AfD in ostdeutschen Landesparlamenten

Nach der Kür kommt die Pflicht

Wahlgewinner unter sich: AfD-Bundeschef Bernd Lucke (r.) gratuliert den Spitzenkandidaten Alexander Gauland aus Brandenburg (l.) und Björn Höcke aus Thüringen
Wahlgewinner unter sich: AfD-Bundeschef Bernd Lucke (r.) gratuliert den Spitzenkandidaten Alexander Gauland aus Brandenburg (l.) und Björn Höcke aus Thüringen © picture alliance / dpa / Rainer Jensen
Von Nadine Lindner, Henry Bernhard und Axel Flemming |
Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ist die Alternative für Deutschland plötzlich im parlamentarischen Alltag gelandet. Ein Blick auf die Fraktionen in Dresden, Erfurt und Potsdam offenbart, wie sie sich schlagen.
Der 31. August 2014, Landtagswahl in Sachsen. Eine Premiere für die AfD, denn hier in Dresden zieht sie in ihren ersten Landtag ein – mit 9,7 Prozent, 14 Abgeordnete. Die Euphorie ist groß.
Die AfD in Sachsen: Pegida-Sympathien und wenig Erfahrung (Audio)
Landeschefin Frauke Petry: "Es ist Wahnsinn, was wir erreicht haben. Glückwunsch an uns alle. Die AfD ist angekommen. Sie ist in Sachsen angekommen, und viel wichtiger, sie ist in Deutschland angekommen."
Die sächsische Landesvorsitzende Frauke Petry steht unangefochten an der Spitze ihres Verbands. Die dreifache Mutter mit den kurzen braunen Haaren ist 39 Jahre alt, gilt als redegewandt. Auch die Insolvenz ihrer Leipziger Chemie-Firma hat keine dauerhaften Kratzer am Bild der Macherin hinterlassen.
Zusammen mit Bernd Lucke und Konrad Adam bildet Petry die Dreierspitze im Bund – eine konfliktreiche Kombination, wie sich nun wieder zeigt. Rund um den Jahreswechsel eskalierte der Führungsstreit mit Parteigründer Bernd Lucke, der die Partei in Zukunft per Satzungsänderung lieber allein führen will. Die beiden gleichberechtigten Co-Vorsitzenden Adam und Petry stemmen sich dagegen.
Während Lucke als eher wirtschaftsliberal gilt, wird die sächsische AfD-Chefin dem rechtskonservativen Parteispektrum zugerechnet, hat enge Kontakte zur Zeitung "Junge Freiheit", die dem rechts-konservativen, rechts-intellektuellen Spektrum zugeordnet wird. Der neue Pressesprecher der Landtagsfraktion, Andreas Harlaß, hat dort als Autor gearbeitet.
Frauke Petry von der AfD Sachsen am Wahlabend.
Nach der Landtagswahl in Sachsen: ein fröhlicher Abend für Frauke Petry von der AfD: © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Auch über den Umgang mit der islamkritischen Pegida-Bewegung gibt es Streit in der Führungsspitze, der bis nach Sachsen reicht. Lucke und Hans-Olaf Henkel fällen ein vernichtendes Urteil. Der brandenburgische AfD-Chef Alexander Gauland sieht die Protestler dagegen nach einem Demobesuch als die "natürlichen Verbündeten" seiner Partei. So sieht es auch Frauke Petry, wie bei ihrem Redebeitrag im Dezember im Landtag deutlich wird, in dem sie sich zur Fürsprecherin für Pegida macht.
"Wir bewegen uns atmosphärisch und in dem Empfinden vieler Bürger dahin, wie es vor 25 Jahren war. Wenn man heute sich mit einer von der Mehrheit abweichenden Meinung in der Öffentlichkeit äußert. Dann kommen sofort Triggervokabeln wie dumm, verblödet, Spinner, viel besser, um die Person einzuordnen sind: Rechts, rechtspopulistisch, fremdenfeindlich, Nazi, homophob, Brandstiftung. Vordergründig wird dann der Kreis derer, mit denen man reden will, wieder eingeschränkt. Das hat mit Demokratie nichts zu tun."
Die AfD hatte dies in einer Aktuellen Stunde auf die Tagesordnung gesetzt. Und die Bande zwischen AfD und Pegida sollen noch enger geknüpft werden. Pikant in diesem Zusammenhang: die AfD konnte sich den Vorsitz des Sozialausschusses sichern. Darunter fällt der Verbraucherschutz, aber auch Gleichstellung und Integration.
Bislang hat die AfD im noch jungen sächsischen Landtag erst einen Antrag gestellt:
"Wir beginnen mit der Aussprache. Zunächst die AfD, danach die CDU, Die Linke, Für die Fraktion AfD Herr Dr. Dreher...."
Es ist der 13. November 2014, die dritte Sitzung des neu gewählten sächsischen Landtags. Eine Premiere, denn die eurokritische AfD stellt ihren ersten Antrag – zu einem außenpolitischen Thema: Die Partei fordert die Beendung der EU-Sanktionen gegen Russland, um die sächsischen Unternehmen zu stärken.
"Die Sanktionen helfen unserer Wirtschaft nicht. Sie schaden bei der Konfliktlösung. Durch die Sanktionen, das wurde mehrfach angesprochen, es ist bekannt, ist der Warenexport nach Russland beschränkt... Drosselt zusätzlich die russische Nachfrage nach Gütern auch in Deutschland und in Sachsen."
Doch treffen diese Themen wirklich die Erwartungen er Basis? Beim Treffen des Kreisverbands Nordsachsen in Eilenburg Ende des Jahres gibt es eher wohlwollende Töne.
"Ich meine, wir starten ja erst. Die Arbeit geht ja erst los."
Besuch beim Mittelstandsforum der AfD in Dresden. Hier erwarten die Mitglieder etwas mehr von ihrer Partei:
"Die Themen, die uns natürlich in Sachsen interessieren. Arbeit, Soziales, innere Sicherheit."
Doch fehlen der AfD dafür die richtigen Ansatzpunkte. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag werden sowohl mehr Lehrer, als auch mehr Polizisten angekündigt. Die AfD versucht sich stattdessen an einem anderen Thema. Sie will die Zahl der Abgeordneten im Landtag von 120 auf 100 senken, um die frei werdenden Mittel wieder investieren zu können.
Teilnehmer der islamkritischen Pegida-Demonstration in Dresden
Teilnehmer der islamkritischen Pegida-Demonstration in Dresden© picture alliance / dpa / Peter Endig
Politikprofessor Werner Patzelt von der TU Dresden fällt bislang ein eher nüchternes Urteil.
"Die Verkleinerung des Landtags zu fordern ist ein Standardthema symbolischer Politik. Es bringt eine Verkleinerung des Landtags nicht so viel. Es gibt wohl, wenn man sich den Etatposten Landtag anschaut und durch die Zahl der Sachsen teilt, dann gibt Jeder Sachse gibt wohl den Gegenwert eines Kasten Biers aus."
Kann die Landtagsfraktion die Basis also bislang überzeugen? Bereits im Herbst verkündete Petry auf dem Landesparteitag, dass auf den Wahlsieg nun die Mühen der Ebenen folgen. Trotzdem verbreitet sie Optimismus: die Partei- und Fraktionsspitze gebe sich viel Mühe mit der innerparteilichen Kommunikation.
"Bezüglich der Landtagsfraktion geht es wohl vielen nicht schnell genug. Aber das ist nicht einfach von außen zu sehen, wieviel strukturelle Aufbauarbeit da auch geleistet werden muss. Wir erfahren aber, dass wenn wir regelmäßig Rückmeldungen geben darüber, was wir jeden Tag tun, womit unsere Tage angefüllt sind, wie viele Verbände wir besuchen. Zu wie vielen Gesprächskreisen die Abgeordneten gehen, dass sich diese Ungeduld eigentlich schnell auflösen lässt."
Die AfD hat noch einen weiten Weg vor sich: Keiner ihrer Abgeordneten hat Parlamentserfahrung. Noch immer ist sie auf der Suche nach Personal, Fraktionsmitarbeitern, Referenten für die Abgeordneten. Und die politische Konkurrenz? Welches Verhältnis haben die anderen Parteien CDU, SPD, Grüne und Linke zu den politischen Neulingen? Der Fraktionsvorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Frank Kupfer nannte die AfD in einem Interview mit der Freien Presse Chemnitz eine ganz normale Oppositionspartei, die die Union nicht komplett ausgrenzen dürfe. Härter fällt das Urteil der größten Oppositionspartei im sächsischen Landtag, der Linken aus. Fraktionsvorsitzender Rico Gebhardt:
"Aber ich habe auch erwartet, dass eine gewisse Professionalität von den Abgeordneten ausgeht, aber die kann ich nicht bestätigen."
Die AfD in Thüringen: Ein Protagonist ohne namhafte Kollegen (Audio)
"AfD: 10,0 Prozent!"
Es wurden dann sogar knapp elf Prozent für die AfD. Damit zog sie am 14. September mit elf Abgeordneten in den Thüringer Landtag ein – nur einer weniger als die ehemalige Volkspartei SPD. Ein Triumph für die gerade anderthalb Jahre alte Thüringer AfD und ihren Vorsitzenden Björn Höcke. Der zeigte sich am Wahlabend geradezu trunken im Siegestaumel, er sprach von einem "vollständigen Sieg" und einem „historischen" Ergebnis für die AfD.
"Diese Partei wird zu einer blauen Bewegung werden, zu einer blauen Bewegung, die unser gesamtes Vaterland in eine bessere Zukunft führen wird. Ich danke euch!"
Der 42-jährige Partei- und inzwischen auch Fraktionsvorsitzende Björn Höcke ist Lehrer für Sport und Geschichte an einem Gymnasium. Der begabte Rhetoriker gibt sich gern als besorgter Bildungsbürger, der mit rückwärtsgewandtem Blick Deutschland in eine lichte Zukunft führen will.
"Im Jahr 1792 gelang es erstmals den französischen Truppen, die für eine neue Idee kämpften, nämlich für die Idee der Nation, des Vaterlandes, der Rechtsstaatlichkeit und der Volkssolidarität, in der Auseinandersetzung mit den Interventionstruppen der Monarchien standzuhalten. Goethe sagte damals prophetisch, „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus!" So vermessen will ich natürlich heute nicht sein."
Mitglieder der Partei Alternative für Deutschland (AfD) verfolgen den Europaparteitag in Erfurt
In Erfurt hielt die AfD ihren Europaparteitag ab.© Hendrik Schmidt/dpa
Höcke verschwieg jedoch am Wahlabend, dass sich Goethe diesen Ausspruch erst 30 Jahre später rückwirkend selbst in den Mund gelegt hat, und dass die zurückgeschlagenen Preußen mutlos und von der Ruhr geplagt waren. Aber Durchfall kommt nicht vor in Höckes Rhetorik, der gern preußische Tugenden predigt und die angebliche Dekadenz im heutigen Deutschland geißelt. Als sich die Landtagsfraktion eine Woche nach der Wahl konstituierte, wurde deutlich, wie unsicher die allesamt Politik-unerfahrenen AfD-Landtagsabgeordneten und ihr Chef noch waren – zum Beuspiel in der Frage, ob sie einen Linken zum Ministerpräsidenten wählen würden.
"Wir müssten natürlich entsprechende Gespräche im Vorfeld führen, man müsste sich da verständigen, aber... Sonderlich wahrscheinlich ist das nicht! Nein, sonderlich wahrscheinlich ist das nicht!"
Zumindest in dieser Frage wurde sich die Thüringer AfD bald klar. Sie bot der CDU an, einen Ministerpräsidenten mit zu wählen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Mike Mohring wäre Höckes Wunschkandidat gewesen. Er bezeichnete Mohring als "jungen Stürmer".
"Herr Mohring ist sicherlich ein Kandidat, der verhindern kann, dass der Herr Ramelow in Thüringen Ministerpräsident wird; er hat ein konservatives Credo, das mir persönlich auch sehr entgegenkommt, das ich unterstützen kann."
Nun ist aber Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt, es folgen die Mühen der Ebenen für die AfD im Landtag. Noch sind die ehemaligen Räume der FDP im Abgeordnetengebäude nicht fertig umgebaut, noch läuft die Pressearbeit schleppend. Am Tag, als Rot-Rot-Grün den Koalitionsvertrag präsentierte – normalerweise eine Steilvorlage für die Opposition –, veröffentlichte die AfD eine Pressemitteilung zu multiresistenten Keimen in Krankenhäusern. Die ersten beiden Landtagssitzungen nutzte die junge Partei, um zu provozieren und zu pöbeln.
"Ja, liebe Kollegen, die AfD hat einen ... und liebe Kolleginnen natürlich auch! Aber ich müsste ja eventuell auch andere Geschlechter hier noch aufzählen, wenn ich Ihre Philosophie auch abbilden wollte. Nicht wahr? Ich halte den Gleichstellungsausschuss für ein weiteres Instrument zur Fortschreibung und Zementierung von unter anderem Männerdiskriminierung, für Verschwendung von Mitteln und teurem Unfug."
"Jetzt halten sie doch mal ihre Klappe! ... Bleiben Sie entspannt! Gaaanz ruhig! Ja, gehen sie zu einem guten Therapeuten, alles klar!"
"Ich weiß, Herr Ramelow, dass Sie und ihre Kollegen vom roten Block das ideologische Ziel haben, Deutschland abzuschaffen, das möchte ich hier mal in aller Deutlichkeit sagen!"
Teilnehmer einer Protestaktion gegen die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen
Gegen die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen gab es einige Proteste. Die AfD wusste anfangs nicht so recht, wie sie sich zum linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow verhalten soll.© dpa / Jens-Ulrich Koch
Der Fraktionsvorsitzender Björn Höcke erinnert Politiker anderer Parteien immer wieder gern daran, wofür er angeblich steht:
"Es ist eine wunderbare Hochkultur in ihrem Bestand bedroht – auch das möchte ich hier heute Abend mal deutlich machen!"
Die Hochkultur sieht Höcke bedroht durch den Euro, die Einwanderung, den Geburtenrückgang und eine perverse Sexualmoral, die auch anderes als Heterosexualität für normal hält. In seiner Rhetorik schrammt er sehr bewusst immer kräftiger am rechten Rand, eben wenn er vom "jungen Stürmer" spricht, vom "Volk ohne Egoismus", von "Gemeinschaft", von "Volksempfinden". Gefahren für den Staat sieht er in Politikern ohne "historisches Tiefenbewusstsein" und in linken "Berufschaoten".
"Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel sagte einmal – ich zitiere: 'Brandige Glieder können nicht mit Lavendelwasser geheilt werden. Der Verwesung nahes Leben kann nur durch das gewaltsamste Verfahren reorganisiert werden.'"
Gefahren von rechts sieht Höcke nicht; er gibt sich tolerant. So tolerant, dass er rechten Zeitschriften regelmäßig Interviews gibt und hin und wieder auch mal mit dem thüringenweit bekannten Neonazi Thorsten Heise beim Bier zusammensteht. Man kenne sich eben über die Kinder, sagt er.
"Ich fand auch immer spannend, mich mit radikalen, grundsätzlichen Denkansätzen zu beschäftigen. Ich denke, dass es sogar eine Pflicht eines Intellektuellen ist, radikal zu denken. Von daher suche ich das Gespräch mit allen Kräften."
Der Thüringer AfD mangelt es an auffälligen Typen wie Björn Höcke einer ist. Im parteiinternen Machtkampf hat er sich gegen Liberale, aber auch gegen seinen Vorgänger, einen christlich-fundamentalistischen Weltverschwörungstheoretiker, durchgesetzt. Im Landtag sympathisiert so mancher Christdemokrat mit den verbalen Attacken der Rechtspopulisten. Auf der Rot-Rot-Grünen Seite fasste der SPD-Fraktionsvorsitzender Matthias Hey deren Haltung zusammen:
"Sehr geehrter Herr Höcke, wenn politische Selbstüberschätzung Rad fahren könnte, müssten Sie bergauf noch bremsen!"
Doch auch, wenn die Thüringer AfD im Landtag noch isoliert und unsicher agiert, wenn Linke, Sozialdemokraten und Grüne mit dauernden Zwischenrufen oder Abwesenheit auf Höckes Redebeiträge reagieren: Die Thüringer CDU hält sich eine Zusammenarbeit mit der AfD ausdrücklich offen – gegen den Beschluss des CDU-Bundesvorstands. Um „bürgerliche Werte" zu verteidigen, wie es auf dem CDU-Landesparteitag hieß.
Die AfD in Brandenburg: Familienkrach in der Fraktion (Audio)
Frei nach dem Motto: "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen" engagiert sich die AfD in Brandenburg konsequent darin zu problematisieren, dass das Land Flüchtlinge aufnehmen kann und muss. Landesparteichef Alexander Gauland hat sogar sein Herz für Pegida entdeckt, für die selbsternannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands":
"Hauptsächlich sind es Positionen, die eine gewisse gesellschaftliche Sorge ausdrücken, dass der unreformierte Islam, so wie er in unser Land gerät, die Gesellschaft in einer Weise verändern könnte, dass sie nicht mehr die Gesellschaft ist, in der wir uns zu Hause fühlen und in der wir uns finden. Wir unterstützen diese Demonstrationen."
Elf Abgeordnete der ‚Alternative für Deutschland' sind nach der Wahl am 14. September in den Landtag Brandenburg eingezogen. Die AfD hatte im Wahlkampf versprochen, öffentlich wahrnehmbar zu bleiben. Das gelingt ihr, schon bevor die Fraktion sich konstituiert: der ‚Spiegel' berichtet, Gauland würde die Biografien seiner Mitstreiter im Parlament durchleuchten lassen, um Abgeordnete mit ‚rechter Vergangenheit' unter Druck zu setzen, das Mandat nicht anzutreten. „Dummes Zeug, es gibt keine Fälle, wo ich irgendein grundsätzliches Problem damit habe." Stolz präsentiert Gauland die Riege seiner parlamentarischen Mitkämpfer. Auch die Kandidaten, die aus dem West-Berliner Rechtsableger der CDU, einer Gruppierung mit dem Namen ‚Die Freiheit' kommen, geben darüber bereitwillig Auskunft: „Mein Name ist Rainer van Raemdonck, ich war in den Parteien SED, CDU und Freiheitspartei."
"Mein Name ist Thomas Jung, ich bin in den 90er-Jahren in den Wirtschaftsrat der CDU eingetreten, war dort bis 2011, bin dann auch in diese Bürgerrechtspartei Die Freiheit gegangen."
"Mein Name ist Steffen Königer, ich arbeitete als Redakteur der ‚Jungen Freiheit' für vier Jahre. Ich trat als einer der ersten dem ‚Neuen Forum' bei, 1990 war ich dann erst einmal eine Weile parteilos unterwegs, bis ich dann 1998 bei der Bundestagswahl über den ‚Bund Freier Bürger' gestolpert bin."
"Mein Name ist Andreas Kalbitz, ich hab schon seit der Gründung der Wahlalternative das sehr aufmerksam verfolgt, bin dann sehr frühzeitig AfD-Mitglied geworden und dann ging eigentlich alles Schlag auf Schlag..."
...dass er für die Zeitschrift "Fritz", dem Vereinsblatt der extrem rechten "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" geschrieben hat, erwähnt er allerdings erst auf Nachfrage. Oskar Niedermayer, Parteienforscher an der Freien Universität Berlin:
"Die Partei zieht Leute aus rechtspopulistischen bis rechtsextremen Kleinstparteien, die dort nichts geworden sind, an. Diese Leute sind in der Partei, sie machen sich auch lautstark bemerkbar und wenn man das nicht in den Griff bekommt, dann sehe ich eigentlich für die Etablierung der Partei im Bundesgebiet schwarz."
Alexander Gauland, Chef der AfD in Brandenburg
Alexander Gauland, Chef der AfD in Brandenburg© picture alliance / dpa / Foto: Bernd Settnik
Alexander Gauland, ein gestandener Konservativer, ist jahrzehntelang Mitglied der CDU, leitet in Hessen die Staatskanzlei, nach der deutschen Vereinigung wird er Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Als Rentner wird der 73-jährige Fraktionschef, zunächst von allen elf Abgeordneten. Denn es stellt sich heraus, dass es Stefan Hein war, der den "Spiegel" mit Informationen munitionierte, er wird bedrängt, sein Mandat nicht anzutreten. Gauland sagt "Uns ist eine Granate in der Hand explodiert." Hein ist sein Stiefsohn:
"Ich bin Kommunikationsberater und Projektmanager, ich hab bis vor kurzem an der Uni Greifswald studiert dort einen Master machen wollen, hab den aber aufgrund des Engagements für die Partei nicht beendet."
Als Nachrücker für Stefan Hein steht Jan Ullrich Weiß auf der Liste, AfD-Kreischef in der Uckermark. Bei Facebook hatte er eine antisemitische Karikatur gegen den Bankier Rothschild gepostet und die Verhandlung gegen die Terroristen des NSU in München als Schauprozess abgetan. Weiß will das Mandat behalten, vorsorglich wird er aus der Fraktion ausgeschlossen; die Partei tut sich allerdings schwer mit einem Ausschlussverfahren. Um Weiß zu verhindern, könnte ein Trick helfen: Hein tritt sein Mandat doch an. Würde er es erst aufgeben, nachdem Weiß aus der Partei ausgeschlossen ist, käme der Nächste auf der Liste zum Zuge. Offizielle Erklärung der AfD:
"Bei uns wird nicht getrickst!"
Kurze Zeit später erklärt Stefan Hein, sein Mandat doch anzunehmen, um Weiß zu verhindern. Die AfD schließt Hein aus der Fraktion aus, im Plenarsaal sitzt er allein zwischen AfD und CDU, als Büro bekommt er einen Raum neben der Kantine im 4. Stock. Währenddessen sind die verbliebenen zehn AfD-Abgeordneten im parlamentarischen Alltag angekommen. Sie kämpfen im wahrsten Sinne des Wortes gegen Windmühlen, wenn sie Riesenabstände für Windkraftwerke fordern, lehnen einen weiteren Vizepräsidenten-Posten für das Parlament ab und fordern eine Verkleinerung des Landtags, ohne allzu genaue Sachkenntnisse. Birgit Bessin, Parlamentarische Geschäftsführerin der AfD-Fraktion:
"Äh, hab jetzt gar nicht mehr Zahlen, wie viele Abgeordnete - wie viele Wähler auf einen Abgeordneten sind."
"Wenn ich da reingrätschen darf: Eine Zahl von 35.000 Abgeordneten, so haben das unsere vorübergehenden Berechnungen ergeben."
Der ihr da versucht beizuspringen, ist Detlev Frye, Pressesprecher der Fraktion. Er selbst sitzt für die AfD im Kreistag in Märkisch Oderland, ist aber dort mittlerweile aus der Fraktion ausgetreten, wegen personeller Ränkespiele:
"Es gibt in Märkisch Oderland - und das hat der Wähler so bestimmt - eine Fraktion, die besteht aus drei Mitgliedern. Diese Fraktion hatte sehr, sehr, sehr selten politische Auseinandersetzungen, sondern es hat tatsächlich auf der menschlichen Ebene geknirscht."
Die Alternative für Deutschland, die doch so anders als die anderen Parteien sein wollte, absolviert in Brandenburg viele Skandale und Ränkespiele im Schnelldurchlauf. Ob das Anlaufschwierigkeiten und Kinderkrankheiten einer neuen Bewegung sind, wird sich bald klären; möglicherweise steht am Ende die Einsicht, dass Politik doch etwas mehr braucht als populistische Forderungen.
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