Action, spitzendes Blut und kreischende Mädels

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 18.07.2007
"Death Proof - Todsicher" thematisiert das "Schmutzkino" von einst. Hier geht es verbal wie physisch "zur Sache". Dagegen ist "Kann das Liebe sein?" eine unverfängliche, zärtliche Komödie aus Frankreich. Und mit "Sterben für Anfänger" zeigt Regisseur Frank Oz eine freundlich halluzinierende Komödie, die aus "britischem Timing" bisweilen feine schwarze Ironie-Funken schlägt.
"Death Proof - Todsicher"
USA 2007, Regie: Quentin Tarantino, Darsteller: Kurt Russell, Sydney Tamiia Poitier, Vanessa Ferlito, Jordan Ladd, Rosario Dawson, Tracie Thoms, Zoë Bell, Mary Elizabeth Winstead, Länge: 113 Minuten

Von Quentin Tarantino, Hollywoods beliebtesten "Krawall-Macher" als Drehbuch-Autor, Regisseur, Schauspieler und Produzent. Tarantino kam am 27. März 1963 in Knoxville, Tennessee, zur Welt. Seine Mutter Connie war bei der Geburt erst 16, sein Vater 21. Als er zwei war, zog seine Mutter mit ihm nach Los Angeles, wo sie ihn alleine großzog. Seine Freizeit verbrachte Tarantino bevorzugt in kleinen Vorstadtkinos, die hauptsächlich Martial-Arts-Filme ("China-Kracher") und B-Movies zeigten.

Im Alter von 16 Jahren brach er für eine Schauspielerausbildung die Schule ab. Fünf Jahre später übernahm er einen Job in der "Video-Archives"-Videothek in Manhattan Beach. Dort "bekam" er sein umfassendes filmisches Detailwissen. Der Rest ist Legende, Karriere: 1992 war der Gangster-Thriller "Reservoir Dogs - Wilde Hunde" (mit unter anderem Harvey Keitel) sein Debütfilm; Tarantino wurde über Nacht zum neuen Hoffnungsträger für den unabhängigen Film.

Ein Jahr darauf entstand "Pulp Fiction" (mit unter anderem John Travolta und Samuel L. Jackson), der die "Goldene Palme" von Cannes erhielt sowie den "Oscar" für das "beste Drehbuch" zugesprochen bekam (und weitere sechs "Oscar"-Nominierungen erhalten hatte). Für "Jackie Brown" von 1997, eine Hommage an das "Schwarze Genre-Kino" der 70er (mit unter anderem Pam Grier und Robert Forster), erhielt er ebenfalls eine "Oscar"-Nominierung.

Danach schuf er 2002 das zweiteilige Rache-Epos "Kill Bill" (mit der Schwert-Lady Uma Thurman), das 2003 und 2004 im Abstand von wenigen Monaten in die Kinos kam. Sein neuestes, fünftes Langfilm-Projekt heißt im Original "Grindhouse". Das Freundespaar Tarantino und Robert Rodriguez ("El Mariachi", "Desperado", "From Dusk Till Dawn") kam auf die Idee, das klassische Double-Feature-Programm der 70er wiederaufleben zu lassen. (In Anlehnung an die "schmuddligen" Grindhouses, die in den 30er und 40er Jahren in den Zentren der Großstädte der USA aufkamen und bis in die 80er Jahre vor allem B-Movies mit Sex, Gewalt und bizarren Plots nonstop zeigten. Grind House, der Begriff kommt vom englischen Verb to grind out, also etwas abwetzen, also immer und immer wieder "abspulen").

Verbunden durch ebenfalls von ihnen gedrehten Fake-Trailer, sollten beide etwa Ein-Stunden-Filme in einem Programm laufen. Und so kam es in den USA dann auch: Das zweigeteilte Trash-Projekt lief am 6. April 2007 dort an - und wurde zum Flop. So dass jetzt international beide Filme getrennt sowie länger angeboten werden. Tarantino und Rodriguez fertigten/montierten dafür ihre ursprünglichen Langfassungen von 90 Minuten als nunmehr jeweils eigenständige Filme.

"Death Proof - Todsicher" kommt in dieser Woche bei uns in einer 113-minütigen Fassung heraus; "Planet Terror" von Rodriguez wird erst im Herbst, am 4. Oktober, bei uns folgen. Übrigens: Ohne die Fake-Trailer jetzt. "Death Proof - Todsicher" huldigt, wie soll es auch anders sein, dem B-Kino. Thematisiert das "Schmutzkino" von einst. Sensible Seelen seien gewarnt: Hier geht es verbal wie physisch "zur Sache". Erst stellt Tarantino, mit sich selbst in der Rolle eines Wirtes, "lustige Südstaaten-Provinz-Girlies" in den Blick- und Mittelpunkt. Man palavert, zickt, posiert, kifft in der Stammkneipe, um dann von einem doch recht freundlich aussehenden und sich auch (zunächst) "so" gebenden Psychopathen mit Namen "Stuntman Mike" auf der Straße in den Tod gejagt zu werden.

Einige Monate späte und einige Orte weiter ist Mike wieder aktiv. Diesmal hat er 4 Ladies vom Film im Visier: Stuntfrauen. Die allerdings können allerhand aushalten/vertragen, können "vehement" zurückkeilen. Und tun dies dann auch genüsslich. Sie werden zu "ebenbürtigen Partnern" auf der langen, staubigen Todesstraße ... sozusagen. Noch mal sei gewarnt: Ein ganz und gar schmutziger Film. Ein richtig-feiner Schrottfilm. Mit viel politischer, gesellschaftlicher, erzählerischer und vor allem auch visueller Unkorrektheit.

In Anspielungen an zum Beispiel Autocrash-Klassiker wie "Fluchtpunkt San Francisco" von Richard C. Sarafian aus dem Jahr 1970 (der "Easy-Rider"-Epoche) könnten die Weiber-Kämpfer auch gut und gern als die nicht gerade zimperliche Frauen-Gang aus dem Russ-Meyer-Klassiker "Faster, Pussycat Kill! Kill!" beziehungsweise "Die Satansweiber von Tittfield" von 1966 durchgehen. Während der sonst so nette Kurt "Die Klapperschlange" Russell als "Irrer der Landstraßen" mächtig viel Spaß an seinem neuen "Killer-Image" zu genießen scheint.

"Death Proof" ist ein einziger Lobgesang auf das Billig-, das Schund-Kino und bietet alle Zutaten, die ein anständig-unanständiges B-Movie benötigt: Paranoide Action, spitzendes Blut und kreischende Mädels. Wenn Tarantino hier viele Blech- und Körperteile umhersausen lässt, restauriert er ironisch-schwarzhumorig ein Filmgenre, das es sonst nur noch in der Erinnerungen und in den dunklen Ecken der Videotheken gibt.

Übrigens: Entsprechend "zugerichtet" präsentiert sich sein Film auch überhaupt - mit zerkratztem Vorspann sowie unsauberen Schnitten tut er gerade so, als handele es sich hier um die arg geflickte Kopie eines "damaligen Pictures" aus dubioser Quelle. - Ach so ja: Und auch in der Musik gibt sich Tarantino gerne wieder Klassik-bewusst mit vielen Jukebox-Raritäten von einst, darunter dem unverwüstlich-herrlichen Rabauken-Rock-Song "Hold Tight" mit Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick und Tich. Ein Hammer, wie der sich heute noch/wieder anhört, wie der mitreißt und wie die Show-Girls ihn lieben.


"Kann das Liebe sein?"
Frankreich 2007, Regie: Pierre Jolivet, Darsteller: Sandrine Bonnaire, Vincent Lindon, François Berléand, Liane Foly, Kad Merad, Guilaine Londez, Albert Dray, Pierre Diot, Länge: 89 Minuten

So, nun haben wir uns aber wieder fein beruhigt und wenden uns den "freundlicheren", braven, anständigen neuen Filmen zu. Als da sind: "Kann das Liebe sein? " von Pierre Jolivet (Co-B+R) aus Frankreich. Mit der wunderschönen Sandrine Bonnaire als charmante Künstlerin, die eine Keramik-Freske für den ebenso reichen wie alleinstehenden Geschäftsmann Lucas (Vincent Lindon) in der Eingangshalle seiner Firma entwerfen und einrichten soll.

Da er jedoch mit dem weiblichen Geschlecht ziemlich miese wie schmerzhafte Erfahrungen gemacht hat, will er seinen (großen) Gefühlen und Empfindungen nicht trauen und lässt sie durch einen Privatdetektiv bespitzeln. Was bei Elsa, als sie das mitkriegt, nicht gerade "toll" ankommt.

Was sich liebt, das neckt und kabbelt sich, bevor es schließlich soweit ist: Eine nette, unverfängliche, zärtliche wie leichte - aber keineswegs seichte - Komödie vom Nachbarn, der bekanntlich in diesem Genre sehr viel besser und atmosphärischer "hantiert" als wir das hierzulande verstehen. Zudem nimmt man der phantastischen Sandrine Bonnaire ("Die Frau des Leuchttumwärters") im Grunde jede Charme-Rolle zwischen Skepsis und Zärtlichkeit ab. Während Vincent Landon sich als angenehmer Stichwortgeber sympathisch wie gut-gelaunt zurückhält.

"Sterben für Anfänger"
Großbritannien/USA 2007, Regie: Frank Oz, Darsteller: Matthew Macfadyen, Alan Tudyk, Kris Marshall, Peter Dinklage, Rupert Graves, Peter Vaughan, Prädikat: besonders wertvoll, Länge: 91 Minuten

"Sterben für Anfänger" von Frank Oz, einem gebürtigen Engländer, der viel in Hollywood gearbeitet hat ("Der kleine Horrorladen" mit Rick Moranis; "In & Out - Rosa wie die Liebe" mit Kevin Kline; "Zwei hinreißend verdorbene Schurken" mit Michael Caine und Steve Martin). Abgesehen von seinen Leistungen als Komödien-Experte für die Leinwand hat sich Oz aber auch auf "ganz andere Art" einen unsterblichen Platz in der TV- und Kinogeschichte gesichert: Als einer der kreativen Köpfe hinter den legendären "Muppet Show" von Jim Henson und als Jedi-Meister Yoda aus den "Star-Wars"-Filmen. Frank Oz spielte und sprach Miss Piggy, Fozzie-Bär, den Schlagzeuger Das Tier und andere Figuren des 70er Jahre-TV-Highlights "Die Muppet Show"; YODA spielte und sprach er in "Das Imperium schlägt zurück" und "Die Rückkehr der Jedi-Ritter".

Hier nun geht es "abgedreht-britisch" zu. In einem feinen Bürger-Haus soll eine Bestattung stattfinden beziehungsweise ausgerichtet werden. Doch erst wird eine falsche Leiche angeliefert, dann nehmen die kleinen, feinen, schwarz-komischen Zufalls-Katastrophen ihren Lauf, weil plötzlich Psycho-Drogen für eine nicht nur traurige Stimmung bei so manchen Beteiligten sorgen.

Oz lässt in einem überschaubaren Haus, mit stimmungsvollem Ensemble, die menschlichen (Boulevard- und Klischee-)Puppen tanzen. Inmitten komisch-sarkastischer Situations"herrlichkeit". Das macht er ganz witzig, locker; mit schrägen Figuren, ebensolchen Dialogen und guten Akteuren. Eine freundlich halluzinierende Komödie, die aus "britischem Timing" bisweilen feine schwarze Ironie-Funken schlägt.
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