Affäre um französischen Autor und Moderator Yann Moix

Tendenz zum reinen Exhibitionismus

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Frontalers Portrait vom Schriftsteller Yann Mois.
Hat sich für seine antisemitischen Karikaturen entschuldigt: der Schriftsteller Yann Moix. © imago images / Agencepeps / F. Andrieu
Jürgen Ritte im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
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In Frankreich macht der Schriftsteller Yann Moix Schlagzeilen. Es geht um Antisemitismus und einen handfesten Familienstreit. Der Literaturkritiker Jürgen Ritte erkennt in beiden Skandalen Muster, die Literatur und Gesellschaft in unserem Nachbarland prägen.
Der skandalumwobene Provokateur, Schriftsteller und Talkshow-Moderator Yann Moix erregt derzeit Aufsehen mit seinem Roman "Orléans", in dem er gnadenlos mit seinem Vater, der ihn als Kind misshandelt habe, abrechnet. Vater und Bruder haben darauf in Tageszeitungen geantwortet. Zusätzlich sind in der Presse nun antisemitische Zeichnungen und Texte aufgetaucht, die Yann Moix als junger Student veröffentlicht hatte.
Literaturkritiker Jürgen Ritte spricht von einem "geradezu widerlichen Antisemitismus" - und glaubt dennoch, dass die erneut publizierten Karikaturen keinerlei Auswirkungen auf Moix‘ Karriere haben werden: "Denn die Provokation ist Teil des französischen Literaturbetriebs." Außerdem liebe man "reuige Sünder".

Mit einem mea culpa reingewaschen

Im Fernsehen hat Moix bereits seine Schuld eingestanden - ein mea culpa, "wie man es selten gesehen hat". Selbst der jüdische Intellektuelle Bernard-Henri Lévy, der Moix gefördert hatte und den dieser in seinen Karikaturen verspottet, ließ Milde walten. Er habe in seiner Kolumne in der Wochenzeitschrift "Le Point" geschrieben, dass er anerkenne, dass man auch bereuen könne, und er für Vergebung sei, berichtet Ritte: "Auf diese Art und Weise wird Moix reingewaschen."
Das Widerliche an dieser Angelegenheit sei, dass durch die Milde, die Autoren wie Yann Moix erfahren, der Antisemitismus zu einer Nebensache gemacht werde, sagt Ritte: "zu einer Sache, die nicht wichtig ist".
Das habe man auch schon bei den Gelbwesten-Protesten gesehen, als der französische Philosoph und Publizist Alain Finkielkraut judenfeindlich beschimpft wurde und sich die Gelbwestenbewegung in keiner Weise davon distanziert habe: "Es gibt in der Tat einen antisemitischen Fond in Frankreich, der sehr besorgniserregend ist und der das Ganze zu einer Bagatelle macht."

Yann Moix kommt im Grunde viel zu spät

Moix hat sich nun erst einmal zurückgezogen, will nicht mehr in den Medien auftreten oder sein Buch bewerben, um das sich der zweite Skandal rankt.
In Literatur versteckte Familienabrechnungen seien in Frankreich in Mode, so Ritte: Michel Houellebcq habe das mit seiner Mutter gemacht, und auch die Schriftstellerin Christine Angot lasse in ihren Texten Menschen aus ihrem Umfeld auftreten und benenne diese sogar mit ihren richtigen Namen. Wenn sie dann aber selbst angegriffen werde, verstecke sie sich hinter der Literatur.
Ähnlich zelebriert hätten das auch Didier Eribon und Edouard Louis. "Da gibt es eine Tendenz in der französischen Literatur zum reinen Exhibitionismus. Und mir fällt es sehr schwer, das als Literatur zu betrachten", sagt Ritte. Yann Moix komme nun im Grunde viel zu spät "auch noch mit so einer Geschichte". Und möglicherweise sei diese – "das letzte Wort ist noch nicht gesprochen" – ja auch einfach nur "erstunken und erlogen".
(kpa)
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