Adolf Endler: "Die Gedichte"

Ein Düsseldorfer Dichter in der DDR

Auf orange-weißem Hintergrund ist das Cover zu sehen. Auf einem kleinen Foto ist Adolf Endler auf einem schwarz-weiß Foo zu sehen, die Brille auf die Stirn geschoben. Darüber steht "Adolf Endler" und in der nächsten Zeilen "Die Gedichte"
Cover von Adolf Endler: "Die Gedichte" © Cover: Wallstein-Verlag
Von Helmut Böttiger |
In Adolf Endlers Gedichten lässt sich die Wandlung eines überzeugten Kommunisten zum Systemkritiker der DDR nachvollziehen. Freiwillig war er aus Düsseldorf in den Osten umgesiedelt. Schnell kommen ihm Zweifel, am Ende ist er verzweifelt.
Adolf Endler (1930-2009) gehörte zu den wirklich großen Schriftstellern der DDR, und es ist nicht hoch genug einzuschätzen, dass er sich immer souverän jenseits der staatlichen Anforderungen und Zwänge bewegte. Nach 1989 galt er für die Jüngeren als Vorbild und moralische Instanz – gerade wegen seiner unverwüstlichen, anarchischen, den Schrecken mit einer bizarren Komik bannenden Texte.
Seine Roman- und Dramolettfetzen um Bubi Blazezak und Bobbi Bumke Bergermann aus den 80er-Jahren gehören zu den Höhepunkten deutscher Prosa der letzten Jahrzehnte überhaupt. Man merkt ihnen an, dass Endler als Lyriker angefangen hatte, ja: dass sein Werk insgesamt auf die Lyrik gegründet ist.

Verdienstvolle Edition

Es ist deshalb eine verdienstvolle Edition, die jetzt im Wallstein Verlag erschienen ist und sämtliche Gedichte Endlers vorlegt – und zwar auch in all den für diesen Autor charakteristischen Vorfassungen und Vorformen, zudem mit einem konzisen und erhellenden Kommentar.
Endler war von Anfang an ein Sonderfall in der DDR. Im Alter von 25 Jahren kam er 1955, als überzeugter Kommunist, aus Düsseldorf in den sozialistischen deutschen Osten. Die Schrecken des Krieges und die Barbarei der Nationalsozialisten prägten seine frühen Gedichte, von denden das erste bereits 1947 in einer Zeitschrift erschien. Aber dass sein durchaus rheinländisch geprägtes Temperament in der DDR bald auf starre Widerstände stieß, ist schnell zu beobachten.
Einer ersten Phase von Gedichten, die den Sozialismus bekräftigten, folgten bereits Anfang der sechziger Jahre zweifelnde, nachdenkliche, ironische. Endler prägte in dieser Zeit die Formel der "Sächsischen Dichterschule", die die ungestümen Forderungen seiner Freunde Karl Mickel oder Sarah und Rainer Kirsch in der literarischen Tradition verankerte.

Sand im Getriebe

Endlers Sammlung "Das Sandkorn" von 1974 bezieht sich auf die berühmte Parole Günter Eichs: "Seid der Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!" Schon im ersten Gedicht wird hier die "Brennessel" angesprochen, als sinnstiftendes Bild – denn dass man sich am Schreibtisch schnell die Finger verbrennt, war Endler hochbewusst.
Als "satirisch gestimmter Melancholiker" fand dieser Dichter in der DDR unendlich viel Material. Zu seinen häufigsten Motiven gehört der "Seesack": Er steht für das Ungebundene, Getriebene, Heimatlose und Geheimnisvolle.
Der Autor des Nachworts Peter Geist hebt nicht von ungefähr auf das programmatische "Hakenschlagen" Endlers ab, auf dessen "Zickzackrouten", die er selbstironisch beschreibt. In den achtziger Jahren bewegen sich Endlers Gedichte immer halsbrecherischer zwischen der Absurdität der DDR, aus der phantastisch-grelle Funken geschlagen werden können, und einer als durchaus bedrohlich wahrgenommenen Verstörung.
Doch gerade nach 1989 war das "Hohnlachen", wie ein Gedicht schon 1972 betitelt ist, die ästhetisch raffiniert durchgeführte Antwort Endlers auf alle Zumutungen von außen und innen.

Adolf Endler: "Die Gedichte"
Hrsg. von Robert Gillett und Astrid Köhler
Wallstein Verlag, Göttingen
893 Seiten, 39 Euro

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