Ägypten

Plötzlich wieder Staatsfeind

Der ägyptische Satiriker Bassem Youssef steht in einer Menschenmenge
Seine kritische Sendung "Al-Bernameg" ist mittlerweile abgesetzt: TV-Satiriker Bassem Youssef. © dpa / Khaled Elfiqi
Cornelia Wegerhof im Gespräch mit Christine Watty |
Mit seiner Polit-Satire hat der ägyptische Comedian Bassem Youssef zum politischen Umsturz im Land beigetragen. Jetzt wurde seine Show abgesetzt: Scherze auf Kosten der Militärs kann sich in Ägypten niemand leisten.
Christine Watty: Es gibt ein Video im Internet, da sieht man den ägyptischen Comedian Bassem Youssef in Frack und mit Fliege im Rahmen einer Gala, in der man ihn in den Kreis der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt aufnimmt. Das US-amerikanische Magazin "Time" hat ihn dazu auserwählt. Eine traurig-erfreuliche Situation für den Ägypter dort, also der Glamour, der ihm zuteil wird, weil ihm ein großer Anteil am politischen Umsturz zugeschrieben wird. Seine Sendungen sahen um die 80 Prozent der Bevölkerung, Ziel seiner Scherze waren Präsident Mursi und die Muslimbrüder. Das eigene Land beziehungsweise vor allem die Mursi-Nachfolger, die Militärregierung aber hat keinen Applaus für Bassem Youssef übrig, sein Programm wurde vor wenigen Wochen abgesetzt, als er sich auch die Militärs vornahm. Youssef hat daraufhin das Land verlassen, soll inzwischen aber wieder zurückgekehrt sein.

'Macht den Mund nicht auf' – das scheint also weiter zu gelten in Ägypten, und zwar nicht gegen die Militärregierung, aber auch nicht gegen die entmachteten Muslimbrüder und schon gar nicht gegen die Islamisten im Allgemeinen, wie nicht zuletzt das Verschwinden des deutsch-ägyptischen Schriftstellers Hamed Abdel-Samad bedeuten könnte. Bisher wissen wir weiterhin nicht, wo und unter welchen Umständen er verschwunden ist. Ich begrüße unsere Ägypten-Korrespondentin Cornelia Wegerhoff, guten Tag!
Cornelia Wegerhoff: Guten Tag, Frau Watty!
Watty: Bleiben wir zunächst mal noch beim heutigen Preisträger, Bassem Youssef! Seine Show, die gibt es nicht mehr, wir müssen also zurückblicken. Wie war die denn genau und was hat Bassem Youssef da so alles gesagt beziehungsweise gewagt?
Wegerhoff: Ja, man muss sagen, Bassem Youssef ist eigentlich ein Herzchirurg, also, der war auf dem Tahrir-Platz 2011 bei der Revolution und hat Verletzte, Verwundete mit verarztet. Und damals ist ihm aufgefallen, dass im Fernsehen überhaupt nichts über die Revolution erzählt wurde, und hat angefangen, kleine satirische Videos zu drehen. Daraus wurde dann die Sendung. Und diese Videos hat er immer beibehalten, er hat nämlich Sketsche daraus gemacht, was es an O-Ton-Material, an Originaltönen sozusagen von Politikern, von Verantwortlichen gibt. Wir kennen das so ein bisschen von der "heute-show" im ZDF, das ist ein ganz ähnlicher Stil und da hat er ein Jahr lang Präsident Mursi und die islamistischen Muslimbrüder durch den Kakao gezogen.
Dafür wurde er wie ein Held von den Liberalen gefeiert, damals kam er wegen Präsidentenbeleidigung vor Gericht, da kam er mit einer Geldstrafe davon und Mursi hat dann hinterher sogar noch generös erzählt, da sieht man, dass es doch Pressefreiheit gibt. Aber ganz ehrlich, Bassem Youssef hat sicher einen ordentlichen Beitrag zum politischen Umsturz in Ägypten geleistet. Ja, und als er sich jetzt im Oktober nach vier Monaten Sendepause, also nach dem Sturz Mursis mit seiner Comedy-Show zurückgemeldet hat und plötzlich Scherze über die neue Regierung und das Militär machte, da war er plötzlich wieder der Staatsfeind. Und auch da hat man seinen Humor überhaupt nicht verstanden. In dieser Sendung hat er aufs Korn genommen, dass die Ägypter dem Militär so folgen, dass sie Sisi verehren, dass sie ihn sogar auf Torten und Schokoladen bannen. Und in seiner Sendung hat er nicht nur Späße gemacht, er wurde plötzlich auch ganz ernst.
Bassem Youssef: "Es ist schwer, in diesen Zeiten ironisch zu sein, Comedy zu machen, während Gewalt und Angst herrschen. Aber wir versuchen es trotzdem! Uns hat man gesagt, dass die Revolution nach dem 30. Juni für Demokratie und Meinungsfreiheit gemacht wurde und gegen religiösen Faschismus. Aber wir machen uns Sorgen, dass aus dem religiösen Faschismus nun ein nationaler folgen könnte!"
Militär in Ägypten ist absolutes Tabuthema
Watty: Ein Ausschnitt also aus der inzwischen abgesetzten Comedy-Show von Bassem Youssef. Erstaunlicherweise, Sie haben es beschrieben, Frau Wegerhoff, konnte er unter Mursi ja noch senden. Was hat ihn jetzt genau zum Staatsfeind gemacht?
Wegerhoff: Ja, man muss sich ja wundern! Eigentlich hatte man ja wirklich Freiheit versprochen, wie er gesagt hat, aber die Kritik an den neuen Machthabern, vor allem am Militär, ist in Ägypten ein absolutes Tabuthema. Das Militär hat Ägypten quasi von Mursi befreit, so der allgemeine Tenor, das Militär bekämpft den Terrorismus, das sind natürlich die Muslimbrüder, und selbst die privaten Medien, ja, die lassen keine kritische Stimme laut werden, die verherrlichen das Militär nahezu. Und Bassem Youssef, ganz Chirurg, legt den Finger in die Wunde. Er hat nämlich zum Beispiel zitiert den Armeechef Sisi, dass man im Land überall Hände brauchen würde, um einen Fortschritt zu erzielen, und plötzlich taucht da auch im Fernsehstudio eine Hand auf – da hockt wohl einer von Bassem Youssefs Kollegen unterm Schreibtisch – und fummelt plötzlich mit der Hand am Manuskript rum!
Youssef: "Keiner hat uns vorzuschreiben, was wir sagen! (Die Hand zerknüllt das Manuskript.) Wir werden laut sein, wir wollen Freiheit! (Da haut ihm die Hand ins Gesicht.) Okay, Freiheit in falschen Händen ist auch nicht gut! Die Zeit, dass man Angst vor jemand hat, ist vorbei, keiner kann mir was tun, keiner kann mich berühren! (Und zack, da hat ihm die Hand in den Schritt gegriffen!)"
Wegerhoff: Ja, da hat das Publikum noch gejohlt, aber am Tag drauf war dann Schluss mit lustig, da gab es einen regelrechten Shitstorm, so heißt das ja neuerdings, auf Facebook, Bassem Youssef wurde wieder angezeigt, der Generalstaatsanwalt ermittelt in 30 Fällen und es gab Demonstrationen vor dem kleinen Theater in der Kairoer Innenstadt, wo die Gegner von Bassem Youssef sogar riefen, man solle ihn aufhängen. Und der Sender, der ja immer die 80 Prozent Einschaltquote und ordentlich Werbemillionen eingesackt hat, der soll dem alten Mubarak-Regime nahestehen, der hat sich erst distanziert – man wolle keine nationalen Gefühle oder Symbole des Staates verspotten, aber das sei ja Meinungsfreiheit – aber die nächste Folge hat man eben dann doch gekippt. Und jetzt wartet man gespannt, ob Bassem Youssef – der war nämlich still in der Zwischenzeit, hat wenig gesagt – sich vielleicht in New York heute Abend äußert.
Watty: Er soll das Land dann verlassen haben, nach dieser Absetzung der Sendung, so war es zumindest in den deutschen Medien zu lesen. Sie haben uns berichtet, dass er wohl wieder zurückgekehrt sei nach Ägypten. Ist er denn in akuter Gefahr?
Wegerhoff: Das ist natürlich die große Frage. Man erlebt ja in diesen Tagen wirklich sehr viel Aggression in Kairo, ich bin erst vor Kurzem aus der ägyptischen Hauptstadt zurückgekommen, die Leute sind alle sehr angespannt. Und diese Wut auf Menschen, die jetzt sozusagen das Militär kritisieren, die ist enorm, die ist erschreckend groß. Man wundert sich darüber, dass die Meinungsfreiheit genauso wieder den Bach runtergegangen ist wie eben zur Zeit Mursis. Also, von Revolution und freier Meinung kann da immer noch nicht die Rede sein.
Watty: Es gibt jetzt Bemühungen der Deutschen Welle, Bassem Youssef zu übernehmen. Was wissen Sie darüber?
Wegerhoff: Ja, ganz tolle Sache! Man war völlig erstaunt, es ging durch die arabischen Medien das Gerücht, die Deutsche Welle, der deutsche Auslandssender mit Sitz in Bonn würde vielleicht die Bassem-Youssef-Show übernehmen, da wurden sogar schon die Zahlen genannt, wie viel hunderttausend Dollar da gezahlt werden würden. Die Deutsche Welle hat das bestätigt, nicht die hunderttausend Dollar, aber hat gesagt, wir führen tatsächlich für unser arabisches Fernsehprogramm – die Deutsche Welle sendet zehn Stunden täglich arabisches Fernsehprogramm – Gespräche mit diesem Politiksatiriker, mit diesem TV-Star, den man da zum Schweigen gebracht hat, und es hieß, die Deutsche Welle wolle damit ein Zeichen für die Freiheit und gegen Zensur und Medienrepression setzen. Jetzt muss man mal gucken, ob man sich da auch einig werden kann.

Der deutsch-ägyptische Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad
Der deutsch-ägyptische Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad ist spurlos verschwunden.© picture alliance / dpa / Stephanie Pilick
Einfluss der Intellektuellen sehr gering
Watty: Sagt unsere Ägypten-Korrespondentin Cornelia Wegerhoff im "Radiofeuilleton" im Deutschlandradio Kultur. Sie haben es schon angesprochen, mit der Meinungsfreiheit in Ägypten ist es weiterhin wirklich ziemlich weit her. Was tun denn im Moment die Kulturschaffenden? Also, gerade wenn es um so Fälle wie Bassem Youssef geht. Als Präsident Mursi an der Macht war, da ging man noch auf die Straße, es gab den Opernstreik, das ägyptische Kulturministerium war besetzt. Und jetzt, was ist jetzt los?
Wegerhoff: Ich war doch sehr erstaunt, wie wenig man hörte, als ich da in Kairo war. Die Stimmen sind wirklich alle verstummt. Ich habe mit Leuten in der Oper gesprochen, da haben mir die Künstler so ein bisschen kryptisch gesagt, 'jetzt ist nicht die Zeit, um Kritik zu üben'. Und das bezieht sich eben darauf, dass man sagt, das Militär hat quasi Ägypten gerettet, es war das Militär, die Generäle, Militärchef Sisi haben uns bei dieser neuen Revolution – so sehen es die Ägypter ja, sie reden nicht von einem Militärsturz, sie sprechen von einer Revolution, weil Millionen Menschen auf der Straße waren – und diese Retter, diese Helden, in Anführungszeichen, die können wir jetzt nicht kritisieren, die sind im Kampf gegen diesen Terrorismus. Und das ist natürlich ziemlich heikel, weil, wie gesagt, so wie Bassem Youssef es formuliert hat, da wohl eine neue Diktatur entstehen könnte. Die Gefahr besteht, wenn nun nicht schnelle Schritte auf die Demokratie hin gerichtet werden.
Und ich habe zum Beispiel gesprochen mit Mohamed Hashem, ein sehr renommierter Verleger in Kairo, der auch vom deutschen PEN-Zentrum 2011 ausgezeichnet wurde für sein Engagement für Menschenrechte und die Revolution, der gesagt hat, das gibt es doch nicht, ich werde dieses Land verlassen – hinterher hat er sich das noch mal überlegt – wie kann es sein, dass wir von einer religiösen, islamistischen, fanatischen Diktatur wieder sofort umschwenken und sofort wieder den Generälen hinterherlaufen und uns wieder diktieren lassen, so geht das nicht! Und man hört aber diese Stimmen nur sehr, sehr leise, solche Intellektuellen sind kaum zu hören. Deshalb war das mit Bassem Youssef so spektakulär, die Menschen, 30 bis 40 Prozent der Ägypter können nicht lesen und schreiben, die gucken dann tatsächlich Fernsehen, deshalb war sein Einfluss so groß, aber der Einfluss der Intellektuellen ist leider sehr klein in diesem Augenblick, in diesen kritischen Wochen in Ägypten, und man hört sie wirklich sehr, sehr schwach.
Weiter keine Neuigkeiten zum Fall Abdel-Samad
Watty: Ein wenig anders gelagert als der Fall rund um Bassem Youssef, aber nicht minder besorgniserregend ist die Geschichte um den deutsch-ägyptischen Schriftsteller Hamed Abdel-Samad, er ist seit zwei Tagen verschwunden. Schon einige Zeit zuvor erging eine Fatwa, die von Salafisten ausgesprochen wurde. Gibt es hier irgendetwas Neues?
Wegerhoff: Nein, bisher haben wir noch keine Meldung, ob es sich tatsächlich um eine Entführung handelt und ob es irgendwelche Neuigkeiten von ihm gibt. Man hat noch keinerlei Lebenszeichen von Hamed Abdel-Samad. Es ist sehr erschreckend und man macht sich große Sorgen, das Auswärtige Amt hat einen Krisenstab gebildet, vor Ort arbeitet man eng mit den Behörden zusammen. Aber sein Bruder ist sehr besorgt, weil, es gab eben diese Drohung, ihn umzubringen, diese Fatwa, und es sind radikal islamische Fanatiker, Salafisten waren das im Sommer, die gedroht haben und ihn sozusagen vogelfrei erklärt haben, wenn ihr diesen Mann seht, der ist tot! Das wurde auf sein Gesicht geschrieben auf den entsprechenden Internetseiten. Und er hat Bodyguards dabei gehabt, als er in Kairo unterwegs war, hat sich dann aber ohne Bodyguard im Azhar-Park, in einem großen Park in Kairo mit jemand getroffen, vorher aber schon erzählt, da verfolgt mich jemand, da ist ein schwarzes Auto hinter ihm her. Sein Bruder hat gesagt, eine Viertelstunde später war das Handy ausgeschaltet, seitdem erreichen wir ihn nicht mehr. Leider gibt es keine neuen, besseren Nachrichten über das Verbleiben von Hamed Abdel-Samad.
Watty: Danke schön an unsere Ägypten-Korrespondentin Cornelia Wegerhoff! Wir haben gesprochen über die Situation in Ägypten und speziell über den Comedian Bassem Youssef und über den deutsch-ägyptischen Schriftsteller Hamed Abdel-Samad. Schöne Grüße an Sie und vielen Dank für das Gespräch!
Wegerhoff: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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