Ästhetische Abgründe
Mit seinem Buch "Geschichte der Schönheit" hat sich der Schriftsteller Umberto Eco auch einen Namen als Ästhetiker gemacht. In "Die Geschichte der Häßlichkeit" wendet er sich in die entgegengesetzte Richtung und zeigt ein Panoptikum dessen, was Ekel und Abscheu erregt; allerdings nicht ohne auch die schönen Seiten des Hässlichen aufzuzeigen.
Als Semiotiker kennt sich Umberto Eco nicht nur in der Welt der Zeichen aus, denn der in Bologna lehrende Professor ist auch einer der bekanntesten Gegenwartsautoren, der es mit "Der Name der Rose" zu Weltruhm gebracht hat. Spätestens seit seiner "Geschichte der Schönheit" (2004) hat sich Eco auch einen Namen als Ästhetiker gemacht.
In seinem neuen Buch schaut sich der Spezialist für das Mittelalter, nach dem er zunächst die Welt des Schönen in Augenschein genommen hat, nun in den Sphären des Hässlichen um. Das ist durchaus folgerichtig, denn seit dem 16. Jahrhundert ist die Verwendung des Wortes hässlich als Antonym zu schön üblich gewesen. Im 18. Jahrhundert findet sich in Adelungs "Wörterbuch" unter dem Eintrag ‚häßlich‘: "Eigentlich, in einem hohen Grade ungestaltet, so daß dadurch Ekel, Schrecken und Abscheu erweckt wird." Im allgemeinen Verständnis des 18. Jahrhunderts ergibt sich daraus eine Verbindung zwischen Tugend und Schönheit auf der einen und dem Missgestalteten und Bösen auf der anderen Seite. In der modernen Ästhetik allerdings ist auffällig, dass die Kategorie "hässlich" nicht mehr in Verbindung gebracht wird mit Form- und Gestaltlosigkeit, wie das im 18. Jahrhundert noch der Fall war, sondern im Hässlichen wird die Welt denunziert, wie es Adorno formuliert hat.
Eco spricht in der "Einführung" des Buches davon, dass man das "Häßliche an sich (ein Exkrement, verwesendes Aas, ein mit Geschwüren übersätes, stinkendes Wesen)" unterscheiden müsse vom "formal Häßlichen, bei dem ein Ungleichgewicht in der organischen Beziehung zwischen den Teilen und dem Ganzen besteht." Demnach ist hässlich, was Ekel erregt oder unproportioniert ist. Fabelwesen, wie man sie auf den Bildern von Hieronymus Bosch findet, sind nicht eben Ausgeburten von Schönheit. Seine Höllengestalten und Zwitterwesen, die das Bild "Versuchung des hl. Antonius" bevölkern, sind zwar hässlich, aber dennoch ist das Triptychon ein wahres Meisterwerk. Die Kunst ist nämlich in der Lage, so Eco, "jede Form der Häßlichkeit durch eine getreue und künstlerisch wirksame Darstellung" aufzuheben.
Das Buch gliedert sich in 15 Kapitel, wobei die einzelnen Kapitelüberschriften zum Widerspruch reizen, wenn Eco beispielsweise einen Abschnitt "Die Avantgarde und der Triumph des Hässlichen" nennt. Das klingt wie die Diffamierung der Moderne als "entartete Kunst" durch die Nationalsozialisten. Doch Eco ist kein Antimodernist, sondern nur ein kluger Lehrer, der auf diese Weise zum Lesen verführt.
Seine "Geschichte der Hässlichkeit" ist chronologisch angelegt. Allerdings folgen die Kapitel nicht den historischen Kunstepochen, sondern Eco versucht vielmehr an bestimmten Beispielen anschaulich zu machen, welche Wandlungen das "Hässliche" in der Geschichte erfahren hat. Im Kapitel "Die häßliche Frau von der Antike bis zum Barock" macht er anschaulich, wie sich die Vorstellungen von einer schönen Frau seit der Antike verändert haben. Während die im zweiten Jahrhundert vor Christus entstandene Venus von Milo wegen ihrer makellosen Schönheit als Verkörperung eines Ideals angesehen werden darf, ist man im Barock durchaus bereit gewesen, Schönheitsmängel zu akzeptieren.
Es gehört zu den Vorzügen von Ecos "Geschichte der Häßlichkeit", dass seine Thesen provokant sind. Die ausgewählten Bilder sowie die Zitate aus der Literatur, der Philosophie und der Ästhetik fordern dazu heraus, sich mit dem, was man sehen und lesen kann, auseinanderzusetzen. Das Buch ist reich bebildert, aber es ist kein Bilderbuch. Wer nur darin blättert, dem entgeht das Beste. Eco hat eine Einführung in die Kunst der Bildbetrachtung geschrieben, und er hat das Kunststück fertig gebracht, darin die schönen Seiten des Hässlichen aufzuzeigen.
Rezensiert von Michael Opitz
Umberto Eco (Hrsg.): Die Geschichte der Häßlichkeit
Übersetzt von Friederike Hausmann, Petra Kaiser und Sigrid Vagt
Carl Hanser Verlag. München 2007
453 Seiten. 39,90 Euro
In seinem neuen Buch schaut sich der Spezialist für das Mittelalter, nach dem er zunächst die Welt des Schönen in Augenschein genommen hat, nun in den Sphären des Hässlichen um. Das ist durchaus folgerichtig, denn seit dem 16. Jahrhundert ist die Verwendung des Wortes hässlich als Antonym zu schön üblich gewesen. Im 18. Jahrhundert findet sich in Adelungs "Wörterbuch" unter dem Eintrag ‚häßlich‘: "Eigentlich, in einem hohen Grade ungestaltet, so daß dadurch Ekel, Schrecken und Abscheu erweckt wird." Im allgemeinen Verständnis des 18. Jahrhunderts ergibt sich daraus eine Verbindung zwischen Tugend und Schönheit auf der einen und dem Missgestalteten und Bösen auf der anderen Seite. In der modernen Ästhetik allerdings ist auffällig, dass die Kategorie "hässlich" nicht mehr in Verbindung gebracht wird mit Form- und Gestaltlosigkeit, wie das im 18. Jahrhundert noch der Fall war, sondern im Hässlichen wird die Welt denunziert, wie es Adorno formuliert hat.
Eco spricht in der "Einführung" des Buches davon, dass man das "Häßliche an sich (ein Exkrement, verwesendes Aas, ein mit Geschwüren übersätes, stinkendes Wesen)" unterscheiden müsse vom "formal Häßlichen, bei dem ein Ungleichgewicht in der organischen Beziehung zwischen den Teilen und dem Ganzen besteht." Demnach ist hässlich, was Ekel erregt oder unproportioniert ist. Fabelwesen, wie man sie auf den Bildern von Hieronymus Bosch findet, sind nicht eben Ausgeburten von Schönheit. Seine Höllengestalten und Zwitterwesen, die das Bild "Versuchung des hl. Antonius" bevölkern, sind zwar hässlich, aber dennoch ist das Triptychon ein wahres Meisterwerk. Die Kunst ist nämlich in der Lage, so Eco, "jede Form der Häßlichkeit durch eine getreue und künstlerisch wirksame Darstellung" aufzuheben.
Das Buch gliedert sich in 15 Kapitel, wobei die einzelnen Kapitelüberschriften zum Widerspruch reizen, wenn Eco beispielsweise einen Abschnitt "Die Avantgarde und der Triumph des Hässlichen" nennt. Das klingt wie die Diffamierung der Moderne als "entartete Kunst" durch die Nationalsozialisten. Doch Eco ist kein Antimodernist, sondern nur ein kluger Lehrer, der auf diese Weise zum Lesen verführt.
Seine "Geschichte der Hässlichkeit" ist chronologisch angelegt. Allerdings folgen die Kapitel nicht den historischen Kunstepochen, sondern Eco versucht vielmehr an bestimmten Beispielen anschaulich zu machen, welche Wandlungen das "Hässliche" in der Geschichte erfahren hat. Im Kapitel "Die häßliche Frau von der Antike bis zum Barock" macht er anschaulich, wie sich die Vorstellungen von einer schönen Frau seit der Antike verändert haben. Während die im zweiten Jahrhundert vor Christus entstandene Venus von Milo wegen ihrer makellosen Schönheit als Verkörperung eines Ideals angesehen werden darf, ist man im Barock durchaus bereit gewesen, Schönheitsmängel zu akzeptieren.
Es gehört zu den Vorzügen von Ecos "Geschichte der Häßlichkeit", dass seine Thesen provokant sind. Die ausgewählten Bilder sowie die Zitate aus der Literatur, der Philosophie und der Ästhetik fordern dazu heraus, sich mit dem, was man sehen und lesen kann, auseinanderzusetzen. Das Buch ist reich bebildert, aber es ist kein Bilderbuch. Wer nur darin blättert, dem entgeht das Beste. Eco hat eine Einführung in die Kunst der Bildbetrachtung geschrieben, und er hat das Kunststück fertig gebracht, darin die schönen Seiten des Hässlichen aufzuzeigen.
Rezensiert von Michael Opitz
Umberto Eco (Hrsg.): Die Geschichte der Häßlichkeit
Übersetzt von Friederike Hausmann, Petra Kaiser und Sigrid Vagt
Carl Hanser Verlag. München 2007
453 Seiten. 39,90 Euro