Ermittlungen wegen Seehofer-Plakat
Satirisches Plakat vom Kunstkollektiv „Dies Irae“ in Hanau 2021. © Kunstkollektiv „Dies Irae“
"Peinliche Posse für den Staat“
07:04 Minuten
Das Kunstkollektiv „Dies Irae“ hatte satirische Plakate mit dem damaligen Innenminister Horst Seehofer verbreitet. Jetzt wird wegen „verfassungsfeindlicher Verunglimpfung“ ermittelt. Das Kollektiv sieht darin auch einen Einschüchterungsversuch.
Wie verwerflich ist es, Werbeplakate zu fälschen? Als Horst Seehofer (CSU) noch Bundesinnenminister war, zierte sein Konterfei viele Plakate an deutschen Bushaltestellen. Auf dem rechten Auge trug er eine Augenklappe, auf einem Text stand: „Die einfache Lösung gegen Rechtsextremismus! Der rechte Rand verschwindet sofort! 100% blickdicht! Undurchlässig für Aufklärung! Macht Studie zu rassistischer Polizei überflüssig!“
Es droht Haft
Hinter der Satireaktion steckte das Kunstkollektiv „Dies Irae“, das Seehofers Entscheidung kritisierte, sich gegen eine Studie zu Rassismus in der Polizei zu stellen. Man könnte annehmen, dieses Plakat sei von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt.
Allerdings wird nun wegen „verfassungsfeindlicher Verunglimpfung“ gegen das Kunstkollektiv ermittelt. Es droht sogar Haft. Viele Juristinnen und Juristen finden das Vorgehen der Behörden überzogen. Manche sprechen sogar von Missbrauch des Strafrechts, weil in keiner Weise gegen Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze agiert werde.
Ein Angriff auf die Kunst- und Meinungsfreiheit
„Horst Heimat“, Pressesprecher des Kollektivs, sagt: „Wir verstehen das als billigen Versuch, uns einzuschüchtern." Man lasse sich aber nicht kleinkriegen, denn es gehe auch um die Meinungs- und Kunstfreiheit, die „ganz eindeutig angegriffen“ werde.
Auch den Vorwurf, das Kunstkollektiv würde das verbotene „Adbusting“, also das bewusste Verändern von Werbeplakaten, betreiben, weißt Pressesprecher „Horst Heimat“ zurück: So gebe es bereits ein Gerichtsurteil, in dem festgestellt worden sei, solange Plakate nicht geklaut und kaputtgemacht werden, begehe man keine Straftat.
Behörden machen sich lächerlich
Wenn man sich vorstelle, dass solch eine Plakataktion im gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrum von Bund und Land besprochen wird, beschreibe das vielmehr die Absurdität des Vorganges, so „Horst Heimat“:
„Da sitzen das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst und der Generalbundesanwalt dann um einen Tisch und unterhalten sich über satirische Werbeplakate. Das zeigt, dass da was völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Eigentlich macht sich damit so ein Terrorabwehrzentrum selber lächerlich.“
Man sei auch überrascht, dass diesbezüglich noch niemand „an irgendeiner Stelle in den Strafverfolgungsbehörden“ die Reißleine gezogen habe, und diese "absurde Kriminalisierung" zurückgeführt habe: „Das ist wirklich eine peinliche Posse für den Staat.“
Auch andere Kunstkollektive sind betroffen
Von strafrechtlicher Verfolgung ist in jüngster Vergangenheit aber nicht nur das Kunstkollektiv „Dies Irae“ betroffen. 2019 ermittelte die thüringische Staatsanwaltschaft gegen das „Zentrum für politische Schönheit“ wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Die Ermittlungen wurden später fallen gelassen. Und auch das Peng-Kollektiv steht im Fokus der Justiz.