Zeitreise in die Vergangenheit
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Die AfD trifft sich in Dresden, um sich für den Bundestagswahlkampf zu rüsten. Klar wird: Die Partei will zurück zu den vermeintlich guten alten Zeiten - als es noch die D-Mark gab und Familien nur aus Vater, Mutter und Kindern bestanden.
Nicht nur Union und Grüne machen es derzeit spannend bei der Frage, wer die jeweilige Partei in den Bundestagswahlkampf führen soll. Nun hat auch die AfD entschieden, den oder die Spitzenkandidaten nicht auf dem derzeit laufenden Bundesparteitag in Dresden auszurufen. Dort votierte eine Mehrheit der Delegierten gegen einen solchen Schritt. Stattdessen sollen zu einem späteren Zeitpunkt die Mitglieder der Partei darüber entscheiden.
Personaldebatten in der AfD – für den Politikwissenschaftler Thorsten Faas gibt es hier Unterschiede zu den anderen Parteien. Hinter der Wahl der AfD stecke immer noch ein starkes Protestmotiv, betont er: "Die Partei ist zerrissen, sie ist offenkundig an der Spitze auch nicht klar aufgestellt, programmatisch positioniert man sich, ist aber auch da an vielen Stellen uneins – aber das schlägt sich nicht so nieder in schlechten Wahlergebnissen, wie das vielleicht bei anderen Parteien der Fall ist. Weil es für Wahlentscheidungen zugunsten der AfD einfach nicht so wichtig ist. Da ist das Dagegensein, der Protest, weiterhin sehr weit verbreitet."
Der Stern der AfD ist gesunken
Zwar sei der Stern der AfD zuletzt gesunken, sagt Faas mit Verweis auf die letzten Ergebnisse bei Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Trotzdem liege sie weit über der Fünf-Prozent-Hürde. "Es ist schon bemerkenswert, dass es offenkundig in der Gesellschaft so viel Unzufriedenheit gibt, dass selbst so eine Partei, die mit sich selbst nicht im Reinen ist, auf ein sehr solides Fundament bauen kann."
Die AfD habe sich auf dem Parteitag vor allem in Abgrenzung zu den Grünen positioniert, berichtet unser Hauptstadtkorrespondent Volker Finthammer. Die Grünen ständen für eine Modernisierung der Gesellschaft, die die AfD ablehne. Die Partei wolle hingegen zurück in eine vermeintlich bessere, bundesdeutsche Vergangenheit: "Die EU soll zurückgeführt werden in einen Staatenbund souveräner Staaten, die AfD will die D-Mark wieder einführen, die Familie besteht aus Vater, Mutter und Kindern und in Kindergärten hat der 'Genderwahn' nichts zu suchen." Zudem wolle die Partei die erneute Wehrpflicht und aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen.
Fragen der Identität sind wichtiger als ökonomische
"Was wir sehen, ist eine Verschiebung der Konfliktdimension, es geht gar nicht (mehr) so sehr um ökonomische Fragen", interpretiert Faas diese Aussagen. Stattdessen ständen Fragen der Identität im Vordergrund: "Wer sind wir eigentlich? Wer bin ich? Was zeichnet mich eigentlich als Person aus?" Die Grünen ständen hier für eine plurale, vielfältige Gesellschaft, während es am anderen gesellschaftlichen Pol die Neigung gebe, "das alles abzulehnen und da nicht mitzugehen". Diese Konfliktlinie werde vermutlich die Debatten im Wahljahr prägen.
Wohin die AfD will, zeigt auch ihr Slogan in Dresden: "Deutschland. Aber normal". Dieser stelle die Frage, was heutzutage eigentlich noch normal sei, sagt Faas. Zugleich suggeriere er auch, dass es ein "unnormales Deutschland" gebe. Er greife damit eine vermeintliche Unsicherheit auf, die es in der Bevölkerung gebe - und die AfD biete so an, der "Raum für die Normalen" zu sein.
(ahe)