Sachsen-Anhalt

Die AfD, das Bauhaus und die Moderne

Blick auf das historische Bauhaus-Ensemble in Dessau (Sachsen-Anhalt), aufgenommen am 07.09.2015.
Die AfD forderte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus-Erbe. © picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Die AfD in Sachsen-Anhalt diffamiert das Bauhaus als „Irrweg der Moderne“. Kulturstaatsministerin Roth sieht Parallelen zur NSDAP, unter deren Druck die Schule 1933 geschlossen worden war. Was steckt hinter der Debatte?
Klar, einfach, funktional. Das Bauhaus gilt vielen als Inbegriff der Moderne - und als deutscher Exportschlager. Im nächsten Jahr feiert die Gestaltungsschule ein Jubiläum: 1925 zog das Bauhaus von Weimar nach Dessau. Die AfD in Sachsen-Anhalt hat den anstehenden Geburtstag zum Anlass einer Verbalattacke genommen.
Als „Irrweg der Moderne “ diffamierte sie das Bauhaus in einem Antrag, der am Donnerstagabend, 24. Oktober, zu einer heftigen Debatte im Landtag geführt hat. Die übrigen Fraktionen reagierten empört und wiesen die AfD-Vorlage zurück. Worum geht es in der AfD-Bauhaus-Debatte?

Worum geht es in der AfD-Bauhaus-Debatte?

Die AfD in Sachsen-Anhalt warnte in einem Antrag vor einer „einseitigen Glorifizierung“ und forderte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus-Erbe. In ihrer Vorlage moniert die Landtagsfraktion „historische Bausünden“ und diffamiert das Bauhaus als globalen „Einheitsbrei“. Es ist die Rede von Gebäuden, die als „menschenfeindlich“ bezeichnet werden könnten und von einer Standardisierung von Architektur und Design, „die der kulturellen Vielfalt abträglich“ sei.
Die Reaktionen kamen prompt: Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Die Grünen) kritisierte, die AfD versuche „mit erschreckend ähnlichen Argumenten und Formulierungen wie einst die NSDAP“ gegen das Bauhaus-Erbe vorzugehen. Unter dem Druck der Nationalsozialisten war das Bauhaus 1933 geschlossen worden. Aus Sicht von Roth ist der AfD-Antrag „in höchstem Maße alarmierend und absolut inakzeptabel“ und steht beispielhaft dafür, wie die Partei die kulturelle Debatte bestimmen wolle. „Leider ist diese Art und Weise des Umgangs mit unserer Geschichte und ein solches Vorgehen gegen die Freiheit von Kulturinstitutionen in unserem Land kein Einzelfall, sondern Programm bei der AfD.“

Heftige Debatte im Landtag

Während der Debatte am Donnerstag im Landtag führte der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Hans-Thomas Tillschneider, an, das Bauhaus habe „das menschliche Bedürfnis nach Behaglichkeit nach allen Regeln der Kunst vergewaltigt“. Der AfD-Abgeordnete benutzt antisemitische Code-Wörter wie Globalisten und rückte das Bauhaus in die kommunistische Ecke.
Im Landesparlament sorgte der AfD-Vorstoß für heftigen Protest. Die Parallele zu den Nationalsozialisten sei bis in die Formulierung des Antrags hinein offensichtlich, kritisierte FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack. Nach dem Dritten Reich gebe es nun eine zweite politische Kraft, die Bauhaus verbieten oder schikanieren wolle, sagte CDU-Politiker Detlef Gürth.

„Viel zu einfache Verunglimpfung“

Die Kulturhistorikerin Anke Blümm hält den AfD-Antrag für eine „viel zu einfache Verunglimpfung der Architektur und der Strömung des 20. Jahrhunderts“. Die tatsächlichen Probleme einer massenverträglichen, ökologischen und nachhaltigen Architektur könnten so nicht angegangen werden. Blümm arbeitet am Bauhaus-Museum in Weimar und hat ihre Dissertation über moderne Architektur im Nationalsozialismus geschrieben. Die Stiftung in Dessau bemühe sich um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus-Erbe, so Blümm. „Das sollte man fördern und nicht das Bauhaus pauschal verunglimpfen.“
Die Stiftung Bauhaus Dessau teilte als Reaktion auf den Vorstoß der AfD-Landtagsfraktion mit, man thematisiere die Aufbrüche, aber auch die Verwerfungen, die mit den Materialinnovationen zu Beginn der 1920er-Jahre verbunden gewesen seien. Laut Direktorin Barbara Steiner wird es zum Jubiläum im kommenden Jahr eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung geben.

Was ist das Bauhaus - und warum ist es bis heute prägend?

Gegründet wurde das Bauhaus 1919 von Architekt Walter Gropius in Weimar. Mit der Kunstschule wollte er die Trennung von Theorie und Praxis, Kunst und Handwerk aufheben. Bis heute prägt das Bauhaus - oder zumindest das, was heute unter Bauhaus verstanden wird - Kunst, Architektur und Design.
Denn die eine, gültige Definition für Bauhaus gebe es eigentlich nicht, sagt Architekturhistoriker Winfried Nerdinger. Im Laufe seiner nur rund 14-jährigen Geschichte zerfiel das historische Bauhaus in „verschiedene Epochen mit verschiedenen Ansätzen“, so der Experte. Was wir heute unter Bauhaus verstünden, sei primär die mittlere Phase: eine Produktgestaltung für die moderne Lebenswelt.
In Weimar bleibt die Einrichtung nur wenige Jahre. Mit dem Rechtsruck steigt der Druck. Das Land streicht die finanzielle Unterstützung, was Gropius und seine Mitstreiter 1925 zum Umzug nach Dessau bewegt. In der Industriestadt erlebt die Schule goldene Jahre. Es entstehen Gebäude, die durch nüchterne Klarheit geprägt sind. Auf alles Schmückende, Überflüssige wird verzichtet. Eine Architektur im Zeichen der Vernunft.

Komfortables Wohnen für die Masse

Kulturhistorikerin Blümm betont die Versuche vieler Architekten in den 1920er-Jahren, „adäquate Antworten für einen Massenwohnungsbau“ zu finden. Das Ziel sei es gewesen, günstig für viele eher einkommensschwache Menschen zu bauen.
„Man hat erstmals versucht, viele Menschen auf wenig Raum unterzubringen und ihnen trotzdem moderne Annehmlichkeiten zu bieten.“ Küche oder Badezimmer seien bis dato keinesfalls Standard gewesen. Blümm ist überzeugt: Damals seien „viele gute Lösungen entstanden, ohne die wir heute überhaupt nicht mehr wohnen und bauen könnten“.
Schlichtes Bauhaus-Gebäude in der Weissenhofsiedlung, die auch von Le Corbusier gestaltet wurde.
Der Architekt Le Corbusier gestaltete dieses Bauhaus-Gebäude in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung.© imago stock&people / Chromorange

Das Bauhaus und die Nationalsozialisten

Für Empörung sorgte der AfD-Antrag vor allem wegen einer Sprache, die an jene der Nationalsozialisten erinnert, wie etwa FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack sagte. Als „Irrweg der Moderne“ habe man das Bauhaus 1933 wahrgenommen, so der Abgeordnete. Laut Anke Blümm sprach die NSDAP von „Affenkäfigen“, bezeichnete die Bauhaus-Gebäude als „bolschewistische und kommunistische Bauten“.
Im Wahlkampf 1931/1932 warb die Partei gar mit dem Abriss der Schule in Dessau. Zwar wurde das Bauhaus nach dem Wahlsieg der NSDAP als Institution geschlossen, abgerissen wurde der Bau aber nicht, sondern, im Gegenteil, selbst genutzt, so die Kulturhistorikerin. Die Schule wechselte daraufhin nach Berlin, wurde allerdings im Jahr darauf, 1933, unter dem Druck der Nazis aufgelöst.

Die Ambivalenz der Bauhäusler

Allerdings bedeutet das nicht, dass Bauhaus-Mitglieder allesamt Antifaschisten waren, so Anke Blümm. Lange lebte der Mythos von der linken, widerständigen Gestaltungsschule. Und es gibt viele Beispiele von Lehrern und Schülern, die vom Nationalsozialismus als „entartet“ gebrandmarkt wurden. Allerdings sei die Geschichte des Bauhauses in der NS-Zeit durchaus ambivalent.
„Sie sind eben nicht nur links, verfolgt, ins Exil gegangen, in die innere Emigration“, so die Kuratorin der Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“, die in Weimar von Mai bis September Verstrickungen von Bauhaus-Anhängern mit der NS-Diktatur aufzeigte. Einige Bauhäusler, so Blümm, stellten ihre künstlerischen Fähigkeiten in den Dienst des neuen Staates, verdienten ihr Geld etwa mit Büsten von Hitler und Göring. „Sie haben schlicht und einfach auch mitgemacht.“ Auch das gehöre zur Geschichte des Bauhauses und der Moderne.

Das Bauhaus als deutscher Exportschlager

Weimar, Dessau und Berlin waren die Heimstätten des Bauhauses. Spuren hinterließ die Schule allerdings nicht nur in Deutschland, sondern in zahlreichen Städten weltweit, von Chicago über Moskau bis Tel Aviv. Dort hatten manche Bauhaus-Künstler, die wie László Moholy-Nagy nach der Machtergreifung der Nazis emigriert waren, eine neue Heimat gefunden.
Je nach Gegebenheiten vor Ort habe sich die Bewegung weiterentwickelt, erläuterte die 2020 verstorbene Kulturwissenschaftlerin Marion von Osten. Beispielsweise stärker produktorientiert in der amerikanischen Konsumkultur, stärker sozial orientiert mit groß angelegtem Städtebau in der UdSSR. „Das Bauhaus selbst war immer sehr heterogen und es gibt nicht einen Stil, der wanderte, oder eine Praxis.“ Vielmehr umfasse das Bauhaus diverse Gestaltungsprinzipien, „die sich dann vor Ort noch einmal übersetzt haben, angeeignet wurden oder manchmal auch abgelehnt“.

Das Bauhaus als Teil des UNESCO-Weltkulturerbes

Seit 1996 beziehungsweise 2017 gehören das Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau zum UNESCO-Weltkulturerbe. Als Hochschule für Gestaltung habe das Bauhaus zwischen 1919 und 1933 das künstlerische und architektonische Denken und Arbeiten revolutioniert, erklärt die deutsche UNESCO-Kommission auf ihrer Webseite.
Als „Symbol der Moderne und menschlicher Pionierleistung“ bezeichnet die Kommission das Bauhaus. Die Gebäude in Dessau ziehen laut der dortigen Bauhaus-Stiftung jährlich weit mehr als 100.000 Menschen aus aller Welt an. Als Teil des UNESCO-Weltkulturerbes wird diesen Bauten ein hoher Wert zugesprochen, so die Stiftung, verbunden mit der Verantwortung und Verpflichtung, sie zu erhalten.

irs
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