AfD-Hochburg Wiesbaden

"16 Prozent ist nen Haufen Zeug"

Plakat der AfD im hessischen Kommunalwahlkampf
Mit schlichten Parolen wie "Realisten wählen AfD" hat die Partei in Hessen auf Kommunalebene großen Erfolg erzielt. © dpa / picture alliance / Alexander Heinl
Von Ludger Fittkau |
In Wiesbaden hat die AfD bei der Kommunalwahl einen Wähleranteil von 16 Prozent. Dabei ist die Kurstadt idyllisch und reich. Unser Korrespondent Ludger Fittkau begibt sich auf eine Spurensuche: Wo kommen diese 16 Prozent her? Sind das Angstbürger im Wohlstand?
Am Rande des Kurparks in Wiesbaden, vor dem monumentalen Staatstheater. Über dem prächtigen Eingang ist der Satz in Stein gemeißelt:
Der Menschheit Würde ist in Eure Hand gegeben, bewahret sie!
Ein gut gekleideter Diplomkaufmann mittleren Alters bekennt sich vor dem Theaterportal freimütig dazu, AfD gewählt zu haben:
"Ich habe sie gewählt. Die Arschlöcher in Bonn –äh – in Berlin, das kann man vergessen. Was da im Moment läuft mit Frau Merkel. Ich habe sie als Protestwähler gewählt. Das hat hier in Wiesbaden nichts zu suchen, in Wiesbaden gibt es auch nicht das Riesenproblem, aber die müssen aufwachen. Deswegen habe ich die gewählt. Ich habe früher CDU und FDP gewählt. Und ich meine, alle meine Freunde haben das gleiche getan. Sind alles Unternehmer, Selbstständige. Ich bin auch selbstständig. Wir haben die Schnauze voll, es reicht."
Da ist sie doch, die Wut, die in Wiesbaden normalerweise nicht so sichtbar wird wie bei einer Pegida-Demo in Dresden. Die Wut des wohlsituierten Angehörigen der Mittelschicht in der prächtigen Kurstadt, die auf den ersten Blick wenig Sorgen zu haben scheint. Doch hier leben Menschen, die etwas zu verlieren haben. Die offenbar Ängste haben, dass die Flüchtlingsfrage ihre Welt durcheinanderwirbelt – eine Welt, die äußerlich so wohlgeordnet und ruhig wirkt wie eine alte Bäderstadt zu wirken hat. Doch auch diejenigen, die hier nicht AfD gewählt haben, wissen etwas über die Ängste zu berichten, die hier offenbar hinten den mondänen Jugendstilfassaden wachsen:
"Leute, die Angst haben um ihren Besitz. Das ist relativ offensichtlich und vielleicht auch nicht alle mit dem humanistischen Weltbild übereinstimmen. Grauenhaft, schrecklich."
Frage: Wir kommt das aus ihrer Sicht?
"Den Leuten wurden ihre Ängste nicht genommen rechtzeitig. Und wenn man den Leuten rechtzeitig ihre Ängste nimmt, dann haben sie die nicht mehr und können auch Vertrauen in die normalen, ja normalen ( lacht) Politiker haben."
Auch Wiesbadener Gegner der AfD sehen hier ein Versagen der etablierten Parteien:
Mann: "Kann man so sagen, ja. Der etablierten Parteien, der jetzigen Regierung."
Frau: "Ja, die haben das glaube ich nicht ernst genug genommen und nicht rechtzeitig das Spektrum mit einbezogen, was dann die AfD sich gekrallt hat."

Gepflegter Anzug statt Glatze und Springerstiefel

Doch ob im großzügigen Kurpark von Wiesbaden oder in den gemütlichen Flaniergassen der überschaubaren Innenstadt gleich nebenan: Es ist nicht einfach zu erkennen, wer hier zu dem Spektrum gehören könnte, das sich durch die AfD krallen lässt. Mit Glatze und Springerstiefel ist hier wohl noch nie jemand rumgelaufen und den biederen Kaufleuten oder Wellness-erprobten Rentnern sieht man es nicht an, ob sie im Grunde ihres Herzens Wutbürger sind oder nicht. Das denkt sich auch der etwa 70 Jahre alte Passant, der sich klar von der AfD distanziert:
"Die Rechtsradikalen, sage ich halt immer. Ob das immer so stimmt, weiß ich nicht genau…"
Reporter: Aber 16 Prozent…
Mann: "Ist ein Haufen Zeug. Wir regen uns immer nur auf, wenn da wieder welche zusammengeschlagen werden oder wenn da mal was brennt oder so."
In Wiesbaden aber wird normalerweise niemand zusammengeschlagen und normalerweise brennen hier auch keine Flüchtlingsunterkünfte. Das würde auch der hiesige Protestwähler nicht mögen, der gestern sein Kreuz auf dem Wahlzettel bei der AfD gemacht hat. Auch, wenn ihm die Fremden so viel Angst machen, dass er die Bundesregierung nun noch zum Teufel wünscht - gnadenlos, am Rande des so idyllischen Kurparks:
AfD-Wähler: "Die wird abgewählt, die haben keine Chance mehr. Ist vorbei."
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