Freundschaft entsteht beim Futterteilen
Durch das Teilen ihrer Beute bauen die Budongo-Schimpansen soziale Bindungen auf. Das haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig im afrikanischen Regenwald herausgefunden.
Die Rufe von Schimpansenmännchen in den Regenwäldern Afrikas sind Roman Wittig gut vertraut. Der Verhaltensforscher ist Direktor des Schimpansen-Projektes im Tai-Nationalpark an der Elfenbeinküste. Die schrillen Schreie werden als Pant-hoot bezeichnet.
"Schimpansen fangen an, sich langsam in Stimmung zu bringen, fangen an, den Körper vor- und rückwärts zu bewegen, und fangen an, den Kopf auf und ab zu bewegen. Huh, Huh. Da kommt diese erste Vokalisation rein. Irgendwann explodiert das in einem lauten Pant-hoot und dann wird auf eine Brettwurzel gesprungen und sie fangen an, auf dieser Brettwurzel mit Händen und Füßen zu trommeln."
Es handelt sich um Soziallaute, wenn der Ruf: Hier bin ich! - durch das Dickicht dringt.
"Das würde sich dann so anhören. - Huh.Huh. Huh. - Jetzt springt er. - Klopfen. Schrei. - Und so werden über weite Distanzen hinweg immer wieder Positionen der einzelnen Tiere bekannt gegeben, so dass sich die Gruppe eigentlich nie total verliert im Wald. Wenn man eine Sichtweite von 15 Metern hat, aber sich in Untergruppen aufteilt und dann alleine oder in Untergruppen durch den Wald zieht, hält man so Kontakt miteinander."
Unsere nächsten Verwandten können bis zum Exzess streiten, aber auch Frieden stiften. Nun wurde entdeckt: Schimpansen teilen Futter! Nicht nur selten und zufällig, sondern häufig und folgerichtig. Wird ein Stummelaffe gefangen und zerlegt, verzehrt nicht jeder Schimpanse die Beute für sich allein. Wenn ein Menschenaffe etwas abgibt, entwickelt er Aufmerksamkeit für die Artgenossen. Neue Kooperationen bahnen sich an. Dieses In-Gesellschaft-Treten der Schimpansen ist der Punkt, an dem Roman Wittig mit seiner neuesten Studie ansetzt. Am Anfang der Beweiskette steht ein Video aus der afrikanischen Wildnis. Man sieht: Nachdem die Männchen Kato und Hawa erfolgreich zusammen gejagt haben, verzichten sie auf einen Kampf um die Beute.
"Kato hat den Affen in der Hand. Hawa kommt und streckt seine Hand aus und möchte etwas haben davon. Kato wird jetzt genau dieses Fleisch in den Mund nehmen und wird ein Stück davon abbrechen. Da. Jetzt knackte es. Und dann gibt er es rüber. Hawa nimmt es in die Hand. Setzt sich einen Meter weg von ihm und fängt auch an zu fressen."
Der Affen-Urin liefert den Beweis
Bei Schimpansen gibt es Aggression und Geschrei, aber auch Versöhnung und Kooperation. Die aktive Abgabe von Futter ist eine ihrer wichtigsten sozialen Handlungen. Mit den sichtbaren Bildern des Teilens geben sich die Primatenforscher aber nicht zufrieden. Sie sammeln draußen im Busch auch Urin der Schimpansen, um drinnen im Labor in Leipzig zu prüfen: Findet sich bei Affen, die Futter teilen, im Urin das sogenannte Kuschel-Hormon Oxytocin? Roman Wittig und seine Kollegen haben 79 Urinproben von 26 frei lebenden Schimpansen aus dem Budongo Forest in Uganda gesammelt und analysiert. Das Ergebnis fiel überraschend eindeutig aus.
"Diese aktive Futterübergabe findet bei Schimpansen sehr häufig da statt, wo Tiere eine Beziehung entweder aufbauen oder etwas gemeinsam zusammen geleistet haben. Wie zum Beispiel eine Jagd. Wir wissen, dass besonders hier bei diesem Futterteilen Freundschaften entstehen, weil Oxytocin-Werte hinterher im Urin ungefähr fünfmal so hoch sind wie in Situationen, wo dieses Futterteilen nicht statt findet."
Der Befund ist eine Weltneuheit aus Leipzig. Im Urin der Budongo-Schimpansen konnte gemessen werden, dass durch Teilen soziale Bindungen entstehen. Bleibt die knifflige Frage: Wie im dunklen Busch Schimpansenurin eingefangen wird.
"Auf verschiedene Art und Weise. Am liebsten war es uns immer, wenn die Schimpansen im Baum saßen. Dann haben wir eine Astgabel genommen und haben eine Plastiktüte drüber gemacht und haben uns drunter gestellt. Dabei sind natürlich auch wir manchmal etwas nass geworden, aber so hat man das beste Urin bekommen und auch reichlich. Aber man kann es auch von einer kleinen Pipette von den Blättern abpipettieren, wie mit einem Staubsauger."
Das in der Forschung kostbare Gut wird im Wald in Flüssig-Stickstoff eingefroren. Im Container gesammelt. Auf Trockeneis verpackt. Im Flieger aus Afrika nach Leipzig geschafft. Im Labor des Max-Planck-Instituts kann das Sozialhormon nachgewiesen werden. Dadurch gelang der Beweis, dass nicht nur Menschen Nahrung teilen, um Bindungen zu schaffen. Kumpane ist eine alte Bezeichnung für Brotgesellen, also Menschen, die Essen miteinander teilten. Auch Schimpansen bilden kumpelhafte Beziehungen.
"Futter teilen bewirkt, dass Beziehungen aufgebaut werden. Und Beziehungen werden zwischen nicht verwandten und verwandten Tieren aufgebaut. Das heißt, hier haben wir einen Mechanismus zur Hand, der Kooperation zwischen nicht verwandten Tieren stabilisiert. Der solche kooperativen Beziehungen über lange Zeiten stabil halten kann. Das war bislang etwas, was nur dem Menschen zugetraut wurde."
Es gibt sie also noch, die Sozialisten im Sinne von socialis - von kameradschaftlich und kumpelhaft. Zumindest im Busch von Budongo.