"Ärzte, ihr seid keine Schneidemaschinen!"
Sie verlangen eine breite gesellschaftliche Debatte über die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen und verlangen mehr Aufklärung. Ärzte und Kinderschützer halten die Beschneidung von minderjährigen Jungen für weit weniger harmlos als gemeinhin angenommen wird.
Es waren die Gegner der Beschneidung, die sich heute zu Wort meldeten, die sich dennoch nicht für ihr Verbot aussprachen, denn: Verboten sei die Beschneidung ja schon, hieß es, wie das Urteil des Landgerichts Köln gezeigt habe.
Natürlich aber wisse man, wie komplex das Thema sei: Natürlich sei die freie Religionsausübung ebenso ein grundlegendes Menschenrecht wie die körperliche Unversehrtheit, auch das Elternrecht spiele eine Rolle – und das alles vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der besonderen Verantwortung für jüdisches Leben in Deutschland.
Um hier zu Antworten zu finden, sei ein "gesetzgeberischer Schnellschuss" der falsche Weg, sagte Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. Nötig sei eine in Ruhe geführte, sachliche Debatte, die aber sei nicht gewollt: Für den Gesetzgeber stehe bereits fest, die Beschneidung schon in den nächsten Wochen unter bestimmten Auflagen zu erlauben.
"Die Politik hat einen Grundkonsens verlassen. Der Grundkonsens war: Wenn es ein schwieriges gesellschaftliches Thema gibt wie beispielsweise die PID oder das Thema Organspende, dann gab es Ethikkommissionen, dann gab es Runde Tische, dann gab es eine breite gesellschaftliche Debatte, es gab parlamentarische Anhörungen mit Experten.
All dies ist bei diesem schwierigen Thema im Moment nicht der Fall. Das Motto scheint zu heißen: Augen zu und durch. In einem beispiellosen Beschluss hat der Deutsche Bundestag in der Sommerpause anlässlich einer Sondersitzung, wo es um ein ganz anderes Thema ging, nämlich um die Finanzkrise, einen Beschluss gefasst, in dem es heißt: Wir werden ein Gesetz machen, wie wissen wir nicht, aber das Ergebnis steht fest."
Gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, dem Bund deutscher Kriminalbeamter, der Menschenrechtsorganisation Terre des femmes, dem Humanistischen Verband Deutschlands und dem Bund katholischer Ärzte habe man eine Petition an den Deutschen Bundestag gerichtet.
"Aber auch der Umgang des Deutschen Bundestages mit dieser Petition zeigt, eine Debatte ist nicht gewünscht. Denn bis jetzt – Stand 10 Uhr – ist es immer noch nicht möglich gewesen, diese Petition auf der Seite des Deutschen Bundestages als e-petition einzustellen, denn es geht ja darum, den Menschen in diesem Land eine Gelegenheit zu geben, der Politik zu zeigen: Lasst eine Debatte zu!
Der erste Antrag ist abgelehnt worden, nach dem jetzt durch Gespräche mit dem Präsidium, Gespräche mit Abgeordneten gibt es Signale, es soll zugelassen werden – bis jetzt können die Bürger nur unter www.diepetition.de diese Petition zeichnen - wir hoffen, dass wir hier zu einer Debatte kommen können."
Ulrich Fegeler, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, beklagte, in welch geringem Masse die bisherigen Diskussionen und Erklärungen auf gesicherten Fakten beruhen würden. Aufklärung sei dringend nötig über diesen "gefährlichen" Eingriff von "ungeheurer Nachhaltigkeit": Dass etwa die Vorhaut mehr oder weniger überflüssig wäre, sei völlig falsch.
"Das ist nicht ein unnützes Stück Haut, was die Evolution sozusagen vergessen hat zu entfernen. Sondern das ist ein Stückchen Haut mit besonderen Fähigkeiten. Es gibt kein anderes Organ des Körpers mit einer solch hochgradig ausgestatteten Berührungsempfindlichkeit wie die Vorhaut. Darüber hinaus hat es eine wichtige Funktion in Bezug auf den Schutz der Eichel, das heißt sie hält sie feucht, und sie hält sie empfindlich. Also einfach so zu tun, das ist ein unnützes Stück Gewebe und Schnippschnapp ist es weg - das ist einfach falsch."
Und Irmingard Schewe-Gerigk, Vorstandsvorsitzende von "Terre des femmes" verwies auf den oft zu hörenden Satz, die Beschneidung der Jungen sei mit der Genitalverstümmelung der Mädchen nicht zu vergleichen.
"Terre des femmes kämpft seit 30 Jahren gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Es gibt bestimmte Formen, die kann man nicht mit der männlichen Beschneidung vergleichen, ich nenne nur die Form, die sogenannte pharaonische, wo die Klitoris entfernt wird, die inneren und äußeren Schamlippen, alles zugenäht wird und nur eine kleine Öffnung bleibt: da ist keine Möglichkeit des Vergleichs.
Es gibt aber auch Formen, die beschneiden nur die Vorhaut an der Klitoris. So – das ist durchaus vergleichbar mit der männlichen Beschneidung und ich frage mich allen Ernstes, wie die Justizministerin es schaffen will, ein Gesetz zu machen, das eine rituelle Beschneidung bei Jungen erlaubt, und das Gleiche bei Mädchen verbietet."
Aus Israel war Eran Sadeh angereist, der Gründer der israelischen Kinderschutzorganisation "Protect the Child" und erinnerte daran, dass es auch in seinem Land scharfe Kritiker der gängigen Praxis gäbe. Die in Deutschland diskutierte Regelung, Beschneidungen unter Auflagen zuzulassen, lehnte er ab.
"Eine Zustimmung der Eltern ist ungültig. Ohne medizinische Notwendigkeit können Eltern die Amputation eines gesunden Körperteils ihres Kindes nicht autorisieren! Ärzte, ihr seid keine Schneidemaschinen! Ihre berufliche Verpflichtung ist es zu heilen: Wenn Sie ein gesundes Kind vor sich haben, ob ein Junge oder ein Mädchen, schneiden Sie ihm keine Teile seines Körpers ab... Der einzige legale und ethisch vertretbare Weg, aus diesem Rechtskonflikt herauszufinden, ist, die Beschneidung erst in einem Alter zuzulassen, wenn jemand wirklich selber entscheiden kann, ob ein Teil seines Penis amputiert werden soll."
Eindringlich warb auch Eran Sadeh dafür, die Frage der Beschneidung mit all ihren Implikationen zu diskutieren. Das Leiden der Juden im Holocaust könnte keine Begründung dafür sein, diese Debatte zu unterlassen.
Natürlich aber wisse man, wie komplex das Thema sei: Natürlich sei die freie Religionsausübung ebenso ein grundlegendes Menschenrecht wie die körperliche Unversehrtheit, auch das Elternrecht spiele eine Rolle – und das alles vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der besonderen Verantwortung für jüdisches Leben in Deutschland.
Um hier zu Antworten zu finden, sei ein "gesetzgeberischer Schnellschuss" der falsche Weg, sagte Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. Nötig sei eine in Ruhe geführte, sachliche Debatte, die aber sei nicht gewollt: Für den Gesetzgeber stehe bereits fest, die Beschneidung schon in den nächsten Wochen unter bestimmten Auflagen zu erlauben.
"Die Politik hat einen Grundkonsens verlassen. Der Grundkonsens war: Wenn es ein schwieriges gesellschaftliches Thema gibt wie beispielsweise die PID oder das Thema Organspende, dann gab es Ethikkommissionen, dann gab es Runde Tische, dann gab es eine breite gesellschaftliche Debatte, es gab parlamentarische Anhörungen mit Experten.
All dies ist bei diesem schwierigen Thema im Moment nicht der Fall. Das Motto scheint zu heißen: Augen zu und durch. In einem beispiellosen Beschluss hat der Deutsche Bundestag in der Sommerpause anlässlich einer Sondersitzung, wo es um ein ganz anderes Thema ging, nämlich um die Finanzkrise, einen Beschluss gefasst, in dem es heißt: Wir werden ein Gesetz machen, wie wissen wir nicht, aber das Ergebnis steht fest."
Gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, dem Bund deutscher Kriminalbeamter, der Menschenrechtsorganisation Terre des femmes, dem Humanistischen Verband Deutschlands und dem Bund katholischer Ärzte habe man eine Petition an den Deutschen Bundestag gerichtet.
"Aber auch der Umgang des Deutschen Bundestages mit dieser Petition zeigt, eine Debatte ist nicht gewünscht. Denn bis jetzt – Stand 10 Uhr – ist es immer noch nicht möglich gewesen, diese Petition auf der Seite des Deutschen Bundestages als e-petition einzustellen, denn es geht ja darum, den Menschen in diesem Land eine Gelegenheit zu geben, der Politik zu zeigen: Lasst eine Debatte zu!
Der erste Antrag ist abgelehnt worden, nach dem jetzt durch Gespräche mit dem Präsidium, Gespräche mit Abgeordneten gibt es Signale, es soll zugelassen werden – bis jetzt können die Bürger nur unter www.diepetition.de diese Petition zeichnen - wir hoffen, dass wir hier zu einer Debatte kommen können."
Ulrich Fegeler, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, beklagte, in welch geringem Masse die bisherigen Diskussionen und Erklärungen auf gesicherten Fakten beruhen würden. Aufklärung sei dringend nötig über diesen "gefährlichen" Eingriff von "ungeheurer Nachhaltigkeit": Dass etwa die Vorhaut mehr oder weniger überflüssig wäre, sei völlig falsch.
"Das ist nicht ein unnützes Stück Haut, was die Evolution sozusagen vergessen hat zu entfernen. Sondern das ist ein Stückchen Haut mit besonderen Fähigkeiten. Es gibt kein anderes Organ des Körpers mit einer solch hochgradig ausgestatteten Berührungsempfindlichkeit wie die Vorhaut. Darüber hinaus hat es eine wichtige Funktion in Bezug auf den Schutz der Eichel, das heißt sie hält sie feucht, und sie hält sie empfindlich. Also einfach so zu tun, das ist ein unnützes Stück Gewebe und Schnippschnapp ist es weg - das ist einfach falsch."
Und Irmingard Schewe-Gerigk, Vorstandsvorsitzende von "Terre des femmes" verwies auf den oft zu hörenden Satz, die Beschneidung der Jungen sei mit der Genitalverstümmelung der Mädchen nicht zu vergleichen.
"Terre des femmes kämpft seit 30 Jahren gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Es gibt bestimmte Formen, die kann man nicht mit der männlichen Beschneidung vergleichen, ich nenne nur die Form, die sogenannte pharaonische, wo die Klitoris entfernt wird, die inneren und äußeren Schamlippen, alles zugenäht wird und nur eine kleine Öffnung bleibt: da ist keine Möglichkeit des Vergleichs.
Es gibt aber auch Formen, die beschneiden nur die Vorhaut an der Klitoris. So – das ist durchaus vergleichbar mit der männlichen Beschneidung und ich frage mich allen Ernstes, wie die Justizministerin es schaffen will, ein Gesetz zu machen, das eine rituelle Beschneidung bei Jungen erlaubt, und das Gleiche bei Mädchen verbietet."
Aus Israel war Eran Sadeh angereist, der Gründer der israelischen Kinderschutzorganisation "Protect the Child" und erinnerte daran, dass es auch in seinem Land scharfe Kritiker der gängigen Praxis gäbe. Die in Deutschland diskutierte Regelung, Beschneidungen unter Auflagen zuzulassen, lehnte er ab.
"Eine Zustimmung der Eltern ist ungültig. Ohne medizinische Notwendigkeit können Eltern die Amputation eines gesunden Körperteils ihres Kindes nicht autorisieren! Ärzte, ihr seid keine Schneidemaschinen! Ihre berufliche Verpflichtung ist es zu heilen: Wenn Sie ein gesundes Kind vor sich haben, ob ein Junge oder ein Mädchen, schneiden Sie ihm keine Teile seines Körpers ab... Der einzige legale und ethisch vertretbare Weg, aus diesem Rechtskonflikt herauszufinden, ist, die Beschneidung erst in einem Alter zuzulassen, wenn jemand wirklich selber entscheiden kann, ob ein Teil seines Penis amputiert werden soll."
Eindringlich warb auch Eran Sadeh dafür, die Frage der Beschneidung mit all ihren Implikationen zu diskutieren. Das Leiden der Juden im Holocaust könnte keine Begründung dafür sein, diese Debatte zu unterlassen.