Adoptionsrecht für Homosexuelle auf dem Prüfstand
Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften erweitert werden muss. Nach geltendem Recht dürfen Homosexuelle nur leibliche Kinder ihres Lebenspartners adoptieren, nicht aber vom Partner bereits adoptierte Kinder. Alexandra Gosemärker, Anwältin und Autorin, rechnet damit, dass sich die sukzessive Adoption am Ende durchsetzen wird.
Matthias Hanselmann: Lesben und Schwule in Deutschland, die eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft führen und dabei Kinder großziehen, werden Regenbogenfamilien genannt - aber sie dürfen ein Kind nur dann adoptieren, wenn es das leibliche Kind eines der Lebenspartner ist. Hat der Lebenspartner bereits ein Kind adoptiert, bevor er oder sie eine neue Partnerschaft eingeht, dann darf der Partner in einer neuen Beziehung das Kind nicht adoptieren.
Aber genau um diesen fall geht es ab heute beim Bundesverfassungsgericht. Das Fremdwort dafür ist sukzessive Stiefkindadoption, das werden wir gleich noch genauer erklären.
Sie soll verfassungsrechtlich zugelassen werden, wird gefordert. Alexandra Gosemärker ist Rechtsanwältin und Autorin und berät Paare, gleichgeschlechtliche Paare in Adoptionsfragen. Willkommen erst einmal im Studio, guten Tag!
Alexandra Gosemärker: Guten Tag!
Hanselmann: Ein lesbisches oder ein schwules Paar wollen ein Kind, wollen Eltern sein, eine Familie gründen, wie heterosexuelle Paare in Deutschland auch. Welche Möglichkeiten haben sie nach der aktuellen Rechtslage, und was bleibt ihnen verwehrt?
Gosemärker: Um damit zu beginnen, was ihnen verwehrt bleibt: Verwehrt bleibt ihnen die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes. Möglich ist die sogenannte Stiefkindadoption, hier darf die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner das leibliche Kind der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners adoptieren, Stiefkind adoptieren. Nicht möglich ist es, wie Sie bereits sagten, dass die Co-Mutter, der Co-Vater ein vom anderen Elternteil angenommenes Kind adoptiert.
Vielleicht kann ich das veranschaulichen an einem Beispiel: Ich vertrete derzeit zwei Frauen, ein Frauenpaar, miteinander verpartnert, die seit 16 Jahren zwei Kinder großziehen, der Große ist das leibliche Kind der einen Mutter, das zweite Kind, der Jüngere, ist als Baby als Pflegekind in diese Familie gekommen, wurde von beiden aufgezogen und betreut, weil aber nicht beide zusammen dieses Kind adoptieren durften, hat nur die eine das Kind adoptiert, und nun liegen Anträge vor beim Familiengericht, nun möchte die Co-Mutter sowohl den leiblichen Sohn, den Großen, als auch den angenommenen, den Kleinen, adoptieren, Stiefkind adoptieren. Den Großen darf sie adoptieren, für den Zweiten ist das nicht zulässig, weil die Sukzessivadoption verboten ist für gleichgeschlechtliche Paare. Wäre sie der Ehegatte, dann dürfte sie das.
Hanselmann: Also eine schizophrene Situation innerhalb einer Familie. Was würde es denn den Kindern bringen, wenn sie beide adoptiert werden könnten?
Gosemärker: Rechtliche Sicherheit natürlich. Die gelebte soziale Familienbindung wird rechtlich gestärkt, beide Kinder bekommen einen weiteren Unterhaltsverpflichteten, einen Sorgeverpflichteten, erbrechtliche Ansprüche.
Hanselmann: Wie wird eigentlich zunächst mal begründet, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht ein Kind adoptieren dürfen, das irgendwo auf der Welt keine Zukunft in einer Familie hätte?
Gosemärker: Das wird mit Kindeswohlgründen abgelehnt, weil der Staat hier ein Wächteramt, ein Schutzamt hat gegenüber diesem Kind, und er muss dafür sorgen, der Staat, dass dieses Kind gut möglichst aufwachsen kann. Und der Staat, der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass das Kind die bestmöglichen Entwicklungschancen in einer Familie hat, Vater und Mutter.
Hanselmann: Vielleicht noch etwas genauer, Frau Gosemärker, womit sich das Bundesverfassungsgericht eigentlich ab heute jetzt beschäftigt.
Gosemärker: Das Verfassungsgericht beschäftigt sich mit der Frage, ob diese Ungleichbehandlung zwischen eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten in dieser Sukzessivadoptionsfrage verfassungsgemäß ist.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit der Rechtsanwältin und Buchautorin Alexandra Gosemärker über das Thema der Adoption von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Paaren, ob männlich oder weiblich. Frau Gosemärker, was sind die Eckpunkte, die wichtigsten Argumente pro und kontra, mit denen sich das Bundesverfassungsgericht beschäftigen muss?
Gosemärker: Das Pro-Argument hatte ich genannt, darüber sprachen wir gerade, die Absicherung des Kindes, die dem Kindeswohl dienen soll. Kontra-Argumente sind in erster Linie das nicht von der Hand zu weisende Argument: Der leibliche Elternteil hat seinerzeit seine Zustimmung gegeben, dass dieses Kind von diesem einen Menschen adoptiert werden darf, hat aber nicht die Zustimmung gegeben, dass auch der Lebenspartner das Kind adoptieren darf. Das gilt aber natürlich genau so auch für Ehegatten, insofern greift dieses Argument natürlich nicht durch.
Ein anderes Argument ist - das hat das Oberlandesgericht in Hamm so dargelegt -, dass das gesellschaftliche Erziehungs- und Familienbild nun einmal Vater, Mutter, Kind vorsehe, und natürlich das Kindeswohl, das nach Ansicht vieler gefährdet ist, wenn ein Kind bei zwei Müttern oder zwei Vätern aufwächst.
Hanselmann: Das will ich gleich noch mal ein bisschen genauer wissen mit dem Kindeswohl: Warum ist das denn eigentlich angeblich gefährdet? Die lesbische Schriftstellerin Carolin Emcke sagte hier im "Radiofeuilleton" vor Kurzem zum Thema Regenbogenfamilie und Kindeswohl Folgendes:
Carolin Emcke: Ich vermute, eine der unterdrückt mitschwingenden Vorstellungen ist, na ja, wenn dann so ein Kind bei zwei Frauen aufwächst oder wenn ein Kind bei zwei Männern aufwächst, dann wird das Kind vielleicht schwul. Immer wieder schwingt bei diesen Gesetzgebungsverfahren oder eben bei diesen Politiken, die nach wie vor Homosexuelle benachteiligen, immer diese Angst mit, Kinder könnten bei homosexuellen Eltern aufwachsen, anstatt dass man sich darüber Gedanken macht, wie Kinder in Elternhäusern aufwachsen, wo sie nicht geliebt, wo sie nicht erwünscht, wo sie misshandelt werden.
Hanselmann: Die Angst, dass Kinder von schwulen Eltern selber schwul werden könnten, ist doch völlig irrational, oder?
Gosemärker: Ja, gut, die Angst ist nicht begründet, aber Ängste sind eben einfach irrational. Aber vielleicht sollte ich auf eine Studie kommen, die das Bundesministerium für Justiz in Auftrag gegeben hat: Im Jahre 2006 und 2007 wurden über 1000 Eltern in gleichgeschlechtlichen Regenbogenfamilien befragt und auch die Kinder wurden befragt, und die Auswertung hat ergeben, dass zunächst einmal die Erziehungskompetenz der gleichgeschlechtlichen Eltern genau so gut ist wie die der heterosexuellen Eltern, dass die Kinder ein stärkeres Selbstwertgefühl ausbilden als Kinder aus heterosexuellen Familien, dass vor allem – was ich auch für wichtig halte, was auch eine Sorge vieler Kritiker ist, dass so ein Kind, das bei zwei Müttern aufwächst, nicht genug Männer, männliche Vorbilder hat, dass nachgewiesen ist, dass die gleichgeschlechtlichen Mütter, dass die Mütter den Kindern den Zugang zum Vater, den Kontakt zum Vater, zum Spender, eher gewährleisten und zu anderen männlichen Bezugspersonen, als das Kinder gewährleistet bekommen, die aus Trennungsfamilien kommen.
Das halte ich für sehr wichtig, und sicherlich ist es so, dass Kinder auch gehänselt werden, keine Frage, Diskriminierungserfahrungen werden gemacht, aber es hat sich auch herausgestellt, dass die Kinder nach solchen Erfahrungen von ihren Eltern sehr gut aufgefangen werden und Strategien entwickeln, damit umzugehen.
Hanselmann: Was weiß man denn allgemein darüber, wie in unserem Land über die sogenannten Regenbogenfamilien, über die wir gerade sprechen, gedacht wird? Wir senden hier aus Berlin, wo ich das Gefühl habe, dass solche Familien überwiegend akzeptiert werden inzwischen, auch Patchwork-Familien sind ja seit Langem nichts besonderes mehr.
Gosemärker: Ja, in Berlin haben wir die Großstadtsituation, das ist richtig, aber auch in anderen Städten im Bundesgebiet, dort, wo ich Stiefkindadoptionen durchführe, erfahre ich regelmäßig, dass die Regenbogenfamilien positive Erfahrungen machen, vor allem, wenn sie ganz offen damit umgehen, mit ihrer Lebenssituation. Zwar gibt es oft Verhaltensunsicherheiten bei Behörden, Jugendämtermitarbeiter bei Jugendämtern, auch Lehrer und Erzieher.
Ich weiß aber aus meinen Fortbildungen, die ich durchführe mit Jugendamtsmitarbeitern, mit Pädagogen, mit Sozialpädagogen, dass tatsächlich Unsicherheiten bestehen, aber die begründet sind darin, dass man zu wenig weiß über Regenbogenfamilien, über deren Lebensumstände, und dass das Interesse ganz groß ist, darüber mehr zu erfahren. Und ich glaube, dass die Vorurteile abnehmen werden, je normaler und selbstverständlicher Regenbogenfamilien wahrgenommen werden.
Hanselmann: Die Studie, die Sie genannt haben, gibt Ihnen ja auch völlig recht. Nehmen wir mal an, dieses sukzessive Adoptionsrecht würde vom Bundesverfassungsgericht für durchführbar gehalten, es gäbe ein positives Urteil aus Karlsruhe, hätte das dann auch Wirkung auf andere Fragen der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren?
Gosemärker: Ja, das denke ich schon, das Fremdkindadoptionsverbot wird dann auch nicht mehr zu halten sein, und natürlich wird gehofft, dass eine andere eingreifende Diskriminierung, nämlich die Tatsache, dass eingetragene Lebenspartner nicht zusammen veranlagt werden, also das Ehegattensplitting nicht genießen dürfen, dass das dann auch möglicherweise bald angeglichen wird.
Hanselmann: Wollen Sie spekulieren? Was meinen Sie, wie die Sache ausgehen wird? Wie wird das Verfassungsgericht eines Tages urteilen?
Gosemärker: Nach den bisherigen Erfahrungen mit diesem Senat denke ich, dass die Argumente der Befürworter, dass die Sukzessivkindadoption auch für gleichgeschlechtliche Partner möglich ist, dass die Argumentation durchdringen wird.
Hanselmann: Vielen Dank, Alexandra Gosemärker, Rechtsanwältin und Autorin des Buches "Erst Recht – ein Ratgeber für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften". Dankeschön fürs Gespräch!
Gosemärker: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Aber genau um diesen fall geht es ab heute beim Bundesverfassungsgericht. Das Fremdwort dafür ist sukzessive Stiefkindadoption, das werden wir gleich noch genauer erklären.
Sie soll verfassungsrechtlich zugelassen werden, wird gefordert. Alexandra Gosemärker ist Rechtsanwältin und Autorin und berät Paare, gleichgeschlechtliche Paare in Adoptionsfragen. Willkommen erst einmal im Studio, guten Tag!
Alexandra Gosemärker: Guten Tag!
Hanselmann: Ein lesbisches oder ein schwules Paar wollen ein Kind, wollen Eltern sein, eine Familie gründen, wie heterosexuelle Paare in Deutschland auch. Welche Möglichkeiten haben sie nach der aktuellen Rechtslage, und was bleibt ihnen verwehrt?
Gosemärker: Um damit zu beginnen, was ihnen verwehrt bleibt: Verwehrt bleibt ihnen die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes. Möglich ist die sogenannte Stiefkindadoption, hier darf die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner das leibliche Kind der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners adoptieren, Stiefkind adoptieren. Nicht möglich ist es, wie Sie bereits sagten, dass die Co-Mutter, der Co-Vater ein vom anderen Elternteil angenommenes Kind adoptiert.
Vielleicht kann ich das veranschaulichen an einem Beispiel: Ich vertrete derzeit zwei Frauen, ein Frauenpaar, miteinander verpartnert, die seit 16 Jahren zwei Kinder großziehen, der Große ist das leibliche Kind der einen Mutter, das zweite Kind, der Jüngere, ist als Baby als Pflegekind in diese Familie gekommen, wurde von beiden aufgezogen und betreut, weil aber nicht beide zusammen dieses Kind adoptieren durften, hat nur die eine das Kind adoptiert, und nun liegen Anträge vor beim Familiengericht, nun möchte die Co-Mutter sowohl den leiblichen Sohn, den Großen, als auch den angenommenen, den Kleinen, adoptieren, Stiefkind adoptieren. Den Großen darf sie adoptieren, für den Zweiten ist das nicht zulässig, weil die Sukzessivadoption verboten ist für gleichgeschlechtliche Paare. Wäre sie der Ehegatte, dann dürfte sie das.
Hanselmann: Also eine schizophrene Situation innerhalb einer Familie. Was würde es denn den Kindern bringen, wenn sie beide adoptiert werden könnten?
Gosemärker: Rechtliche Sicherheit natürlich. Die gelebte soziale Familienbindung wird rechtlich gestärkt, beide Kinder bekommen einen weiteren Unterhaltsverpflichteten, einen Sorgeverpflichteten, erbrechtliche Ansprüche.
Hanselmann: Wie wird eigentlich zunächst mal begründet, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht ein Kind adoptieren dürfen, das irgendwo auf der Welt keine Zukunft in einer Familie hätte?
Gosemärker: Das wird mit Kindeswohlgründen abgelehnt, weil der Staat hier ein Wächteramt, ein Schutzamt hat gegenüber diesem Kind, und er muss dafür sorgen, der Staat, dass dieses Kind gut möglichst aufwachsen kann. Und der Staat, der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass das Kind die bestmöglichen Entwicklungschancen in einer Familie hat, Vater und Mutter.
Hanselmann: Vielleicht noch etwas genauer, Frau Gosemärker, womit sich das Bundesverfassungsgericht eigentlich ab heute jetzt beschäftigt.
Gosemärker: Das Verfassungsgericht beschäftigt sich mit der Frage, ob diese Ungleichbehandlung zwischen eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten in dieser Sukzessivadoptionsfrage verfassungsgemäß ist.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit der Rechtsanwältin und Buchautorin Alexandra Gosemärker über das Thema der Adoption von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Paaren, ob männlich oder weiblich. Frau Gosemärker, was sind die Eckpunkte, die wichtigsten Argumente pro und kontra, mit denen sich das Bundesverfassungsgericht beschäftigen muss?
Gosemärker: Das Pro-Argument hatte ich genannt, darüber sprachen wir gerade, die Absicherung des Kindes, die dem Kindeswohl dienen soll. Kontra-Argumente sind in erster Linie das nicht von der Hand zu weisende Argument: Der leibliche Elternteil hat seinerzeit seine Zustimmung gegeben, dass dieses Kind von diesem einen Menschen adoptiert werden darf, hat aber nicht die Zustimmung gegeben, dass auch der Lebenspartner das Kind adoptieren darf. Das gilt aber natürlich genau so auch für Ehegatten, insofern greift dieses Argument natürlich nicht durch.
Ein anderes Argument ist - das hat das Oberlandesgericht in Hamm so dargelegt -, dass das gesellschaftliche Erziehungs- und Familienbild nun einmal Vater, Mutter, Kind vorsehe, und natürlich das Kindeswohl, das nach Ansicht vieler gefährdet ist, wenn ein Kind bei zwei Müttern oder zwei Vätern aufwächst.
Hanselmann: Das will ich gleich noch mal ein bisschen genauer wissen mit dem Kindeswohl: Warum ist das denn eigentlich angeblich gefährdet? Die lesbische Schriftstellerin Carolin Emcke sagte hier im "Radiofeuilleton" vor Kurzem zum Thema Regenbogenfamilie und Kindeswohl Folgendes:
Carolin Emcke: Ich vermute, eine der unterdrückt mitschwingenden Vorstellungen ist, na ja, wenn dann so ein Kind bei zwei Frauen aufwächst oder wenn ein Kind bei zwei Männern aufwächst, dann wird das Kind vielleicht schwul. Immer wieder schwingt bei diesen Gesetzgebungsverfahren oder eben bei diesen Politiken, die nach wie vor Homosexuelle benachteiligen, immer diese Angst mit, Kinder könnten bei homosexuellen Eltern aufwachsen, anstatt dass man sich darüber Gedanken macht, wie Kinder in Elternhäusern aufwachsen, wo sie nicht geliebt, wo sie nicht erwünscht, wo sie misshandelt werden.
Hanselmann: Die Angst, dass Kinder von schwulen Eltern selber schwul werden könnten, ist doch völlig irrational, oder?
Gosemärker: Ja, gut, die Angst ist nicht begründet, aber Ängste sind eben einfach irrational. Aber vielleicht sollte ich auf eine Studie kommen, die das Bundesministerium für Justiz in Auftrag gegeben hat: Im Jahre 2006 und 2007 wurden über 1000 Eltern in gleichgeschlechtlichen Regenbogenfamilien befragt und auch die Kinder wurden befragt, und die Auswertung hat ergeben, dass zunächst einmal die Erziehungskompetenz der gleichgeschlechtlichen Eltern genau so gut ist wie die der heterosexuellen Eltern, dass die Kinder ein stärkeres Selbstwertgefühl ausbilden als Kinder aus heterosexuellen Familien, dass vor allem – was ich auch für wichtig halte, was auch eine Sorge vieler Kritiker ist, dass so ein Kind, das bei zwei Müttern aufwächst, nicht genug Männer, männliche Vorbilder hat, dass nachgewiesen ist, dass die gleichgeschlechtlichen Mütter, dass die Mütter den Kindern den Zugang zum Vater, den Kontakt zum Vater, zum Spender, eher gewährleisten und zu anderen männlichen Bezugspersonen, als das Kinder gewährleistet bekommen, die aus Trennungsfamilien kommen.
Das halte ich für sehr wichtig, und sicherlich ist es so, dass Kinder auch gehänselt werden, keine Frage, Diskriminierungserfahrungen werden gemacht, aber es hat sich auch herausgestellt, dass die Kinder nach solchen Erfahrungen von ihren Eltern sehr gut aufgefangen werden und Strategien entwickeln, damit umzugehen.
Hanselmann: Was weiß man denn allgemein darüber, wie in unserem Land über die sogenannten Regenbogenfamilien, über die wir gerade sprechen, gedacht wird? Wir senden hier aus Berlin, wo ich das Gefühl habe, dass solche Familien überwiegend akzeptiert werden inzwischen, auch Patchwork-Familien sind ja seit Langem nichts besonderes mehr.
Gosemärker: Ja, in Berlin haben wir die Großstadtsituation, das ist richtig, aber auch in anderen Städten im Bundesgebiet, dort, wo ich Stiefkindadoptionen durchführe, erfahre ich regelmäßig, dass die Regenbogenfamilien positive Erfahrungen machen, vor allem, wenn sie ganz offen damit umgehen, mit ihrer Lebenssituation. Zwar gibt es oft Verhaltensunsicherheiten bei Behörden, Jugendämtermitarbeiter bei Jugendämtern, auch Lehrer und Erzieher.
Ich weiß aber aus meinen Fortbildungen, die ich durchführe mit Jugendamtsmitarbeitern, mit Pädagogen, mit Sozialpädagogen, dass tatsächlich Unsicherheiten bestehen, aber die begründet sind darin, dass man zu wenig weiß über Regenbogenfamilien, über deren Lebensumstände, und dass das Interesse ganz groß ist, darüber mehr zu erfahren. Und ich glaube, dass die Vorurteile abnehmen werden, je normaler und selbstverständlicher Regenbogenfamilien wahrgenommen werden.
Hanselmann: Die Studie, die Sie genannt haben, gibt Ihnen ja auch völlig recht. Nehmen wir mal an, dieses sukzessive Adoptionsrecht würde vom Bundesverfassungsgericht für durchführbar gehalten, es gäbe ein positives Urteil aus Karlsruhe, hätte das dann auch Wirkung auf andere Fragen der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren?
Gosemärker: Ja, das denke ich schon, das Fremdkindadoptionsverbot wird dann auch nicht mehr zu halten sein, und natürlich wird gehofft, dass eine andere eingreifende Diskriminierung, nämlich die Tatsache, dass eingetragene Lebenspartner nicht zusammen veranlagt werden, also das Ehegattensplitting nicht genießen dürfen, dass das dann auch möglicherweise bald angeglichen wird.
Hanselmann: Wollen Sie spekulieren? Was meinen Sie, wie die Sache ausgehen wird? Wie wird das Verfassungsgericht eines Tages urteilen?
Gosemärker: Nach den bisherigen Erfahrungen mit diesem Senat denke ich, dass die Argumente der Befürworter, dass die Sukzessivkindadoption auch für gleichgeschlechtliche Partner möglich ist, dass die Argumentation durchdringen wird.
Hanselmann: Vielen Dank, Alexandra Gosemärker, Rechtsanwältin und Autorin des Buches "Erst Recht – ein Ratgeber für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften". Dankeschön fürs Gespräch!
Gosemärker: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.