Das Afghanen-Hotel in Albanien
Taliban versuchen Anfang September nach der Machtübernahme, Frauen in Kabul daran zu hindern, für Menschenrechte zu demonstrieren. © picture alliance / AA / Bilal Guler
Exil-Berichte über die Taliban
21:40 Minuten
Etwa 1000 Afghaninnen und Afghanen sind in einem Hotel an der albanischen Adriaküste untergebracht. Darunter viele Journalisten, die eine Exil-Redaktion aufbauen wollen, um das zu berichten, was ihre Kollegen in Afghanistan nicht mehr dürfen.
Ein Strand an der Adriaküste Albaniens. Das Meer ist sanft heute und spült nur in kleinen Wellen über den Sand. Entlang des Ufers ziehen sich mehrstöckige Hotelbauten. Wie eine Mauer aus pastellfarben gestrichenem Beton, die sich erst am Horizont verliert. Klein sehen dagegen die Menschen aus, die in Dutzenden Grüppchen entlang der Strandpromenade schlendern.
„Jeden Nachmittag und jeden Abend laufen die Migranten hier auf und ab", meint Faisal Karimi. Wenn er von Migranten spricht, meint er auch sich selbst: "Es hilft beim Nachdenken und es ist gut, um sich auszutauschen, um mit der Familie und Freunden zu sprechen. Nach dem Mittagessen spaziere ich mit meiner Frau, am Nachmittag dann mit Kollegen. Mindestens zwei, drei Stunden laufen wir gemeinsam.“
Der 37-Jährige stammt aus Afghanistan. In der abkühlenden Herbstluft zieht er seine schwarze Lederjacke enger um die Schultern, der Wind zerrt an seinem dünnen Haar.
Karimi ist Journalist und einer von mehr als 1000 Afghaninnen und Afghanen, die die albanische Regierung hier an der Küste des Landes untergebracht hat. Nach dem Fall der alten Regierung und der Machtübernahme der Taliban, haben Karimi und die anderen Geflüchteten in Shëngjin ein temporäres Zuhause in einem der vielen Hotels gefunden, die es in dem kleinen Küstenort gibt.
Ziel der Journalisten: Eine Exil-Redaktion aufbauen
Doch Karimi und weitere afghanische Journalistinnen und Journalisten wollen nicht tatenlos warten – sie sind stattdessen dabei, ein Projekt auf die Beine zu stellen, das langsam Formen annimmt.
„Unser Team begleitet die Ereignisse in Afghanistan von hier aus – wir organisieren etwa Fortbildungen und Workshops für afghanische Frauen und ganz allgemein für die Bevölkerung. Wir wollen die Menschen darüber informieren, was in ihrem Land geschieht. Echte Nachrichten werden verzweifelt gesucht. Wir sind weiterhin in Kontakt mit Kollegen, die in Afghanistan geblieben sind. Wir sprechen mit ihnen und beobachten so die Lage im Land.“
Im Hotel Rafaelo in Shëngjin sind rund 50 afghanische Journalisten untergekommen. Karimi, der in seiner Heimatstadt Herat bereits mehrere Redaktionen gegründet hat, will sie nun in einer Exil-Redaktion zusammenbringen. Dabei sind sie angewiesen auf Kolleginnen und Kollegen, die in Afghanistan zurückgeblieben sind und wertvolle Hinweise liefern.
„Das Leben von Journalisten in Afghanistan wird durch die Taliban bedroht, das ist das größte Problem. Wir konzentrieren uns deshalb darauf, diejenigen aus dem Land zu schaffen, die direkt mit dem Tod bedroht werden. Von Albanien aus bitten wir internationale Organisationen, den Kollegen zu helfen.
Die zweite große Herausforderung für afghanische Journalisten ist die finanzielle Lage der Redaktionen und Medienhäuser. Die meisten haben keinerlei Geld mehr, sowohl Werbeeinnahmen als auch die Unterstützung ausländischer Geldgeber sind weggebrochen. In den letzten drei Monaten haben 160 Redaktionen geschlossen, viele Journalisten sind arbeitslos.“
Journalisten stehen auf Todeslisten
Seit dem 15 August sind die Taliban an der Macht in ganz Afghanistan. Der Versuch, nach der Militärintervention 2001 eine parlamentarische Demokratie nach westlichem Vorbild zu etablieren, ist damit vorerst gescheitert. Aber eine ganze Generation von Afghaninnen und Afghanen hat in diesen Jahrzehnten gelernt, wie sich Presse- und Meinungsfreiheit anfühlt. Heute bangen viele Menschen um ihr Leben, die genau von diesen Rechten Gebrauch machen wollen.
„Im Moment fragen wir uns: Wie können wir auf die Lage von Journalisten in Afghanistan aufmerksam machen? Welche Herausforderungen müssen sie bewältigen? Wie können wir aus dem Exil helfen? Morgen zum Beispiel haben wir einen Zoom-Call organisiert, der sich mit den spezifischen Herausforderungen afghanischer Frauen befasst. Frauen aus allen Teilen des Landes werden über ihre Probleme und mögliche Lösungen sprechen.“
Auch wenn Karimi und die anderen Journalisten in Albanien in Sicherheit sind, fürchten sie den Zorn der neuen Machthaber und dass dieser sich an Familienmitgliedern entladen könnte, denen die Flucht aus dem Land noch nicht gelungen ist. Auch Karimi droht ganz konkret Gefahr:
„Schon bevor ich aus Afghanistan geflohen bin, haben die Taliban mir und meinen Kollegen mit dem Tod gedroht. Jetzt hat sich jemand bei mir gemeldet, der gewisse Einblicke in die neue Regierung hat und der von Todeslisten berichtet. Neben Politikern und Aktivisten stehen auch Medienschaffende darauf. Ich wurde gewarnt, auch mein Name stehe auf der Liste.“
Antidepressiva gegen die Angst
Viele der Afghaninnen und Afghanen im Hotel Rafaelo berichten von Angstzuständen. Die Bilder der eigenen Flucht haben sich eingebrannt, Sorgen um die in Afghanistan verbliebenen Freunde und Familienmitglieder begleiten die Menschen in den Schlaf. Die Ärzte auf der Medizinstation des Hotels verschreiben regelmäßig Antidepressiva.
Es ist eine Stimmung, die im Kontrast zu dem Ort steht, an dem die albanische Regierung die geflüchteten Afghanen untergebracht hat. Auch wenn die großzügige Pool-Landschaft seit Ende der Badesaison geleert ist, erzählen ihre blauen Kacheln noch von Sommertagen.
Kinder toben jetzt über den zentralen Platz, den die vier Hotelgebäude umschließen. Dort steht auch eine fünf Meter hohe Nachbildung der amerikanischen Freiheitsstatue. Das zeigt die Begeisterung vieler Albaner für die USA.
Taliban fordern für jedes Interview Genehmigung
Faisal Karimi ruft einen der vielen Kontakte in Afghanistan an. Am anderen Ende ist ein befreundeter Journalist aus dem Westen des Landes. Er soll hier Amir Ghayur heißen, seinen wahren Namen möchte er aus Sorge um sich und seine Familie nicht veröffentlicht sehen.
Faisal Karimi ruft von der Mensa aus an, im ausgebuchten Hotel Rafaelo ist es schwer, einen ruhigen Ort für solche Gespräche zu finden. Die beiden Journalisten Tauschen sich aus, teilen ihre Sorgen und überbrücken die tausenden Kilometer zwischen Albanien und Afghanistan mit wenigen Sätzen. Dann reicht Faisal Karimi sein Handy weiter. Wie geht es Amir Ghayur, wollen wir wissen?
„Seitdem die Taliban zurück an der Macht sind in Afghanistan, ist die Situation für Journalisten nicht gut. Unter der vorherigen Regierung konnten wir frei arbeiten und berichten, es gab keine Probleme – unter den Taliban ist das anders. Sie wissen nichts von der Meinungs- oder Pressefreiheit. Für jedes einzelne Interview, das wir führen wollen, braucht es zum Beispiel eine Genehmigung. Egal ob es eine Person auf der Straße oder Vertreter der neuen Regierung ist. Dann müssen wir Tage und Wochen warten, das ist sehr problematisch.“
Auch der Journalist Amir Ghayur will Afghanistan so schnell wie möglich verlassen. Mittlerweile hat er Angst, wenn er zur Arbeit geht. Gleichzeitig kann er nur so seine Familie ernähren:
„Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan ist sehr schlecht. Wir haben natürlich darüber berichtet, aber wenn es um solche Themen geht, müssen wir sehr vorsichtig sein. Besonders, wenn wir die Taliban dazu befragen. Außerdem können wir nur sehr simple Fragen stellen, die sind einfach nicht hilfreich. Leider können wir die neuen Gouverneure und Amtsleiter nicht mit diesen Problemen konfrontieren.“
"Keine Veröffentlichungen gegen die Regierung"
Der Journalist ist frustriert. Keine kritischen Fragen mehr, keine freie Wahl der Gesprächspartner. Alles müsse er sich genehmigen lassen. Er sei jetzt völlig abhängig von den Taliban, die oft auch noch ungebildet seien und keine Ahnung hätten, was sie eigentlich tun. Früher hätten die Menschen einige Behördengänge sogar digital erledigen können, jetzt laufe alles wieder mit Stift und Papier. Und für afghanische Journalisten gelten strenge Auflagen.
„Es gibt viele Fragen, die wir einfach nicht stellen können – entweder weil die Taliban keine Antwort haben oder weil ihnen unsere Fragen nicht gefallen. Sie sagen dann, wir sollen einfach ein paar Monate warten und wenn Gott es will, wird sich das Problem erledigen. In unseren Berichten sollen wir auf keinen Fall das von ihnen ausgerufene Islamische Emirat verantwortlich machen und positive Entwicklungen in den Vordergrund stellen. Sie fordern: Veröffentlicht nichts, was sich gegen die neue Regierung richtet.“
Nachdem Amir Ghayur auflegt, blickt Faisal Karimi nachdenklich über den Innenhof des Hotels, über den eine Gruppe von Jungen einen Fußball jagt. Was passiert, fragt er sich, wenn die letzten Journalisten wie Amir Ghayur Afghanistan verlassen?
„Ich bin sehr beunruhigt. Alle afghanischen Journalisten sind geschockt. Jeden Tag wird das Land ein wenig dunkler.“
Afghanistan wird dunkel. Es ist eine Formulierung, die man im Hotel Rafaelo häufiger hört. Je mehr Journalistinnen und Journalisten fliehen oder aus Angst vor den Taliban ihre Arbeit einstellen, desto weniger gesicherte Informationen dringen nach außen. Dann bliebe nur noch die Propaganda der Taliban. Ohne Journalisten im Land droht Afghanistan zu einer Blackbox zu werden.
Allerdings glaubt wie Faisal Karimi auch Amir Ghayur, dass eine Berichterstattung aus dem Exil zumindest eine Option ist. Doch kann das von Albanien aus funktionieren? Die im Hotel Rafaelo gestrandeten Afghanen jedenfalls wollen weiter in die USA, nach Kanada, Großbritannien oder Deutschland. Noch werden ihre Visaanträge in den Zielländern geprüft, bis dahin bleiben sie wohl über Monate im albanischen Transit. In einem Land, in dem viele Menschen wissen, wie es sich anfühlt, die Heimat zu verlassen.
Albaner kennen Diktatur und Flucht
In der albanischen Hauptstadt Tirana spielt eine Militärkapelle auf, in roter Paradeuniform stehen Soldaten Spalier. In Sichtweite des zentralen Skanderbeg-Platzes salutieren sie den Kranzträgern, die ihre Gestecke vor einem Gedenkstein niederlegen. Politische Prominenz ist anwesend, Kriegsveteranen beobachten die Zeremonie mit feuchten Augen.
Es ist der 17. November. An diesem Tag endete 1944 die Besatzung Albaniens durch das nationalsozialistische Deutschland – die deutschen Faschisten waren auf die italienischen Faschisten gefolgt. Nach den Nazis gelangte der Kommunist Enver Hoxha an die Macht, dessen eisernes Regime selbst den Tod des Diktators überdauerte und erst 1990 mit Ende des Kalten Krieges implodierte. Damals begann auch in Albanien der große Exodus.
„Die albanische Gesellschaft, ganz allgemein gesprochen, hat viel Verständnis für Migranten. Man muss dabei im Kopf haben, dass ein Drittel unseres Landes seit den 1990er-Jahren ausgewandert ist und heute über die ganze Welt verteilt lebt. Ich vermute, dass jede albanische Familie mindestens ein Mitglied hat, das ausgewandert ist und deshalb genau weiß, welche Probleme das mit sich bringt.“
Lutfi Dervishi sitzt in seiner Redaktion in Tirana. Unweit des heutigen Szeneviertels Blloku. Unter Hoxha ein abgeschottetes Refugium für die Elite des Landes – hat er das „Albanian Center for Quality Journalism“ gegründet. Dervishi ist Journalist und hat selbst über die Situation im Hotel Rafaelo und die Afghanen berichtet.
„Wenn es um die Aufnahmemöglichkeiten geht, muss man genau hinschauen. Albanien hat einfach nicht die Einrichtungen, um mehr als ein paar Hundert Menschen gleichzeitig unterzubringen. Deshalb hat die albanische Regierung wie schon bei einem schweren Erdbeben vor zwei Jahren gehandelt: Auch damals wurden obdachlos gewordene Menschen in einem Luxushotel an der Küste untergebracht.“
Dervishi, bekannt als Moderator einer politischen TV-Show, hält die Aufnahme der schutzsuchenden Afghanen aber nicht für den Ausdruck reiner Nächstenliebe, sondern vermutet politisches Kalkül. Denn nicht allen Migranten bietet die Regierung von Ministerpräsident Edi Rama komfortable Hotelzimmer an.
„Es ist schon ein geschickter PR-Schachzug. Albanien hat ja ein Imageproblem. Und mit diesem Manöver – wenn wir auf die öffentliche Meinung schauen – und die internationale Berichterstattung: Die albanische Regierung hat hier schlicht nichts zu verlieren und kann deshalb nur punkten.“
Erste Frau interviewt Taliban
Zurück an der Küste im Hotel Rafaelo. Genau wie die Entscheidung der albanischen Regierung, schutzbedürftigen Afghanen temporäres Asyl zu gewähren, hat auch die junge Journalistin Beheshta Arghand weltweit Schlagzeilen gemacht. Kurz nach dem Fall Kabuls hat sie als erste Frau überhaupt einen Taliban-Offiziellen interviewt – live und ohne sich vorbereiten zu können.
„Als ich ihn im Studio gesehen habe, mitten in der Übertragung, war ich geschockt und verängstigt. Aber dann habe ich zu mir gesagt, dass ich diesen Schritt gehen muss – für alle Afghaninnen. Wir müssen den Taliban zeigen, dass wir Teil dieser Gesellschaft sind, dass wir Rechte haben und die uns nicht nehmen lassen. Den Schock spüre ich bis heute, wenn ich an dieses Interview denke. Wie ich es damals durchziehen konnte, kann ich nicht sagen. Aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe.“
Die 24-Jährige zupft nervös an ihrem Kopftuch, die dunkelrot lackierten Nägel trommeln auf den überschlagenen Knien. Die Journalistin ist jung. So jung, dass sie die Taliban nur aus den Nachrichten und den Erzählungen ihrer Eltern kennt:
„Ich war völlig verängstigt. Meine Hände haben gezittert, mein Herz hat gerast. Dann habe ich mir gut zugeredet. Es war so ein schweres Interview. Ich bin jung und habe niemals zuvor einen Taliban getroffen. Ich kannte sie nur aus den Nachrichten und aus Erzählungen in der Familie. Alles, was ich wusste: Das sind keine guten Menschen und Frauen gestehen sie keinerlei Rechte zu.“
Kündigung wegen Taliban-Auflagen
Nach dem Interview mit Maulawi Abdul Haq Hemad ändert sich das Leben von Beheshta Arghand dramatisch. Die Taliban übernehmen die Kontrolle in Kabul und sind auf einmal mit den Journalisten der Hauptstadtpresse konfrontiert, die in den letzten zwei Jahrzehnten die afghanischen Regierungen kritisch begleitet haben. Auch der inzwischen weltweit bekannte TV-Sender TOLO News, Beheshta Arghands Kanal, kann nun nicht mehr wie bisher berichten.
„Ich ging ins Studio und habe mit meinem Produzenten und anderen Vorgesetzten gesprochen. Sie haben mir gesagt, ich müsste nun die Kleidung tragen, die die Taliban vorschreiben und so reden, wie sie es verlangen. Würde ich das akzeptieren, könnte ich zurück an die Arbeit gehen. Wenn nicht, müsste ich gehen. Ich habe ein Wochenende darüber nachgedacht und dann meinen Job aufgegeben.“
Am Ende gibt Beheshta Arghand nicht nur ihren Job auf, sondern muss aus Afghanistan flüchten. Ihre plötzliche Prominenz und das im Land durchaus kritisch kommentierte Interview mit dem Taliban-Offiziellen hat sie zur Zielscheibe werden lassen. Die Angst der Journalistin vor den Radikalen wurde übermächtig. Ihr Fall scheint ein Menetekel für die Zukunft des afghanischen Journalismus zu sein.
„Viele meiner Journalisten-Kollegen wurden evakuiert. Eine Freundin aber blieb zurück, sie erzählt mir jetzt, dass sie ihre Arbeit nicht mehr richtig machen kann. Wenn sie darüber berichten wollen, wie schlimm es im Land ist, bekommen sie ernsthafte Probleme. Warum redet ihr so schlecht, fragen die Taliban dann. Wir Journalisten sind dort einfach nicht mehr frei, wir sind nicht mehr unabhängig.”
Wie Faisal Karimi und Amir Ghayur kann sich auch Beheshta Arghand vorstellen, aus dem Ausland weiter über Afghanistan zu berichten – auch wenn sie sich wie viele Journalisten um ihre Familie sorgt.
„Ich wäre gerne Teil eines Projekts, das aus dem Exil über Afghanistan berichtet. Aber wie alle Journalisten hier im Rafaelo, habe ich keine Ahnung, wohin es für mich geht und wie lange ich in Albanien bleibe. Wir haben alle Angehörige in Afghanistan, das bereitet uns Sorgen. Wenn wir schreiben, wie es um unsere Heimat steht, könnten sie in Schwierigkeiten kommen. Wenn wir irgendwann eine neue Heimat gefunden haben, möchte ich aber wieder berichten.“
Journalistinnen waren auch vorher gefährdet
Über den Bildschirm von Faisal Karimis Smartphone zieht sich ein langer Riss. Wie die meisten Journalisten im Hotel Rafaelo, bleibt ihm nicht viel mehr als das schmale und abgenutzte Handy, um journalistisch zu arbeiten. Jetzt hat er sich in eine von ihm organisierte Video-Konferenz eingewählt, in der vier Frauen aus dem Hotel Rafaelo über die Herausforderungen der Afghaninnen sprechen. Moderiert wird das Gespräch von Ziagul Azimi, die 27-Jährige ist Chefredakteurin der „Afghanistan Women News Agency“.
„Im vergangenen Jahr haben wir vor allem über die Friedensverhandlungen mit den Taliban berichtet. Frauen waren in den Gesprächen kaum vertreten. Wir wollten den Frauen eine Stimme geben und deren Bedürfnisse und Erwartungen an die Verhandlungsführer in der Regierung vermitteln.“
Für Journalistinnen war die Arbeit auch vor der Machtübernahme der Taliban gefährlich. Ziagul Azimi ist auch deshalb gewohnt, gegen Widerstände anzugehen, und will trotz der Sorge um ihre Familie weiterarbeiten. Auf ihrer Website war zuletzt etwa ein Artikel zu lesen über Frauen in Herat, die einen Buchclub gegründet haben, um so ihrem Recht auf Bildung Nachdruck zu verleihen.
„Seitdem ich Afghanistan verlassen habe, arbeite ich von hier. Insbesondere in den letzten zwei, drei Wochen haben wir viel zu den Problemen von Frauen veröffentlicht. Auch wenn wir Familie in Afghanistan haben, machen wir weiter. Auch dann, wenn es Freunden im Land Probleme macht. Wir haben verschiedene Möglichkeiten, etwa in dem wir Berichte anonym veröffentlichen oder unter einem anderen Namen.“
Es wird dunkel für Frauen in Afghanistan
Auch Ziagul Azimi möchte aus dem Exil heraus die Geschehnisse in ihrer Heimat begleiten. Gleichzeitig weiß sie, dass das immer schwieriger wird, je mehr Journalistinnen und Journalisten das Land verlassen und ihre Kollegen im Exil dann nicht mehr mit Hinweisen versorgen können.
„Es gibt einige Journalistinnen, die weiterhin in Afghanistan sind, denen geht es nicht gut. Sie haben viele Probleme, mit denen sie sich herumschlagen müssen. Die meisten haben ihren Job verloren, manche verstecken sich und bei einigen wissen wir nicht einmal, wo sie sich befinden. Es gibt keine Hoffnung, nur noch Angst – das ist jetzt ein integraler Bestandteil im Leben einer afghanischen Journalistin.“
Es wird dunkel in Afghanistan, befürchtet auch die 27-jährige Chefredakteurin Ziagul Azimi. Sie ist überzeugt, dass die aufziehende Dunkelheit Frauen besonders schwer treffen wird. Schon heute leiden sie am stärksten unter der Gewaltherrschaft der Taliban.
„Alle Journalisten wollen das Land verlassen, das besorgt mich. Wer wird denn über all die Probleme berichten, die wir haben? Am Ende wird es die Frauen besonders hart treffen, wenn alle Journalistinnen im Ausland sind und sich kaum noch jemand für unser Schicksal interessiert. Umso wichtiger ist es, dass Journalistinnen im Exil weiter über Afghanistan berichten.“