Ästhetik der Massenkultur
Popsongs, Fernsehshows, Werbeplakate. Der Brite Phil Collins zitiert für seine für seine Kunstaktionen die Massenmedien. Im Museum Ludwig in Köln eröffnet eine Werkschau des Künstlers, der in Berlin lebt und seit zwei Jahren als Professor an der Kölner Kunsthochschule für Medien lehrt.
Deplatziert und ein bisschen schäbig sehen die zwei altmodischen Wohnwagen aus, die Phil Collins in den größten Ausstellungsraum im Kölner Museum Ludwig gestellt hat, in den sogenannten Heldensaal. Innen die perfekte Spießeridylle: dunkelbraune Schränke in "altdeutsch", samtbezogene Sitzbänke und als beherrschendes Element ein großer Fernseher.
Grell geschminkte Moderatorinnen bemühen sich reißerisch um das Interesse der Zuschauer. Man glaubt, man sei in eine Verkaufsshow auf einem kommerziellen Kanal geraten. Aber was man dann hört, ist eher Publikumsbeschimpfung als der Versuch, Quote zu machen.
Auch was man in dieser Verkaufsshow angeboten bekommt, ist alles andere als marktgängig. Ein Verhör in Stasi-Manier zum Beispiel.
"This unfortunate thing between us" nannte Phil Collins dieses Video einer Aktion, die 2011 im Berliner Theater Hebbel am Ufer stattgefunden hat und damals live auf ZDF Kultur ausgestrahlt wurde. An einem Abend ging eine Verkaufsshow über die Bühne, die Erlebnisse wie das Verhör, die Mitwirkung in einem Pornofilm oder die Ausgestaltung der eigenen Sterbeszene feilbot. Am nächsten Abend wurden diese Ereignisse inszeniert: in den Hauptrollen die Käufer, die für 9,99 Euro den Zuschlag erhalten hatten.
Phil Collins, Jahrgang 1970, spielt in seinen Foto- und Videoarbeiten subversiv mit der Ästhetik der Popkultur, mit den Hochglanzoberflächen der Unterhaltungsindustrie. Er zitiert die Massenmedien wie Fernsehen und Popmusik, und zwar in technischer Perfektion, mit hochprofessionellen Darstellern und Musikern, in aufwändigen Inszenierungen. Aber die Botschaft stellt er auf den Kopf.
Wo der bunte Glamour sonst konsumiert wird, um von der Realität abzulenken, da transportiert er bei Collins Widersprüche und gesellschaftliche Probleme. Kuratorin Anna Brohm:
"Ich glaube, es gibt keine Arbeit von ihm, die explizit politische Gedanken formuliert, die man sofort greifen kann. Das funktioniert eher subtil in der Beschäftigung, in welche Szenen er eintaucht, um seine Arbeiten zu machen und mit wem er kooperiert, wie er seine Arbeiten umsetzt im Team – insofern denke ich schon, dass er politisch ist."
Wie sehr Collins‘ mediale Kunst in der Realität verankert ist, zeigt auch seine jüngste Arbeit, die für die Kölner Ausstellung entstanden ist. Für diese Audio-Installation hat der Künstler Material gesammelt in einer Telefonzelle, die er in der Obdachlosenstation "Gulliver" am Hauptbahnhof aufgestellt hatte. Diejenigen, die bereit waren an seinem Kunstprojekt teilzunehmen, konnten dort kostenlos telefonieren, wohin sie wollten. Das dabei aufgezeichnete, anonymisierte Material gab Collins an Musiker weiter, die daraus Songs entwickelten.
Anna Brohm: "Das ist eine Sache, die einen persönlichen Hintergrund hat. Er hat damals in London für ein Obdachlosenmagazin gearbeitet. Grundsätzlich ging es ihm darum zu zeigen, wie viele Menschen von überallher Teil der Stadt sind. Extrem viele Menschen aus Osteuropa, die man als Gruppe der Bevölkerung gar nicht präsent hat."
In gläsernen Kabinen, die Collins im Museum aufgestellt und mit Fotos, Handzetteln und Plakaten zu dieser Aktion ausgestattet hat, können die Besucher Platten auflegen und den melancholischen, anrührenden Balladen lauschen, die von den aufgezeichneten Gesprächen inspiriert sind.
Dabei schauen sie aus den Fenstern des Museums über die Gleise des Kölner Hauptbahnhofs; an den Ort, wo das, was sie jetzt in künstlerischer Umgebung und Vermittlung erleben, alltägliche harte Realität gewesen ist.
Die Kölner Ausstellung ist mit zwei Foto- und zwei Videoinstallationen und der neuen Audioarbeit nicht sehr umfangreich, aber sie macht den künstlerischen Ansatz von Collins auf spannende Weise deutlich. Sie vermeidet die entmutigende Überforderung, die man erlebt, wenn in Ausstellungen von Medienkunst in vielen dunklen Kabinetten stundenlange Filme laufen. In Köln hat der Besucher Raum und Zeit, sich auf die einzelnen Geschichten einzulassen, die der Künstler erzählt. Und die Widersprüche zwischen der Realität und der medialen Vermittlung nachzuvollziehen, die sie auf ganz unterschiedliche Art thematisieren.
Service:
Die Ausstellung "Phil Collins. In every dream home a heartache" eröffnet am 17.4.2013 um 20 Uhr im Museum Ludwig in Köln. Vom 18.4. bis 21.7.2013 ist sie für das Publikum geöffnet.
Grell geschminkte Moderatorinnen bemühen sich reißerisch um das Interesse der Zuschauer. Man glaubt, man sei in eine Verkaufsshow auf einem kommerziellen Kanal geraten. Aber was man dann hört, ist eher Publikumsbeschimpfung als der Versuch, Quote zu machen.
Auch was man in dieser Verkaufsshow angeboten bekommt, ist alles andere als marktgängig. Ein Verhör in Stasi-Manier zum Beispiel.
"This unfortunate thing between us" nannte Phil Collins dieses Video einer Aktion, die 2011 im Berliner Theater Hebbel am Ufer stattgefunden hat und damals live auf ZDF Kultur ausgestrahlt wurde. An einem Abend ging eine Verkaufsshow über die Bühne, die Erlebnisse wie das Verhör, die Mitwirkung in einem Pornofilm oder die Ausgestaltung der eigenen Sterbeszene feilbot. Am nächsten Abend wurden diese Ereignisse inszeniert: in den Hauptrollen die Käufer, die für 9,99 Euro den Zuschlag erhalten hatten.
Phil Collins, Jahrgang 1970, spielt in seinen Foto- und Videoarbeiten subversiv mit der Ästhetik der Popkultur, mit den Hochglanzoberflächen der Unterhaltungsindustrie. Er zitiert die Massenmedien wie Fernsehen und Popmusik, und zwar in technischer Perfektion, mit hochprofessionellen Darstellern und Musikern, in aufwändigen Inszenierungen. Aber die Botschaft stellt er auf den Kopf.
Wo der bunte Glamour sonst konsumiert wird, um von der Realität abzulenken, da transportiert er bei Collins Widersprüche und gesellschaftliche Probleme. Kuratorin Anna Brohm:
"Ich glaube, es gibt keine Arbeit von ihm, die explizit politische Gedanken formuliert, die man sofort greifen kann. Das funktioniert eher subtil in der Beschäftigung, in welche Szenen er eintaucht, um seine Arbeiten zu machen und mit wem er kooperiert, wie er seine Arbeiten umsetzt im Team – insofern denke ich schon, dass er politisch ist."
Wie sehr Collins‘ mediale Kunst in der Realität verankert ist, zeigt auch seine jüngste Arbeit, die für die Kölner Ausstellung entstanden ist. Für diese Audio-Installation hat der Künstler Material gesammelt in einer Telefonzelle, die er in der Obdachlosenstation "Gulliver" am Hauptbahnhof aufgestellt hatte. Diejenigen, die bereit waren an seinem Kunstprojekt teilzunehmen, konnten dort kostenlos telefonieren, wohin sie wollten. Das dabei aufgezeichnete, anonymisierte Material gab Collins an Musiker weiter, die daraus Songs entwickelten.
Anna Brohm: "Das ist eine Sache, die einen persönlichen Hintergrund hat. Er hat damals in London für ein Obdachlosenmagazin gearbeitet. Grundsätzlich ging es ihm darum zu zeigen, wie viele Menschen von überallher Teil der Stadt sind. Extrem viele Menschen aus Osteuropa, die man als Gruppe der Bevölkerung gar nicht präsent hat."
In gläsernen Kabinen, die Collins im Museum aufgestellt und mit Fotos, Handzetteln und Plakaten zu dieser Aktion ausgestattet hat, können die Besucher Platten auflegen und den melancholischen, anrührenden Balladen lauschen, die von den aufgezeichneten Gesprächen inspiriert sind.
Dabei schauen sie aus den Fenstern des Museums über die Gleise des Kölner Hauptbahnhofs; an den Ort, wo das, was sie jetzt in künstlerischer Umgebung und Vermittlung erleben, alltägliche harte Realität gewesen ist.
Die Kölner Ausstellung ist mit zwei Foto- und zwei Videoinstallationen und der neuen Audioarbeit nicht sehr umfangreich, aber sie macht den künstlerischen Ansatz von Collins auf spannende Weise deutlich. Sie vermeidet die entmutigende Überforderung, die man erlebt, wenn in Ausstellungen von Medienkunst in vielen dunklen Kabinetten stundenlange Filme laufen. In Köln hat der Besucher Raum und Zeit, sich auf die einzelnen Geschichten einzulassen, die der Künstler erzählt. Und die Widersprüche zwischen der Realität und der medialen Vermittlung nachzuvollziehen, die sie auf ganz unterschiedliche Art thematisieren.
Service:
Die Ausstellung "Phil Collins. In every dream home a heartache" eröffnet am 17.4.2013 um 20 Uhr im Museum Ludwig in Köln. Vom 18.4. bis 21.7.2013 ist sie für das Publikum geöffnet.