Achtung! Hochwasser!

Von Christina Claus |
Anhaltendes Tauwetter und ergiebiger Regen lassen vielerorts die Wasserstände anschwellen. In Bayern sorgen sie weiter für Überschwemmungen. Viele Flüsse traten über die Ufer und überfluteten vor allem Ackerflächen und Viehweiden. Das ist der Wasserstand dieser Tage. Im Mai dann schmilzt der Schnee in den Bergen, dann kommt noch mehr Wasser runter. Immer öfter bahnt es sich als Hochwasser seinen Weg. Wie sieht es nun um einen nachhaltigen Hochwasserschutz in Bayern aus?
"Wir haben in den letzten Jahrhunderten eine 'Wasseraustreibungspolitik' betrieben […] Das ganze zusammen mit der Klimaveränderung ist eine hochexplosive Mischung […]"

Mit "diesen Ereignissen" meint Christine Margraf vom Bund Naturschutz die katastrophalen Hochwasser der letzten Jahre: Die Oderflut 1997, das bayerische Pfingsthochwasser 1999, die Überschwemmungen an Donau und Elbe 2002 und das Hochwasser vom August 2005. Diese letzte Flut überspülte vor allem das Dorf Eschenlohe im Loisachtal.

Waltraud Reiter, Brückenwirtin in Eschenlohe, sitzt der Schreck heute noch in den Knochen. Kniehoch stand das Wasser damals in Gasträumen und Küche. Nach der Flut wurden die Dämme zwar provisorisch repariert, wirklichen Schutz bieten sie aber genau so wenig wie vorher.

An einem Tisch des Lokals sitzen Johannes Riedl vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim und der Eschenloher Feuerwehrkommandant Anton Kölbl. Vielleicht wäre es der Brückenwirtin etwas leichter ums Herz, wenn sie hören könnte, worüber die beiden sprechen.

Die Eschenloher bauen darauf, dass die neue Brücke und der südliche Damm zumindest bis Mai fertig sind, wenn in den Bergen der Schnee schmilzt und neue Flutwellen drohen.

Jetzt liegt die Loisach noch grün und friedlich in ihrem Bett – als könnte sie kein Wässerchen trüben. Bei etwa 40 Zentimeter steht der Pegel, schätzt Johannes Riedl. Letzten August waren es über vier Meter.

Das alte Dörfchen Eschelohe schmiegt sich eng an den Fluss. Kein Wunder, dass das Hochwasser soviel Schaden anrichten konnte.

Wie gefährlich die Situation in Eschenlohe ist, weiß man natürlich schon länger. Seit den Neunziger Jahren werden Pläne entwickelt, diskutiert, verworfen und neu geschmiedet. Aber: "selten ein Schaden ohne Nutzen", sagt der Volksmund. So ließ die jüngste Flut auch die Gelder aus dem bayerischen Hochwasserschutzprogramm 2020 schneller fließen. Nun soll ein "hydraulischer Kunstgriff" das Dorf sicherer machen.

In Bayern gibt es ungefähr 20.000 Kilometer Gewässer erster und zweiter Ordnung - also große und mittlere Flüsse – und 60 - 70.000 Kilometer Bäche und kleinere Flüsse.

Johannes Riedl: "Das heißt von der Summe her machen die Gewässer 3. Ordnung in ganz Bayern sehr viel Fläche aus, d. h. alle die Maßnahmen halten den Regen bereits im Einzugsgebiet ab. […] Uns helfen diese Polderplanungen an der Donau nicht viel weiter, wir müssen an den Entstehungsgebieten möglichst viel tun, um das Wasser dort zurückzuhalten."

Polder sind ufernahe Flächen, die normalerweise trocken sind und bei einem Hochwasser geflutet werden. Ein solcher Polder soll bei Münchsmünster an der Donau entstehen. Drei Variationen sind im Gespräch. Die größte davon umfasst 380 Hektar Wiesen, Wälder und Felder, "besten Ackerboden", wie Andreas Heiss betont. Der Landwirt ist Sprecher der "Interessengemeinschaft der Grundstückseigner und Landwirte" – kurz IGEL, die sich gegen den "Polder Katzau" wehrt.

"Jetzt samma mitten im Polder … wir bewirtschaften insgesamt 70 Hektar hier … wenn die wegfallen, kann i mei Fruchtfolge nimmer aufrechterhalten … kann ich die 50 Tonnen nicht mehr bringen, werd ich bei meinen Abnehmern ausgelistet."

Nach Berechnungen würde der Polder etwa alle 20 Jahre geflutet. Für die Entschädigung der Landwirte sind 100.000 Euro angesetzt – ein Betrag, der nicht annähernd dem Marktwert einer Ernte entspricht, ärgert sich Andreas Heiss.

"[…] Unsere Abnehmer sagen, eine einmalige Flutung reicht, um diese Fläche für immer wertlos zu machen, aus'm Polder kaufen wir definitiv nichts … Cadmium … Glas … lässt sich aus Lebensmitteln nicht mehr trennen, das ist des Hauptproblem."

Zu den Gegnern des Projekts gehört auch Bernhard Walser. Seine Felder liegen zwar nur am Rand des geplanten Polders, der Landwirt befürchtet aber, dass dort Wasser von unten hoch drücken könnte.

Dass das Wasser von unten kommt, fürchtet auch Andreas Meyer, Bürgermeister von Münchsmünster. Die Gemeinde liegt unmittelbar neben dem Poldergebiet. Bei Flutung könnte der Grundwasserspiegel über einen Meter ansteigen.

"Das heißt, dass 60-70 Prozent der Gebäude von Münchsmünster betroffen sind […]"

Solche Probleme könne man durchaus lösen, beruhigt Richard Hofmann vom Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt.

"Also bezüglich des Grundwassers wurde von dem planenden Büro Gutachten erstellt … Veränderung des Grundwasserspiegels in Griff zu bekommen sind … nicht endgültig entschieden … erst dann kann man sagen, wie sich die Veränderungen konkret in Zentimeter auswirken … Polder wird nicht zu Lasten der umliegenden Siedlungen gebaut … nicht berechtigte Befürchtung."

Von den Gutachten des Wasserwirtschaftsamts halten die Poldergegner allerdings wenig.

Walser: "Die ganzen Gutachten taugen sowieso nix … wenn ich g'nug Geld hab, kann ich mir an Gutachter kaufen … der oane schaut des von der Richtung an, der andre von der andern nicht … je nachdem, welcher Brotgeber … nicht richtig."

Heiss: "Ich wollte den Herrn Hofmann fragen, warum er an Polder östlich von Vohburg baut … Nadelöhr is Neuburg und Ingolstadt … dann die Donau weitläufiger … macht des Sinn, des Wasser dann aufzuhalten, wenn’s keinen Schaden mehr anrichtet … wenn’s schon a Autobahnbrück'n ab'grissen hat, da wo's weiter wird … nichts mehr anrichtet, da bau ich dann an Polder hin."

Hofmann: "Es ist richtig, dass der Polder in Katzau den Städten Neuburg und Ingolstadt nichts nützt … aber sehr wohl den unterliegenden Ortschaften Kehlheim … nicht ganz zutreffend."

Noch sind die Würfel nicht gefallen. Sollte sich die Staatsregierung für den Polder Katzau entscheiden, werden IGEL und die Gemeinde Münchsmünster vor Gericht ziehen.

"Mir ham natürlich auch die Angst … sieben oder acht Kilometer langer Damm … wer garantiert uns die Sicherheit … zwei bis drei Meter über Parterre … Kläranlage … Industrie, da hamma schon Bedenken."

Unterstützung bekommen die Poldergegner vom Bund Naturschutz.

"Gerade hier wäre die Möglichkeit gegeben, dieser hier ungestauten Donau ihre alten Auen wieder zurückzugeben … fast keine Siedlungen … deswegen kritisieren wir gerade diesen Polderstandort … nur ne technische Badewanne … weder was für die Aue, noch für den Trinkwasserschutz … die positiven Effekte alle nicht genutzt werden."

Nur noch etwa 15 Prozent der früheren Auwälder begleiten heute die Ufer bayerischer Flüsse. Würde man zumindest einen Teil der Deiche weiter landeinwärts verlegen, könnten sich in den gewonnen Flächen wieder Auen bilden. Und diese wären bestens geeignet, überschüssiges Wasser aufzunehmen. Auch Moore eignen sich hervorragend als Speicherreservoir.

"Wir haben ja grad im Alpenvorland viele Moore … stark beeinträchtigt in ihrem Wasserhaltevolumen … entwässert … total ausgetrocknet … nimmt kein Wasser mehr auf … Torfmoose so degradiert … wenn man das Moor renaturiert … gewinnen diese Moore ihre Wasserspeicherfunktion wieder zurück, können im Hochwasserfall wieder mehr speichern."

Beispielsweise das Ampermoos zwischen Ammersee und Grafrath im Landkreis Fürstenfeldbruck. Dort soll eine Sohlschwelle gebaut werden, die den Grundwasserstand im Moor wieder ansteigen lässt. In den Gemeinden flussabwärts, beispielsweise in Olching, hofft man, dass die so genannte "Amper-Wiedervernässung" später auch hier Hochwasser fernhält - oder zumindest langsamer ansteigen lässt als Pfingsten 99.

"I bin daschrocka, wia des dann an der Amper daherkomma is, mit einem Tempo is des daherkemma … Mir ham ja vorher scho immer gschaut … sonst sauf' ma da drunten alle mit ab."

Das Pfingsthochwasser von Amper und Starzelbach kam für die Olchinger ziemlich überraschend, erzählen Hans Steer und Walter Neumeier von der Freiwilligen Feuerwehr Olching. Seit fünfunddreißig Jahren hatte es hier kein nennenswertes Hochwasser mehr gegeben.

"Des is Hochwasserschutzgebiet … die Leut da hinten haben sich alle erstritten, dass sie da reinbauen dürfen … wer weiß wo die Genehmigung herkemma is."

"Bauvorsorge" heißt die dritte Säule des bayerischen Hochwasserschutzprogramms. Das heißt, dass in überschwemmungsgefährdeten Gebieten grundsätzlich nicht gebaut werden darf. Ein Prinzip, das lange vernachlässigt wurde, wie Franz Huber, 2. Bürgermeister von Olching unumwunden zugibt.

"Des war der große Fehler … Hochwasser nicht ernst genommen … 35 Jahre nicht mehr … wie es 1964 gekommen ist."

Allerdings kann eine Gemeinde zwar ihre Zustimmung verweigern, das letzte Wort hat aber das Landratsamt.

"Wenn die dem zustimmen, kann die Gemeinde nicht dagegen machen … altes Baurecht … es kostet eine Menge Geld, aus Bauland Brachland zu machen."

Sieben Jahre ist das Pfingsthochwasser nun her. Nach Schutzmaßnahmen sucht man in Olching allerdings immer noch vergebens. Kein Wunder, dass viele Bürger erbost sind, zum Beispiel Josefine Walch und Franz Hartl aus dem Ortsteil Esting.

Hartl: " I bin jetzt bei sehr viele Begehungen dabeig'wesen … s' Wasserwirtschaftsamt sagt, die Gemeinde muss was unternehmen, die Gemeinde sagt wieder s' Wasserwirtschaftsamt … wer überhaupt zuständig is für die ganze Sache."

Walch: "Die Gemeinde is doch verantwortlich für die Sicherheit ihrer Bürger … sieben Jahr g'schlafen."

Hartl: "Das nächst Hochwasser steht vor der Tür … passiert is nix."

Huber: "Die Gemeinde hat nicht geschlafen … sofort nach dem Hochwasser das WWA um eine Planung gebeten … Das WWA sagt, Hochwasser um 15 Prozent höher als 99 … jetzt müssen alle Schutzmaßnahmen auf diesen Wert ausgerichtet werden."

Den Estinger Bauern gefallen die vorgesehenen Maßnahmen ohnehin nicht. Sie wollen einen Damm, der weit oberhalb ihres Ortsteils beginnt.

Hartl: "Da san mir der Meinung, wenn der Damm steht … die alten Dämme erhöht … dann is Esting abg'sichert … kann s' Wasser nimmer so leicht raus."

Huber: "Die Menschen wollen, dass die Amper mit hohen Mauern versehen … wie ein reißender Bach durchströmt … da ersaufen uns alle weiter unten."

Hartl: "Was interessiert uns Dachau? Bruck hat uns auch nicht gefragt … nur die Gemeinde Olching schläft auf diesem Gebiet."