Fünf Minuten Licht in der portugiesischen Tristesse
Die Sendung des portugiesischen Radiomoderators José Duarte feiert sein 50-jähriges Bestehen und ist damit die älteste Radioshow Europas. Mit "5 minutos" hat Duarte Generationen von Portugiesen die Liebe zum Jazz gelehrt.
Erst das Fill-In, dann die Tom und dann eine Radiostimme, die ganz Portugal kennt. Im Februar 1966 bastelte ein 27-jähriger Jazzfan an seinem ersten Jingle – und wusste nicht dass, er ein halbes Jahrhundert später immer noch den gleichen Einstieg in sein Programm wählen würde. José Duarte erinnert sich an einen Anruf, der sein Leben und den Jazz in Portugal für immer veränderte:
"Ein Freund von mir hatte damals eine Sendung im katholischen Rundfunk Radio Renascença. Die 23. Stunde hieß das einstündige Musikprogramm und ging bis Mitternacht. Es war eine sehr beliebte Sendung und hatte eine fantastische Quote. Er rief mich also an und sagte: Hey, Zé, willst du nicht eine Jazzsendung machen, ich habe fünf Minuten für dich. Und da sagte ich: Ja klar, gerne, aber fünf Minuten ist viel zu wenig."
"Cinco minutos de Jazz" wurde zu einer Lehrstunde für viele Portugiesen, die in den 1960er-Jahren immer noch nichts über die amerikanische Musik wussten. In Portugal war der erzkonservative Diktator Salazar an der Macht, und er glaubte, dass außer Fußball und Fado die Portugiesen nicht viel mehr zum Leben brauchten. José Duarte sah das anders. Er war bereits 1958 einer der Mitbegründer des ersten Studenten-Jazz-Clubs gewesen, der später verboten wurde.
"Als ich mit der Sendung anfing, bekam ich anonyme Drohbriefe aus reaktionären Kreisen. Rassismus war in Portugal weit verbreitet, und das Regime kämpfte ja in den Kolonien in Afrika gegen die Unabhängigkeitsbewegungen. Und ich kam auf einmal daher und machte jeden Tag Werbung für eine Musik mit afroamerikanischen Wurzeln. Das hat ihnen nicht gefallen. Ich habe vom Regime nie direkt was gehört, aber die Geheimpolizei hat mich immer beobachtet."
Duarte spielt immer einen Song und erklärt seinem Publikum Instrumente, Musiker und Label. Das Format von Cinco minutos de Jazz veränderte sich nie. Und trotzdem ging die Zeitgeschichte nicht spurlos an der Sendung vorbei. In der heißen Phase der Nelkenrevolution, die in den 1970er-Jahren Portugal schließlich die Demokratie bringen sollte, verübten linksgerichtete Kräfte einen Bombenanschlag auf die Sendemasten des katholischen Radiosenders und brachten auch die Jazzsendung vorübergehend zum Schweigen. Anfang der 1990er-Jahre wechselte José Duarte mit seiner täglichen Jazzsendung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk RDP. Ein Ende ist nicht in Sicht.
"Anlässlich des Sendejubiläums habe ich vor Kurzem mit den Programmmachern meines Senders RDP zusammengesessen. Und sie haben mir einen lebenslangen Vertrag angeboten. Das heißt, die Sendung Cinco hört erst auf, wenn ich sterbe."
Lou Donaldson konnte nicht nach Portugal kommen
Fast wäre diese außergewöhnliche Radiogeschichte jedoch nie geschrieben worden. Denn im Jahr 1963, also noch bevor José Duarte seine Sendung auf den Weg brachte, erhielt der damals 23-Jährige ein verlockendes Angebot von einer wahren Jazzgröße. Duarte arbeitete damals bei einer Airline:
"Mein Job bei der Fluggesellschaft TAP war, die Leute vom Flugzeug abzuholen. Louis Armstrong kam aus Afrika zu seinem einzigen Konzert nach Lissabon. Ich habe ihn die Tage über begleitet, aber habe nie groß herausposaunt, dass ich was von Jazz verstehen würde. Aber der alte Armstrong hat es trotzdem gemerkt. Und er mochte mich, und seine Frau Lucille mochte mich auch. Bevor sie dann wieder weg sind, hat er mir gesagt, ich solle im Hotel zu seinem Anwalt gehen und das Flugticket und Taschengeld abholen. Die Armstrongs wollte mich mit nach New York nehmen."
José Duarte ging nicht nach Amerika. Und für den Jazz in Portugal war das ein Glücksfall. Das 50. Jubiläum seiner Sendung wird in Lissabon in diesen Tagen groß gefeiert. Und fast wäre sogar der Musiker zu einem Konzert gekommen, den José Duarte seit einem halben Jahrhundert jeden Tag anspielt.
"Lou Donaldson wollte eigentlich zum Jubiläumskonzert kommen. Er war festentschlossen, denn er hat gesagt: Da ist ein Typ, der ist so alt wie ich, in einem Land, von dem ich nicht weiß, wo es liegt, und er macht seit 50 Jahren Werbung für mich. Den muss ich kennenlernen. Leider hat sein Arzt ihm dann doch verboten, nach Portugal zu kommen."