Ärztemangel

Deutschlands Lösung macht Rumänien krank

Ein Arztkittel und Stethoskop hängt an einer Garderobenständer.
Ausgebildet auf Kosten ihrer Heimatländer, arbeiten jetzt viele Mediziner und Ärztinnen aus Rumänien, Bulgarien oder der Ukraine in Deutschland. © dpa
Von Markus Bauer |
Länder wie Rumänien leiden darunter, dass viele Mediziner und Ärztinnen nach Deutschland gehen. In den Herkunftsländern hat dieser "brain drain" jedoch Folgen, die auch der Europäischen Union gefährlich werden können, warnt Markus Bauer.
Aus Griechenland kommen neben der erfreulichen Nachricht von der allmählichen finanziellen Erholung auch weniger gute: dass in den letzten Jahren das Land viele Ärzte verloren hat, die nach Westeuropa und vor allem auch nach Deutschland abgewandert sind. Auch deshalb habe sich die medizinische Versorgung in Griechenland verschlechtert. Eine Nachricht, die genau so seit über zehn Jahren für zahlreiche Länder des früheren Ostblocks gilt.
Wenn also Ihr Arzt, Ihre Ärztin Griechisch, Rumänisch, Bulgarisch oder Polnisch spricht, dann ist dies ein Anzeichen dafür, dass sie oder er zwar in einem anderen Land mit einigem Aufwand an Steuergeldern bis zum medizinischen Abschluss gebracht wurde, nun aber hierzulande das Gesundheitssystem bereichert. Während umgekehrt kaum jemand zum Beispiel in das rumänische Gesundheitssystem einwandert.

Ein "brain drain" vom Rand Europas ins Zentrum

Dass dies gravierende Folgen in den Herkunftsländern hat, dürfte unmittelbar einsichtig sein. Das Zentrum Europas mag von diesem "brain drain" an den Rändern Europas profitieren. Dort aber leiden nicht nur die Patienten unter den Folgen. Dort wird diese Ungleichmäßigkeit mittlerweile zu einer Gefahr für das europäische Projekt.
Während Deutschland es sich seit langem in der Mitte schön kuschelig macht und den eigenen Ärztemangel auch mit osteuropäischen Fachkräften lindert, während Deutschland also von den ökonomischen Effekten der europäischen Einigung und der Euro-Zone profitiert, währenddessen wachsen in den entfernteren EU-Regionen die strukturellen Probleme.
Denn die Sogwirkung zieht nicht nur Ärztinnen an. Seit der Wende vor bald drei Jahrzehnten haben Millionen von Menschen ihre Herkunftsländer verlassen: die Ukraine, Rumänien, die Republik Moldau, Bulgarien, den Balkan. Sie wollten sich im Westen eine Zukunft erarbeiten. Zurück blieben die Familien dieser Menschen: Millionen von Kindern in der mehr oder weniger behütenden Obhut von Großeltern, Onkeln und Tanten oder Freunden.

Eine neue europafeindliche Sprengkraft

Und diese Abwanderung hatte vielfältige weitere Effekte in den Herkunftsländern. Auch positive. Denn mit den Erfahrungen in den westlichen Demokratien haben sich die Ansprüche an die heimische Politik verändert. In Rumänien kam es Anfang August zu einer gewalttätigen Demonstration, als die Diaspora gegen das Regime der korrupten Elite protestierte.
Doch die Jandarmeria reagierte mit Reizgasen und Schlagstöcken, was über 400 Menschen in die Krankenhäuser brachte. Auch ein Kamerateam des Österreichischen Rundfunks wurde geschlagen, so wie bei früheren Protesten gegen die Regierung ein deutscher Journalist grundlos verhaftet wurde – alles Vorgänge, die vorher im EU-gläubigen Rumänien so kaum zu beobachten waren. Und die darauf hinweisen, dass hier der Gegensatz von Diaspora und Zurückgebliebenen eine gefährliche Sprengkraft entwickelt.
Die regierende postkommunistische PSD nennt die Protestierer mittlerweile "Ausländer". Sie verleumdet den Staatspräsidenten Klaus Johannis aus der deutschen Minderheit als "Nazi" und als "Fremden". Alle berechtigten Reformansprüche werden so als von außen gesteuert diffamiert.
Dass zugleich das Gesundheitssystem auch durch Abwanderung von Personal vom Kollaps bedroht ist, lässt die Europa-Perspektive im eigenen Land allmählich erodieren. Wenn die Proteste gegen die korrupten Eliten nicht zum Erfolg führen und wenn nicht zugleich auch die Infrastruktur verbessert wird, wird die Anti-EU-Rhetorik den Sieg davon tragen. Dann lassen Polen und Ungarn grüßen. Es könnte das Ende der EU bedeuten.

Markus Bauer, 1959 im Saarland geborener Buchautor und Journalist, lebte nach Studium der Germanistik und Geschichte fünf Jahre als DAAD-Lektor in Rumänien. Seitdem ist die Geschichte dieses Landes häufiger Gegenstand seiner journalistischen und publizistischen Arbeit. Er schreibt u.a. auf der Website kultro.de und regelmäßig in der NZZ zu kulturellen rumänischen Themen. Ein Buch zur Kulturgeschichte des Karpatenlandes erschien 2009 im Transit Verlag Berlin, zwei Anthologien zur rumänischen Moldau und ihrer Hauptstadt Iaşi (Jassy) im Wieser Verlag Klagenfurt 2018.

© Markus Bauer
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