Hamed Abdel-Samad: Todesurteile gegen Muslimbrüder "Justizmassaker"
Der Publizist und Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad empfindet die über 500 Todesurteile für Muslimbrüder in Ägypten als schwere Hypothek für das Land. Auf diese Weise könne man nicht den Terrorismus bekämpfen, betonte er. Zwar sei die Muslimbruderschaft eine faschistische und terroristische Bewegung und habe viele Ägypter getötet: "Aber 500 Menschen zum Tode zu verurteilen kann keine Lösung sein."
In Ägypten herrsche offenbar gerade Ratlosigkeit, niemand habe ein politisches Konzept. Durch Rachejustiz und Massenverurteilungen verwickle man sich jetzt in die Logik der Terroristen. So erreiche man genau das Gegenteil von dem, was man wolle. Falls es zur Vollstreckung der Urteile komme, gebe es 500 Märtyrer mehr, die dann als Vorbilder für kommende Generationen von Gotteskriegern dienen könnten.
Der Weg, der durch die Todesurteile eingeschlagen worden sei, sei sehr gefährlich, sagte Abdel-Samad. Er räumte ein, selber ratlos zu sein. Die Polarisierung sei in Ägypten extrem, nichts deute auf einen Neuanfang hin, es gebe keine Anzeichen von Versöhnung, zugleich komme ein neuer Nationalismus auf. "Ich sehe da keinen Ausgang", so der Publizist: "Ägypten geht es sehr ( ... ) schlecht momentan."
Die Männer des Landes habe er schon abgeschrieben, sagte er: "Meine letzte Hoffnung sind die Frauen." Besonders die jungen Frauen seien inzwischen gebildeter als früher, hätten ihre Stimme entdeckt und wollten anders leben, ohne Bevormundung und Diktatur. Diese organisierten sich jetzt: "Ich hoffe, dass durch diese Generation von Frauen eine neue Gesellschaft in Ägypten entsteht", sagte er.
Strenggläubige hatten im Juni 2013 zum Mord an Abdel-Samad aufgerufen, nachdem dieser Muslimbruderschaft und Islam bei einem Vortrag in Kairo scharf kritisiert hatte.