"Ach, wie gut, dass niemand weiß ..." - der Zwerg
Die Zwerge sind bei den Brüdern Grimm zum Aussterben verdonnert. Von den gerade mal 14 Zwergen, Wichteln oder Erdmännchen in den Grimmschen Märchen sind 50 Prozent im Rettungseinsatz bei Schneewittchen. Und Zwergenfrauen gibt es überhaupt nicht.
Es war einmal - Der Zwerg
Tatsächlich und wahrhaftig ist der Zwerg bei den Brüdern Grimm gar nicht so häufig. Jedenfalls nicht unter dieser Bezeichnung. Wichtel heißt er, Erdmännchen oder kleines Volk, einen Daumesdick und einen Daumerling gibt es, aber das sind extrem winzige geraten Menschen. Zwerge, die auch sogenannt werden, gibt es in den Kinder und Hausmärchen nur 14. Und von denen sind 50 Prozent im Rettungseinsatz bei Schneewittchen: die sieben Zwerge.
"Wer hat von meinem ... (alle sieben)" (aus: Schneewittchen)
Oder darf man die Edelmetallschürfer hinter den sieben Bergen gar nicht einzeln zählen? Weil sie ein entindividualisiertes namenloses Kollektiv sind, das erst in Walt Disneys Zeichentrickklassiker in Einzelcharaktere aufgelöst wird, der Oberzwerg heißt Doc. Die andern heißen wie sie sind: Grumpy, Sleepy, Sneezy, Happy, Bashful, Dopey. - also: mürrisch, schläfrig, schnupfig, fröhlich, gschamig, dämlich.
Die Zwerge in den Grimmschen Märchen sind nichts von alledem, sondern entweder oder. Entweder zornig und gierig oder freundlich und dienlich. Und sie sind namenlos. Bis auf einen, der aber auch nicht als Zwerg bezeichnet wird, sondern als "kleines Männchen":
"Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß." (aus: Rumpelstilzchen)
Rumpelstilzchen. Ein Krawallkobold. Der Name ist Programm. Die Zwerge in den Grimmschen Märchen sind Schrumpfformen einstmals mythisch-mächtiger Wesen. Veralberte Alberiche. Lächerliche Nachfahren der Großzwerge in Götter- und Heldensagen, wo sie als Schmiede und Geschmeideproduzenten tätig waren, Tarnkappen trugen und Gold hüteten. Was für eine gloriose Tradition. Und was ist davon bei den sieben ärmlichen Erzschürfern hinter den sieben Bergen geblieben?
"Die sieben Zwerge zündeten ihre sieben Lichtlein an." (aus: Schneewittchen)
Nicht einmal ein Abglanz. Immerhin bildet die Bergwerk-Genossenschaft noch eine Gemeinschaft. Die anderen Zwerge bei den Grimms sind meist Einzelgänger. Einsame letzte Nachfahren einer einstmals großen Population, die in unterirdischen Höhlen eine komplexe Parallelgesellschaft zur oberirdischen Welt ausgebildet hatte: mit Zwergenkönigen und Zwergenrittern und Zwergengesinde. Und natürlich Zwergenfrauen. Die gibt es bei den Grimms überhaupt nicht. Und damit ist das Aussterben der Zwerge nur eine Frage der Zeit. Die es allerdings gut mit ihnen meint. In der Regel werden Zwerge uralt. Und gehören am ehesten zu denjenigen, für die der konditionale Schluss der Märchen "und wenn sie nicht gestorben sind" eine reelle Möglichkeit beinhaltet. Aber: sehr alt werden bedeutet nicht unsterblich sein. - Das ist das Problem der Zwerge. Jedenfalls nach Ansicht positivistischer Märchenforscher, die sich zu Grimms Zeiten erste völlig unmärchenhafte Gedanken über die Herkunft der Zwerge machten. Es handele sich um letzte Angehörige eines weitgehend ausgestorbenen Urvolks. Und daher komme auch ihr Hang zum Kinderraub.
"Morgen hol ich der Königin ihr Kind."(aus: Rumpelstilzchen)
Noch 1966 vertrat ein Märchenforscher die These, dass Rumpelstilzchen wirklich gelebt habe und er der Königin ihr Kind holen wollte, um die zwergische Erbmasse zu verbessern. Das ideelle Erbe war ohnehin hinüber. Und die Grimms waren daran nicht ganz unschuldig. Während ihre Märchen in immer neuen Auflagen erschienen, kam eine Dekorationsmode im Außenbereich biedermeierlicher Anwesen auf, die schon bald eine größere Ton- und Töpferindustrie beschäftigte: Gartenzwerge. - Davon hat sich der deutsche Zwerg bis heute nicht erholt. –
Und alles andere ist - Hobbit.
Mehr zum Thema:
Hexe, böse Schwiegermutter, Zwerg - Zu den "Prototypen" in den Märchen der Gebrüder Grimm
"Grimm-Tag" im Deutschlandradio Kultur
Tatsächlich und wahrhaftig ist der Zwerg bei den Brüdern Grimm gar nicht so häufig. Jedenfalls nicht unter dieser Bezeichnung. Wichtel heißt er, Erdmännchen oder kleines Volk, einen Daumesdick und einen Daumerling gibt es, aber das sind extrem winzige geraten Menschen. Zwerge, die auch sogenannt werden, gibt es in den Kinder und Hausmärchen nur 14. Und von denen sind 50 Prozent im Rettungseinsatz bei Schneewittchen: die sieben Zwerge.
"Wer hat von meinem ... (alle sieben)" (aus: Schneewittchen)
Oder darf man die Edelmetallschürfer hinter den sieben Bergen gar nicht einzeln zählen? Weil sie ein entindividualisiertes namenloses Kollektiv sind, das erst in Walt Disneys Zeichentrickklassiker in Einzelcharaktere aufgelöst wird, der Oberzwerg heißt Doc. Die andern heißen wie sie sind: Grumpy, Sleepy, Sneezy, Happy, Bashful, Dopey. - also: mürrisch, schläfrig, schnupfig, fröhlich, gschamig, dämlich.
Die Zwerge in den Grimmschen Märchen sind nichts von alledem, sondern entweder oder. Entweder zornig und gierig oder freundlich und dienlich. Und sie sind namenlos. Bis auf einen, der aber auch nicht als Zwerg bezeichnet wird, sondern als "kleines Männchen":
"Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß." (aus: Rumpelstilzchen)
Rumpelstilzchen. Ein Krawallkobold. Der Name ist Programm. Die Zwerge in den Grimmschen Märchen sind Schrumpfformen einstmals mythisch-mächtiger Wesen. Veralberte Alberiche. Lächerliche Nachfahren der Großzwerge in Götter- und Heldensagen, wo sie als Schmiede und Geschmeideproduzenten tätig waren, Tarnkappen trugen und Gold hüteten. Was für eine gloriose Tradition. Und was ist davon bei den sieben ärmlichen Erzschürfern hinter den sieben Bergen geblieben?
"Die sieben Zwerge zündeten ihre sieben Lichtlein an." (aus: Schneewittchen)
Nicht einmal ein Abglanz. Immerhin bildet die Bergwerk-Genossenschaft noch eine Gemeinschaft. Die anderen Zwerge bei den Grimms sind meist Einzelgänger. Einsame letzte Nachfahren einer einstmals großen Population, die in unterirdischen Höhlen eine komplexe Parallelgesellschaft zur oberirdischen Welt ausgebildet hatte: mit Zwergenkönigen und Zwergenrittern und Zwergengesinde. Und natürlich Zwergenfrauen. Die gibt es bei den Grimms überhaupt nicht. Und damit ist das Aussterben der Zwerge nur eine Frage der Zeit. Die es allerdings gut mit ihnen meint. In der Regel werden Zwerge uralt. Und gehören am ehesten zu denjenigen, für die der konditionale Schluss der Märchen "und wenn sie nicht gestorben sind" eine reelle Möglichkeit beinhaltet. Aber: sehr alt werden bedeutet nicht unsterblich sein. - Das ist das Problem der Zwerge. Jedenfalls nach Ansicht positivistischer Märchenforscher, die sich zu Grimms Zeiten erste völlig unmärchenhafte Gedanken über die Herkunft der Zwerge machten. Es handele sich um letzte Angehörige eines weitgehend ausgestorbenen Urvolks. Und daher komme auch ihr Hang zum Kinderraub.
"Morgen hol ich der Königin ihr Kind."(aus: Rumpelstilzchen)
Noch 1966 vertrat ein Märchenforscher die These, dass Rumpelstilzchen wirklich gelebt habe und er der Königin ihr Kind holen wollte, um die zwergische Erbmasse zu verbessern. Das ideelle Erbe war ohnehin hinüber. Und die Grimms waren daran nicht ganz unschuldig. Während ihre Märchen in immer neuen Auflagen erschienen, kam eine Dekorationsmode im Außenbereich biedermeierlicher Anwesen auf, die schon bald eine größere Ton- und Töpferindustrie beschäftigte: Gartenzwerge. - Davon hat sich der deutsche Zwerg bis heute nicht erholt. –
Und alles andere ist - Hobbit.
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"Grimm-Tag" im Deutschlandradio Kultur