Vorbereiten auf die Mühen der Ebene
Mit 9,7 Prozent der Wählerstimmen zieht die AfD in den sächsischen Landtag ein. Nach der ersten Euphorie folgt nun der parlamentarische Alltag.
Noch einmal öffnet Stefan Dreher am Freitagnachmittag mit seinem Schlüssel die schwere Holztür des Landgerichts in Dresden, geht in sein ausgeräumtes Büro.
"Das ist jetzt mein Arbeitszimmer natürlich ohne Akten."
Es ist sein letzter Arbeitstag als Richter hier. Ab Montag wird er dem neu gewählten sächsischen Landtag angehören. Als Abgeordneter der eurokritischen AfD.
Der 54-Jährige war vorher nie in einer Partei und ist 2013 wegen der Sorge um die Folgen der Eurorettung eingetreten. Die Thesen des Parteivorsitzenden und Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke erschienen ihm als angemessene Kritik am Vorgehen der Bundesregierung. Jetzt sieht er sich als Liberaler innerhalb der AfD. Populismus lehnt er ab.
"Die AfD ist eine Bürgerliche Partei. Wenn ich das mal so pauschal sagen darf. Ich muss nicht auf den Tisch hauen."
Dass der AfD immer wieder vorgehalten wird, sie biete auch Menschen mit rechter Gesinnung eine politische Heimat, kann Dreher nicht nachvollziehen. Die Debatte zum Beispiel um die politische Vergangenheit seines Fraktionskollegen Detlev Spangenberg findet er übertrieben.
Spangenberg, der eigentlich Alterspräsident des sächsischen Landtags werden sollte, wurde kurz nach der Wahl vorgeworfen, dass er Mitglied in rechten Gruppierungen gewesen sei, die Deutschland in den Grenzen von 1937 fordern. Spangenberg verzichtete auf das Amt das Alterspräsidenten.
"Mein persönlicher Eindruck von Herrn Spangenberg ist ein positiver. Und ich glaube, dass ihm das ein oder andere nachgesagt wird. Aber wir werden ihn gut integrieren können und wir werden daran arbeiten, dass die Zweifel ausgeräumt werden."
Welche Aufgaben genau er innerhalb der Fraktion übernehmen wird, weiß Dreher bis jetzt nicht.
Er hat noch kein eigenes Büro, kein Personal. Alles ist in die Wege geleitet, aber einen Monat nach der Landtagswahl ist Dreher noch nicht ganz in seiner neuen Rolle als Abgeordneter angekommen.
Landeschefin warnt vor den Mühen der Ebene
Samstag – Landesparteitag in Oberwiesenthal. Stefan Dreher hat als Teil der Versammlungsleitung alle Hände voll zu tun, muss Rednerlisten und Abstimmungen organisieren.
Statt sich über den Wahlsieg zu freuen, zerstreiten sich die Delegierten erst mal herzhaft übers Personal. Nachwahlen für den Vorstand stehen an.
Landeschefin Frauke Petry, die auch die neue Fraktion im Landtag führen wird, richtet ein paar mahnende Worte an ihre Parteikollegen:
Und so ist der Erfolg bei der Landtagswahl nur der Auftakt für die Mühen der Ebene. Wir müssen jetzt das, was wir im Landtagswahlkampf gefordert haben auch in Politik umsetzen.
Es ist noch viel zu tun für die 40-Jährige, denn ab Montag wird es ernst, dann zieht die junge Partei in ihren ersten Landtag ein.
Die AfD erhält die alten Sitze der NPD
Am Ort der Wünsche, im Plenarsaal des sächsischen Landtags, sind derweil die Haustechniker unterwegs. Stühle rücken, Tische an die neuen Fraktionsgrößen anpassen. Gerade ziehen sie die letzten Schrauben am Platz der künftigen Fraktionschefin Frauke Petry fest.
Dass der ausgerechnet dort ist, wo die NPD saß, sollte symbolisch nicht überbewertet werden. Irgendjemand müsse halt da sitzen, sagt die stellvertretende Pressesprecherin Katja Ciesluk:
"Jeder Tisch ist gleich, die werden gereinigt und aufbereitet, da gibt es nicht den NPD-Tisch oder so ..."
Ortswechsel – ein paar Treppen höher – Fraktionsbereich der Christdemokraten im Landtag: Die Mühen der Ebene, die wird es auch für die CDU in Sachsen geben. Auch wenn sie leicht verloren hat, bleibt sie klar größte Partei. Und doch sie quält sich damit, wie denn nun auf den Erfolg der Eurokritiker zu reagieren ist.
Der neue Fraktionsvorsitzende Frank Kupfer sucht noch nach seiner Linie:
"Wir dürfen jetzt nicht sie oder die Anhänger diffamieren. Sondern wir müssen an die Wähler ran und fragen, warum sind sie in das Lager der AfD gewechselt."
Ob das reicht? Gerade erst hat Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Partei mit ungewohnt scharfen Worten dazu aufgefordert, gegenüber den Eurokritikern eine härtere Gangart einzulegen.