Ästhetik der Natur
Der Biologe Berndt Heydemann hat ein populärwissenschaftliches Buch über "Ökologie der Schönheit" vorgelegt. Es befasst sich vor allem mit der Frage: Was ist es eigentlich, das den Menschen an der Natur ästhetisch fasziniert?
Ein Augentier ist der Mensch: 40 Prozent der Energie, die seinem Kopf zu Verfügung steht, setzt er dafür ein, seinen Blick über die Welt gleiten zu lassen und seine visuellen Eindrücke geistig zu verarbeiten. Nicht alles ist uns einen zweiten Blick und eine Erinnerung wert. Formen, Farben und Strukturen jedoch, die aus der üblichen Gestaltung herausragen und uns in besonderer Weise berühren empfinden wir als "schön".
In seinem Buch "Die Schönheit der Ökologie" macht sich der Biologe Berndt Heydemann auf die Suche nach dem Ästhetischen in der Natur. Schon seit Jahrtausenden lassen sich Künstlerinnen und Künstler vom Lebendigen inspirieren, erinnert der Autor: Die antiken Baumeister mit ihrer Liebe zur Säule orientierten sich auch am Wachstum der Bäume, in den Fenstern mittelalterlicher Kirchen findet sich die Radiärsymmetrie von Blüten wieder, ganze Sujets der Malerei leben von dem, was die Natur an Motiven anbietet.
Den ästhetischen Reichtum des Lebendigen präsentiert der Autor in großformatigen Bildern: Da fächern Palmen ihre Blätter mit mathematischer Präzision auf, Korallenfische schimmern in tausend Farbnuancen und die blütenweißen Daunenfedern eines Höckerschwans zeigen vor dunklem Hintergrund jedes einzelne Härchen.
In seinen Texten erkundet Berndt Heydemann sein Thema eher tastend als mit perfekten Erklärungen. Eine zwingende Logik in Themenwahl und Reihenfolge der Kapitel ist nicht zu erkennen, auch das Textlayout nicht auf der Höhe der Typografie. Aber das macht nichts, im Gegenteil: Auf die Vielfalt, die Ökologie, das Werdende, Unfertige, Wandelbare kommt es dem Autor an.
Ausführlich berichtet Berndt Heydemann, was die Forschung über die optischen Hervorbringungen der Natur erzählen kann. Der prachtvolle Farbglanz-Effekt vieler Schmetterlinge etwa kommt nicht chemisch, sondern physikalisch zustande: Eine besondere Mikro-Schichtenbildung im Chitin der Schuppen-Oberhäutchen sorgt dafür.
Auch Eulen-Vögel besitzen ihr "echtes Gesicht" mit der weichen Federumrandung und den vorn positionierten, in großen Federmulden liegenden Augen nicht, um den Menschen ästhetisch zu erfreuen: Die frontale Ausrichtung der Augen ermöglicht Eulen das perspektivische Sehen, während der breite Kopf beim Hören hilft: Eulen sind wahre Meister im Messen winziger Zeitunterschiede und können wahrnehmen, wenn ein Mäusezirpen nur eine hundertstel Sekunde später das andere Ohr erreicht.
Aus solchen Messwerten können die nachtaktiven Jäger auch bei völliger Dunkelheit die exakte Größe einer Beute berechnen. Tagsüber lassen sich Eulen kaum je dazu bewegen, auch nur den Kopf zu drehen - trotzdem gehören sie in den Zoologischen Gärten zu den beliebtesten Tieren, sagt Berndt Heydemann: Menschen lieben Tiergesichter, weil sie sich selbst darin wieder zu erkennen meinen.
Hässliche Natur scheint es für den Biologie begeisterten Autor übrigens nirgendwo zu geben: Berndt Heydemanns Blick lässt selbst den Puter mit seinem schwabbelnd roten Kopfgehänge noch scheu und liebenswert aussehen.
Rezensiert von Susanne Billig
Berndt Heydemann: Ökologie der Schönheit:
Die Natur und die Ästhetik - Strategien des Lebens
Wachholtz Verlag, 224 Seiten, 39,80 Euro
In seinem Buch "Die Schönheit der Ökologie" macht sich der Biologe Berndt Heydemann auf die Suche nach dem Ästhetischen in der Natur. Schon seit Jahrtausenden lassen sich Künstlerinnen und Künstler vom Lebendigen inspirieren, erinnert der Autor: Die antiken Baumeister mit ihrer Liebe zur Säule orientierten sich auch am Wachstum der Bäume, in den Fenstern mittelalterlicher Kirchen findet sich die Radiärsymmetrie von Blüten wieder, ganze Sujets der Malerei leben von dem, was die Natur an Motiven anbietet.
Den ästhetischen Reichtum des Lebendigen präsentiert der Autor in großformatigen Bildern: Da fächern Palmen ihre Blätter mit mathematischer Präzision auf, Korallenfische schimmern in tausend Farbnuancen und die blütenweißen Daunenfedern eines Höckerschwans zeigen vor dunklem Hintergrund jedes einzelne Härchen.
In seinen Texten erkundet Berndt Heydemann sein Thema eher tastend als mit perfekten Erklärungen. Eine zwingende Logik in Themenwahl und Reihenfolge der Kapitel ist nicht zu erkennen, auch das Textlayout nicht auf der Höhe der Typografie. Aber das macht nichts, im Gegenteil: Auf die Vielfalt, die Ökologie, das Werdende, Unfertige, Wandelbare kommt es dem Autor an.
Ausführlich berichtet Berndt Heydemann, was die Forschung über die optischen Hervorbringungen der Natur erzählen kann. Der prachtvolle Farbglanz-Effekt vieler Schmetterlinge etwa kommt nicht chemisch, sondern physikalisch zustande: Eine besondere Mikro-Schichtenbildung im Chitin der Schuppen-Oberhäutchen sorgt dafür.
Auch Eulen-Vögel besitzen ihr "echtes Gesicht" mit der weichen Federumrandung und den vorn positionierten, in großen Federmulden liegenden Augen nicht, um den Menschen ästhetisch zu erfreuen: Die frontale Ausrichtung der Augen ermöglicht Eulen das perspektivische Sehen, während der breite Kopf beim Hören hilft: Eulen sind wahre Meister im Messen winziger Zeitunterschiede und können wahrnehmen, wenn ein Mäusezirpen nur eine hundertstel Sekunde später das andere Ohr erreicht.
Aus solchen Messwerten können die nachtaktiven Jäger auch bei völliger Dunkelheit die exakte Größe einer Beute berechnen. Tagsüber lassen sich Eulen kaum je dazu bewegen, auch nur den Kopf zu drehen - trotzdem gehören sie in den Zoologischen Gärten zu den beliebtesten Tieren, sagt Berndt Heydemann: Menschen lieben Tiergesichter, weil sie sich selbst darin wieder zu erkennen meinen.
Hässliche Natur scheint es für den Biologie begeisterten Autor übrigens nirgendwo zu geben: Berndt Heydemanns Blick lässt selbst den Puter mit seinem schwabbelnd roten Kopfgehänge noch scheu und liebenswert aussehen.
Rezensiert von Susanne Billig
Berndt Heydemann: Ökologie der Schönheit:
Die Natur und die Ästhetik - Strategien des Lebens
Wachholtz Verlag, 224 Seiten, 39,80 Euro