Guter Pop ist adornitisch
Adorno war als Musikphilosoph allen Arten der populären Musik vom Jazz bis zum Rock eher abgeneigt. Gemessen an diesem Umstand erfreut er sich seit langer Zeit – und immer noch – einer erstaunlichen Beliebtheit bei Pop-Schaffenden.
Das Werk des Philosophen Theodor W. Adorno war und ist trotz seiner Komplexität eine Fundgrube für die Popmusik. Aufgrund seiner oft aphoristischen Schreibweise bot sich die Rezeption Adornos geradezu an. "Daraus haben sich viele Zitate und Kalendersprüche ziehen lassen", sagt Jens Balzer.
Der Popkritiker hat prominente Beispiele zum Studiogespräch mitgebracht. So auch von Rainald Grebe, der auf dem Album "1968" sang: "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen". Einer der bekanntesten Sätze Adornos – den dieser aber völlig anders gemeint habe.
Die Hamburger Schule war voll Adorno
Der sogenannte Diskurspop – Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre – sei die Hochzeit der Adorno-Rezeption: Schon der Begriff "Hamburger Schule" habe darauf hingedeutet, dass die Musiker und Songschreiber die geistige und kulturelle Verwandtschaft zur deutschen Sozialphilosophie, zur Frankfurter Schule, gesucht hätten, sagt Balzer. Sie hätten offensiv mit ihrer Belesenheit glänzen wollen.
Diese Art des kulturpessimistischen, intellektuellen Pop von weißen Männern spiele heute nicht mehr die gleiche Rolle wie damals – es gebe aber noch immer starke Spielarten des diskurs- und theoriegesättigten Pop. "Der gute Pop unserer Gegenwart ist – egal was Adorno von der Popmusik hielt - in einem guten und gehaltvollen Sinn adornitisch", findet Popkritiker Balzer.