Auf See duschen, im Hafen spülen
Übler Geruch nach Toilette - an den Kais in Kiel war das lange nichts ungewöhnliches. Der Hafen hat der Stadt und der Ostsee nun eine neue Abwasseranlage spendiert. 300 Kubikmeter Abwasser pro Stunde können die Schiffe hier abpumpen.
Weiße, nicht enden wollende Balkonreihen, so weit das Auge reicht. Und das auch noch mehrstöckig. Mit seinen fast 300 Meter erinnert der dunkelblaue Koloss "Mein Schiff 3" eher an eine gigantische Hotelanlage als an ein Schiff. Die "Balmoral", die an diesem Vormittag neben dem Giganten im Kieler Hafen festgemacht hat, wirkt fast schon niedlich. Kein Wunder, ist sie doch gerade mal 188 Meter lang.
Das Schiff gehört einem norwegischen Kreuzfahrtunternehmen. Bevor es am Abend weiter geht nach Wismar muss die Balmoral mit seinen 1.100 Passagieren und den 534 Besatzungsmitgliedern aber noch etwas erledigen am Ostseekai:
"Die übernehmen Frischwasser, wollen Müll abgeben und wollen auch 300 Kubikmeter Grau- und Schwarzwasser abgeben", sagt Marko Neuhäuser, der als Schiffsmakler die "Balmoral" während ihrer Aufenthalte in den deutschen Häfen betreut. Grau- und Schwarzwasser – das sind jene Abwässer, die in jedem Haushalt eines Industrielands vollkommen selbstverständlich anfallen. "Weil da ja jeder Toilettengang mit bei ist, jede Duschnummer, jedes Mal Waschbecken."
Abwässer kommen in den Hafen und werden geklärt
Auch auf hoher See ist all das längst Standard. Erst recht auf Kreuzfahrtschiffen, die auch bei deutschen Urlaubern immer beliebter werden. 80 Millionen Menschen reisen laut der Umweltschutzorganisation WWF jedes Jahr über das Binnenmeer – auf Kreuzfahrtschiffen aber auch auf Passagierfähren. Für die meisten Kreuzfahrtschiffe galt bisher: Der Großteil der Abwässer geht in die Ostsee. Das ist für das ohnehin schon sauerstoffarme Gewässer ein Problem, denn die Nährstoffe in den Abwässern werden nicht herausgefiltert und so die Überdüngung der Ostsee beschleunigt, mahnt der WWF. Am Ende drohen Bodenzonen, die komplett sauerstofffrei sind.
Dabei gibt es Schiffe, die die Abwässer an Bord klären oder sie in den Häfen abgeben können. In Kiel ist in diesem Sommer eine neue Anlage in Betrieb gegangen. Laut den Betreibern ist dies eine der modernsten in Europa. Sie kann die Abwässer in deutlich größeren Mengen von den Schiffen abpumpen. Philipp Volkmann arbeitet in der technischen Abteilung des Kieler Seehafens und hat bei der Einrichtung mitgearbeitet: "So, wir betreten jetzt mal den Container."
In dem Container am Ostseekai herrscht ein Gewirr aus Elektronikkästen und Rohren. Hier ist eine wichtige Zwischenstation beim Weg des Abwassers vom Schiff in die städtische Kanalisation: Im Container wird die Luft verdichtet. Die Druckluft ist nötig, um das Abwasser zusammen mit Ozon zu belüften. All dies geschieht unter der Erde in einem Reaktor, der extra gebaut wurde.
Vier von fünf Schiffen geben hier ihre Abwässer ab
"Hinter dem Reaktor haben wir das große Pumpwerk, mit dem wir ca. 300 Kubikmeter Abwasser abfördern können."
Aufgrund der begrenzten Leitungskapazitäten konnte zuvor nur ein Zehntel der Menge im selben Tempo abgepumpt werden, also rund 30 Kubikmeter pro Stunde. Der Ph-Wert des Abwassers lässt sich über die Zugabe von Natronlauge verändern. Am Ende landet das aufbereite Gemisch in der Kanalisation.
Von den Kreuzfahrtschiffen, die jedes Jahr den Kieler Hafen anlaufen, würden 70 bis 80 Prozent inzwischen ihre Abwässer abgeben, schätzt Maren Dominik. Dominik kümmert sich im Seehafen um das Umweltmanagement: "Die Schiffe haben die Möglichkeit, 24 Stunden im Voraus unserem Hafenamt Bescheid zu geben, was sie abgeben werden, damit wir entsprechende Hafenauffanganlagen vorhalten."
In Zukunft könnte dieser Anteil noch steigen, denn ab 2021 müssen alle Kreuzfahrtschiffe auf der Ostsee ihre Abwässer entweder an Bord klären, sofern sie die entsprechenden Anlagen haben, oder sie im Hafen abgeben. Für neugebaute Schiffe ist dies ab 2019 Pflicht.
Der WWF begrüßt diese Neuregelung, macht aber auch klar: Weiterhin hat die Ostsee mit einer hohen Stickstoff- und Phosphat-Belastung zu kämpfen, die zum Großteil durch die Landwirtschaft eingeleitet wird. Und natürlich gibt es da noch weiterhin ein ungelöstes Problem, das durch den Kreuzfahrtboom verstärkt wird: Die Abgasemissionen der dicken Pötte.