie tief durch und versuchen Sie sich zu entspannen.
Aus: "Glow".

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