"ADHS-Kinder halten unserer Gesellschaft einen Spiegel vor"
Ständig aufs Handy schielen, Mails checken, Facebook, Twitter, alles immer gleichzeitig - unsere Gesellschaft hat ihren Aufmerksamkeitsstandard in den letzten Jahren drastisch geändert, sagt der Philosoph Christoph Türcke. Seine Lösung: Rituale, schon als Schulfach.
Joachim Scholl: In den 1970er Jahren diagnostizierten amerikanische Mediziner und Psychiater an Kindern ein neuartiges, krankhaft wirkendes Phänomen und gaben ihm diesen Namen: ADHS - übersetzt steht es für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktiväts-Syndrom. Viele Eltern kennen das Kürzel inzwischen nur zu gut, denn auch sie waren beim Arzt mit ihren Kindern, die keine Minute stillsitzen, sich nicht konzentrieren können, in der Schule, beim Spielen, ständig von einer Sache zur anderen laufen, ohne mal bei einer zu verweilen. Aber sind diese Kinder wirklich krank? So fragt der Philosoph Christoph Türcke, und er entwickelt in einem neuen Buch zum Thema ADHS die These, dass es eher wir sind, unsere Gesellschaft, für die diese hyperaktiven Kinder stehen. Wir sind jetzt verbunden mit Christoph Türcke, guten Tag!
Christoph Türcke: Einen schönen guten Tag!
Scholl: Sie sind kein Mediziner, Herr Türcke, kein Psychologe, kein Pädagoge, Sie blicken als Philosoph auf diesen Komplex und auf die Kinder, die - so schreiben Sie - Ihnen erst einmal Fragen stellen durch ihr Verhalten. Was sind das für Fragen?
Türcke: Nun, sie stellen unsere Gesellschaft infrage. Sie halten unserer Gesellschaft einen Spiegel vor, und wenn wir uns mal an die eigene Nase fassen, dann stellen wir fest, wir sind immer mehr genötigt, ständig Mails zu checken, ständig nach neuen SMS zu schielen, wir sind von Bildmaschinen umgeben, die ständig ruckartig ihre Einstellung ändern, und das alles schafft eine ständige Unruhe, eine zunehmende systematische Zerstreuung. Ich nenne das konzentrierte Zerstreuung und meine damit: Zerstreuung an sich ist eigentlich eine ganz wunderbare, entspannende Angelegenheit, aber wenn sie zwanghaft wird, wenn sie zu einem gesamtgesellschaftlichen Aufmerksamkeitsregime wird, dann wird sie zu einem furchtbaren Stress und führt dazu, dass wir in der Tat immer weniger die Möglichkeit haben und damit auch die Fähigkeit, bei einer Sache zu bleiben. Und das ist für mich die einfachste Definition von Aufmerksamkeit.
Scholl: Das heißt, dass wir alle eigentlich ADHS-Patienten sind und die Symptome der Kinder eigentlich unsere eigenen wiederspiegeln?
Türcke: Ganz genau das ist mein Verdacht. Kinder sind gewissermaßen Pioniere einer Entwicklung, der die Gesellschaft mit großen Schritten hinterhergeht, beziehungsweise sie gibt sie ja auf der anderen Seite vor. Und wenn Sie erleben, dass heutzutage jetzt auch schon Studenten anfangen zu sagen: Anderthalb Stunden hintereinander Vorlesung machen, das können wir uns nicht antun, lieber Professor, machen Sie doch bitte mal in dieser Zeit ein bis zwei Pausen, und ohne eine Powerpoint-Präsentation sind wir ohnehin nicht in der Lage, die ganze Sache zu verfolgen. Nur reden, ich bitte Sie.
Dann merken wir, dass sich also unser aller Aufmerksamkeitsstandard in den letzten Jahren drastisch geändert haben. Und wenn wir das nicht mit berücksichtigen, dann verfallen wir auf die schiefe These, na ja, ADHS, das haben bestimmte Kinder, mit denen gehen wir zum Arzt, die sind krank, aber das ist eine Krankheit in gesunder Umgebung. Und das halte ich für eine grundsätzliche Fehleinschätzung, trotzdem muss man sich natürlich in jedem einzelnen Fall das Kind ganz genau ansehen. Jede Krankheits- oder Störungsgeschichte hat ihren ganz individuellen Verlauf, und ich will nicht alles über einen Kamm scheren. Nur wenn man diese gleichsam gesellschaftliche Grundeinstellung, Grundfokussierung nicht mit vollzieht, dann glaube ich, kann man das, was da sich ereignet, nicht wirklich verstehen.
Scholl: Bleiben wir noch mal bei den Kindern, ich vermute, dass uns jetzt etliche betroffene Eltern vielleicht zuhören, und Sie schreiben ja, Herr Türcke, dass also Eltern so schockiert wie zugleich beruhigt sind, wenn sie von einem Arzt oder Therapeuten hören, ihr Kind leide unter ADHS, weil man dann eben endlich eine Diagnose für das auffällige Verhalten hat. Ist das ... ?
Türcke: Genau, das gibt Sicherheit einerseits und hat natürlich auch die Gefahr der Bequemlichkeit, dass man dann eben sagt, das Kind ist krank, es kann nichts dafür, wir können nichts dafür, es muss behandelt werden - aber dass sich alle mal fragen, ob ihr Sozialverhalten nicht, sagen wir mal, ein Nährboden für das ist, was man dann an den Kindern an Störung feststellt, genau das wird dann in den Hintergrund gedrängt. Und im Einzelfall breche ich nicht den Stab über Eltern, die ihre Kinder mit entsprechenden Medikamenten behandeln lassen. Da gibt es Fälle, wo das sozusagen die Notbremse ist, aber insgesamt kann das auch eine relativ bequeme Tour sein.
Scholl: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Christoph Türcke, der Philosoph entwickelt neue Überlegungen zum Thema ADHS. Nun haben Sie, Herr Türcke, darüber nachgedacht, wie man dieser Aufmerksamkeits-Defizit-Kultur, die Sie uns, unserer Gesellschaft diagnostizieren, gegensteuern könnte, und bei den Kindern müsse man auch anfangen mit einem pädagogischen Programm, das Sie Ritualkunde nennen. was meinen Sie damit?
Türcke: Gemeint ist unter Ritualkunde, eine beruhigende Achse soll dem gesamten Schulunterricht eingezogen werden, und zwar durchaus von der Grundschule bis zum Abitur. Was meine ich damit? Rituale sind an sich nichts Gutes - es gibt ganz grauenhafte Rituale, die Menschheit hat mit blutigen Opferritualen begonnen -, das will ich nicht wiederhaben, sondern Rituale sind für mich geronnene kodifizierte Wiederholungen. Und Kinder wiederholungsfähig machen ist, glaube ich, heutzutage eine der ganz entscheidenden Bildungsaufgaben.
Scholl: Was meinen Sie damit konkret?
Türcke: Na, also zum Beispiel, dass man ganz bestimmte Wiederholungen im Tagesablauf hat, nicht? Angefangen davon, wie man frühstückt, wie man gemeinsame Mahlzeiten vollzieht, zum Beispiel. Das kann dann durchaus etwas rituelles haben. Und Fastfood ist also eine antirituelle Tendenz, können wir sagen. Und das stelle ich mir dann in der Grundschule, um darauf wieder zu kommen, so vor, dass der gesamte Unterricht um Aufführungen zentriert wird, in alle Fächer immer wieder in regelmäßigen Abständen, 14 Tage oder vier Wochen, stattfindende kleine Aufführungen, Singspiele, was auch immer, einbezogen wird, und da müssen die Kinder wiederholen, die müssen das nämlich einstudieren.
Dadurch lernen sie eine gewisse Stabilität, sie lernen auch bestimmte Dinge auswendig, und sie lernen, indem sie etwas aufführen, auch sich aufzuführen. Und das schafft auch einen ganz bestimmten Zusammenhalt, also alles das, was als soziales Lernen beschworen wird, ergibt sich da von selbst. Man wird auch in einer gewissen Weise diszipliniert. Man kann nämlich sich blamieren, man kann die anderen blamieren, aber das geschieht dann von innen heraus, von einem Inhalt her, der zur Disziplin drängt, und nicht dadurch, dass jemand sagt, reiß dich zusammen, ja? Und die Kinder selber müssen zunächst mal gar nicht wissen, was Ritualkunde ist, das brauchen nur die Lehrer zu wissen zunächst.
Und dann stelle ich mir das in höheren Klassen so vor, dass weiterhin durchaus gepflegt wird das Präsentieren von Inhalten, also in sämtlichen Einzelfächern immer mal wieder was präsentiert wird - was weiß ich, Klasse A stellt Klasse B und C die Funktionsweise der örtlichen Feuerwehr vor oder wie sie den Schulgarten anlegt oder sonst etwas, das ist gleichsam die praktische Seite. Und die theoretische Seite wäre dann tatsächlich in den höheren Klassen einfach Ritualkunde. Und da würde ich gerne zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nämlich das soll umfassen Sozialkunde und Religionskunde-Schrägstrich-Ethik, und zwar in einer nicht-konfessionellen Form.
Die Pointe dabei: Soziale Strukturen sind ja so etwas wie geronnene Handlungsabläufe, das sind Ritualstrukturen, wenn man sie genauer ansieht, und Religionen, na ja, die ganzen Sakramente sind rituell. Und jeder hat in seinem Alltag etwas rituelles, woran ihm liegt, was ihm gleichsam heilig ist - also dass dieser Unterricht zwar einerseits nicht konfessionell wäre, andererseits aber mit dem in Anführungszeichen "Heiligen", mit dem, was mir unantastbar ist, wozu ich mich bekenne, sehr viel zu tun hat, und insofern also auch diese ganzen heiklen Gemengelagen, die wir jetzt in der Schule mit verschiedenen Konfessionen haben, wir ein Fach hätten, was zugleich intellektuell umfassend ist, diesen Wiederholungscharakter pflegt und auf der anderen Seite wirklich konkret an Ort und Stelle die brisanten Bekenntnisdifferenzen bearbeitet.
Scholl: Christoph Türcke mit seinen Überlegungen zum Thema ADHS. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Türcke: Ich danke auch!
Scholl: Das Buch von Christoph Türcke heißt "Hyperaktiv - Kritik der Aufmerksamkeits-Defizit-Kultur", ist im C. H. Beck Verlag erschienen, hat 123 Seiten, kostet 9,95 Euro. Und mehr zum Thema hören Sie morgen im "Radiofeuilleton" ab neun Uhr, dann werden zwei Experten im Studio sein und Ihre Fragen zu ADHS beantworten, zwei Stunden lang unter der für Sie kostenlosen Rufnummer 0 0800-22 54 22 54. Diagnose ADHS: Droht uns eine Gesellschaft Ritalin, haben wir die Diskussion überschrieben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Christoph Türcke: Einen schönen guten Tag!
Scholl: Sie sind kein Mediziner, Herr Türcke, kein Psychologe, kein Pädagoge, Sie blicken als Philosoph auf diesen Komplex und auf die Kinder, die - so schreiben Sie - Ihnen erst einmal Fragen stellen durch ihr Verhalten. Was sind das für Fragen?
Türcke: Nun, sie stellen unsere Gesellschaft infrage. Sie halten unserer Gesellschaft einen Spiegel vor, und wenn wir uns mal an die eigene Nase fassen, dann stellen wir fest, wir sind immer mehr genötigt, ständig Mails zu checken, ständig nach neuen SMS zu schielen, wir sind von Bildmaschinen umgeben, die ständig ruckartig ihre Einstellung ändern, und das alles schafft eine ständige Unruhe, eine zunehmende systematische Zerstreuung. Ich nenne das konzentrierte Zerstreuung und meine damit: Zerstreuung an sich ist eigentlich eine ganz wunderbare, entspannende Angelegenheit, aber wenn sie zwanghaft wird, wenn sie zu einem gesamtgesellschaftlichen Aufmerksamkeitsregime wird, dann wird sie zu einem furchtbaren Stress und führt dazu, dass wir in der Tat immer weniger die Möglichkeit haben und damit auch die Fähigkeit, bei einer Sache zu bleiben. Und das ist für mich die einfachste Definition von Aufmerksamkeit.
Scholl: Das heißt, dass wir alle eigentlich ADHS-Patienten sind und die Symptome der Kinder eigentlich unsere eigenen wiederspiegeln?
Türcke: Ganz genau das ist mein Verdacht. Kinder sind gewissermaßen Pioniere einer Entwicklung, der die Gesellschaft mit großen Schritten hinterhergeht, beziehungsweise sie gibt sie ja auf der anderen Seite vor. Und wenn Sie erleben, dass heutzutage jetzt auch schon Studenten anfangen zu sagen: Anderthalb Stunden hintereinander Vorlesung machen, das können wir uns nicht antun, lieber Professor, machen Sie doch bitte mal in dieser Zeit ein bis zwei Pausen, und ohne eine Powerpoint-Präsentation sind wir ohnehin nicht in der Lage, die ganze Sache zu verfolgen. Nur reden, ich bitte Sie.
Dann merken wir, dass sich also unser aller Aufmerksamkeitsstandard in den letzten Jahren drastisch geändert haben. Und wenn wir das nicht mit berücksichtigen, dann verfallen wir auf die schiefe These, na ja, ADHS, das haben bestimmte Kinder, mit denen gehen wir zum Arzt, die sind krank, aber das ist eine Krankheit in gesunder Umgebung. Und das halte ich für eine grundsätzliche Fehleinschätzung, trotzdem muss man sich natürlich in jedem einzelnen Fall das Kind ganz genau ansehen. Jede Krankheits- oder Störungsgeschichte hat ihren ganz individuellen Verlauf, und ich will nicht alles über einen Kamm scheren. Nur wenn man diese gleichsam gesellschaftliche Grundeinstellung, Grundfokussierung nicht mit vollzieht, dann glaube ich, kann man das, was da sich ereignet, nicht wirklich verstehen.
Scholl: Bleiben wir noch mal bei den Kindern, ich vermute, dass uns jetzt etliche betroffene Eltern vielleicht zuhören, und Sie schreiben ja, Herr Türcke, dass also Eltern so schockiert wie zugleich beruhigt sind, wenn sie von einem Arzt oder Therapeuten hören, ihr Kind leide unter ADHS, weil man dann eben endlich eine Diagnose für das auffällige Verhalten hat. Ist das ... ?
Türcke: Genau, das gibt Sicherheit einerseits und hat natürlich auch die Gefahr der Bequemlichkeit, dass man dann eben sagt, das Kind ist krank, es kann nichts dafür, wir können nichts dafür, es muss behandelt werden - aber dass sich alle mal fragen, ob ihr Sozialverhalten nicht, sagen wir mal, ein Nährboden für das ist, was man dann an den Kindern an Störung feststellt, genau das wird dann in den Hintergrund gedrängt. Und im Einzelfall breche ich nicht den Stab über Eltern, die ihre Kinder mit entsprechenden Medikamenten behandeln lassen. Da gibt es Fälle, wo das sozusagen die Notbremse ist, aber insgesamt kann das auch eine relativ bequeme Tour sein.
Scholl: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Christoph Türcke, der Philosoph entwickelt neue Überlegungen zum Thema ADHS. Nun haben Sie, Herr Türcke, darüber nachgedacht, wie man dieser Aufmerksamkeits-Defizit-Kultur, die Sie uns, unserer Gesellschaft diagnostizieren, gegensteuern könnte, und bei den Kindern müsse man auch anfangen mit einem pädagogischen Programm, das Sie Ritualkunde nennen. was meinen Sie damit?
Türcke: Gemeint ist unter Ritualkunde, eine beruhigende Achse soll dem gesamten Schulunterricht eingezogen werden, und zwar durchaus von der Grundschule bis zum Abitur. Was meine ich damit? Rituale sind an sich nichts Gutes - es gibt ganz grauenhafte Rituale, die Menschheit hat mit blutigen Opferritualen begonnen -, das will ich nicht wiederhaben, sondern Rituale sind für mich geronnene kodifizierte Wiederholungen. Und Kinder wiederholungsfähig machen ist, glaube ich, heutzutage eine der ganz entscheidenden Bildungsaufgaben.
Scholl: Was meinen Sie damit konkret?
Türcke: Na, also zum Beispiel, dass man ganz bestimmte Wiederholungen im Tagesablauf hat, nicht? Angefangen davon, wie man frühstückt, wie man gemeinsame Mahlzeiten vollzieht, zum Beispiel. Das kann dann durchaus etwas rituelles haben. Und Fastfood ist also eine antirituelle Tendenz, können wir sagen. Und das stelle ich mir dann in der Grundschule, um darauf wieder zu kommen, so vor, dass der gesamte Unterricht um Aufführungen zentriert wird, in alle Fächer immer wieder in regelmäßigen Abständen, 14 Tage oder vier Wochen, stattfindende kleine Aufführungen, Singspiele, was auch immer, einbezogen wird, und da müssen die Kinder wiederholen, die müssen das nämlich einstudieren.
Dadurch lernen sie eine gewisse Stabilität, sie lernen auch bestimmte Dinge auswendig, und sie lernen, indem sie etwas aufführen, auch sich aufzuführen. Und das schafft auch einen ganz bestimmten Zusammenhalt, also alles das, was als soziales Lernen beschworen wird, ergibt sich da von selbst. Man wird auch in einer gewissen Weise diszipliniert. Man kann nämlich sich blamieren, man kann die anderen blamieren, aber das geschieht dann von innen heraus, von einem Inhalt her, der zur Disziplin drängt, und nicht dadurch, dass jemand sagt, reiß dich zusammen, ja? Und die Kinder selber müssen zunächst mal gar nicht wissen, was Ritualkunde ist, das brauchen nur die Lehrer zu wissen zunächst.
Und dann stelle ich mir das in höheren Klassen so vor, dass weiterhin durchaus gepflegt wird das Präsentieren von Inhalten, also in sämtlichen Einzelfächern immer mal wieder was präsentiert wird - was weiß ich, Klasse A stellt Klasse B und C die Funktionsweise der örtlichen Feuerwehr vor oder wie sie den Schulgarten anlegt oder sonst etwas, das ist gleichsam die praktische Seite. Und die theoretische Seite wäre dann tatsächlich in den höheren Klassen einfach Ritualkunde. Und da würde ich gerne zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nämlich das soll umfassen Sozialkunde und Religionskunde-Schrägstrich-Ethik, und zwar in einer nicht-konfessionellen Form.
Die Pointe dabei: Soziale Strukturen sind ja so etwas wie geronnene Handlungsabläufe, das sind Ritualstrukturen, wenn man sie genauer ansieht, und Religionen, na ja, die ganzen Sakramente sind rituell. Und jeder hat in seinem Alltag etwas rituelles, woran ihm liegt, was ihm gleichsam heilig ist - also dass dieser Unterricht zwar einerseits nicht konfessionell wäre, andererseits aber mit dem in Anführungszeichen "Heiligen", mit dem, was mir unantastbar ist, wozu ich mich bekenne, sehr viel zu tun hat, und insofern also auch diese ganzen heiklen Gemengelagen, die wir jetzt in der Schule mit verschiedenen Konfessionen haben, wir ein Fach hätten, was zugleich intellektuell umfassend ist, diesen Wiederholungscharakter pflegt und auf der anderen Seite wirklich konkret an Ort und Stelle die brisanten Bekenntnisdifferenzen bearbeitet.
Scholl: Christoph Türcke mit seinen Überlegungen zum Thema ADHS. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Türcke: Ich danke auch!
Scholl: Das Buch von Christoph Türcke heißt "Hyperaktiv - Kritik der Aufmerksamkeits-Defizit-Kultur", ist im C. H. Beck Verlag erschienen, hat 123 Seiten, kostet 9,95 Euro. Und mehr zum Thema hören Sie morgen im "Radiofeuilleton" ab neun Uhr, dann werden zwei Experten im Studio sein und Ihre Fragen zu ADHS beantworten, zwei Stunden lang unter der für Sie kostenlosen Rufnummer 0 0800-22 54 22 54. Diagnose ADHS: Droht uns eine Gesellschaft Ritalin, haben wir die Diskussion überschrieben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.