Afghanische Fußballerinnen in Berlin

Endlich Sport treiben dürfen

05:56 Minuten
Die deutsch-afghanische Fußballspielerin Dorranai Hassan aus Berlin.
Sicher auch ein Vorbild für junge Frauen aus Afghanistan: die deutsch-afghanische Fußballerin Dorranai Hassan aus Berlin. © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Von Jutta Heeß |
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Schon vor der Machtübernahme der Taliban war Mädchensport in Afghanistan weitgehend verpönt. Inzwischen ist er ganz verboten. Doch in Berlin können einige geflüchtete Frauen und Mädchen endlich ihren Traum leben: Fußball spielen.
Ein Sportplatz in Berlin-Mitte, eingerahmt von Hochhäusern. Als am frühen Abend zehn Frauen beginnen, Fußball zu spielen, fällt die Herbstsonne nur noch auf einen kleinen Streifen am Rand des Platzes.
Veranstaltet wird das Training vom Verein Champions ohne Grenzen, der Geflüchteten kostenlose Sportangebote macht. Heute treffen sich ausschließlich Frauen zum Kicken – zwei Trainerinnen leiten die Stunde.
Die jungen Frauen sind zwischen 16 und 30 Jahre alt. Manche sind schon etwas länger dabei, andere noch recht neu in der Gruppe. Doch Spaß haben sie alle, sie sind fröhlich und ausgelassen.
Einige Spielerinnen kommen aus Afghanistan und sind hier in Deutschland zum ersten Mal mit Sport in Berührung gekommen. So wie die 18-jährige Schülerin aus Kabul, die ihren Namen nicht nennen möchte, da sich ihre Schwester noch in Afghanistan aufhält und sie sie nicht gefährden will. Seit zwei Jahren lebt die junge Frau in Deutschland.
"Als ich in meiner Heimat war, war ich nur in der Schule, bin nach Hause gekommen, ich hatte kein Hobby, Fußball oder Volleyball, ich konnte auch nicht Fahrrad fahren. Das war für mich sehr traurig, ich wollte auch Fußball spielen, das guckte ich immer im Fernsehen, Fußballmannschaften von Jungen und Frauen aus anderen Ländern. Und ich war sehr traurig, dass es in Kabul, in Afghanistan nicht so ist."

Körperliche Ertüchtigung von Frauen war verpönt

Für Mädchen und Frauen war es in Afghanistan noch nie selbstverständlich, Sport zu treiben. Obwohl die Afghanen sehr sportbegeistert sind, war körperliche Ertüchtigung für Frauen verpönt. Viele Sportlerinnen haben daher das Land verlassen, zum Teil schon vor der Machtübernahme der Taliban. Beschimpfungen und Morddrohungen gegenüber Athletinnen waren keine Seltenheit.

Die Fußballerin Shabnam Ruhin spielte für die Nationalmannschaft Afghanistans. Im Nachspiel berichtet sie von der Situation von Sportlerinnen in Afghanistan .

Nun haben die Taliban ganz offiziell ein Sportverbot für Frauen und Mädchen erlassen. Das Glück, hier in Deutschland Fußball spielen zu dürfen, ist für sie nun umso größer.
"Als ich nach Deutschland gekommen bin, bin ich am dritten Tag in diese Mannschaft gekommen und ich habe Fußball gespielt. Das war für mich wie ein Traum und ich bin sehr froh, dass ich hier Fußball spielen kann. Ich habe ein Fahrrad und kann Fahrrad fahren, ich habe viele Hobbys."
Nicht allen hier fällt es leicht, über ihre Heimat und ihre Erfahrungen zu sprechen – zu groß sind die Belastung und der Stress, wenn sie an eigene Erlebnisse und die Situation in ihrer Heimat denken:
"Nein, ich möchte nicht über meine Erfahrungen sprechen. Ich fühle mich dann superschlecht, weil mir klar wird, dass die ganze Welt, dass so viele Menschen die Augen verschließen angesichts der schrecklichen Situation in Afghanistan. Es tut mir leid, mehr kann ich dazu nicht sagen."

Im Lager Moria begann Fatima mit dem Sport

Nach dem Training sitzen die Spielerinnen mit ihren Trainerinnen an einem Tisch und unterhalten sich lebhaft. Die Betreuerin Juli von "Champions ohne Grenzen" hilft einigen Frauen noch beim Ausfüllen von Formularen – "Nachspielzeit Pro" nennt der Verein diese Unterstützung von Geflüchteten in beruflichen und schulischen Belangen.
Die 16-jährige Fatima möchte nach kurzem Zögern über ihre Erfahrungen in Afghanistan und auf ihrer Flucht reden. Auch für sie ist in ihrer Heimat Sport nie ein Thema gewesen, sie sei nur für die Schule aus dem Haus gegangen. Seit fünf Monaten lebt Fatima in Berlin. Ihr Heimatland hatte sie bereits im Alter von zwölf Jahren verlassen, sie lebte danach zwei Jahre im Iran und zwei Jahre im Flüchtlingslager Moria. Ausgerechnet dort hat sie begonnen, Sport zu treiben.
"Als ich nach Griechenland gekommen bin, war es echt schlimm und langweilig, immer im Zelt zu sitzen. Es war so heiß, man musste rausgehen und irgendwas machen. Ich habe viele Mädchen getroffen, die alle Lust auf Sport hatten. Ich habe angefangen zu laufen, Volleyball und Basketball zu spielen, einfach um ein bisschen Spaß zu haben und um zu vergessen, was sich gerade in meinem Leben abspielt. Als ich hierher gekommen bin, war ich motiviert, mehr Sport zu machen."

Eine Normalität, die sie in der Heimat nicht hatten

Fatima, die nun in Berlin zur Schule geht, kommt regelmäßig zum Training von "Champions ohne Grenzen" – nicht nur, weil ihr Fußballspielen so viel Freude bereitet.
"Es ist perfekt! Ich bin ja hierhergekommen, ohne ein Wort Deutsch zu können, aber nun mache ich große Fortschritte. Es ist gut, zur Schule zu gehen, aber wenn man Freunde hat, mit denen man Deutsch sprechen kann, dann ist das perfekt."
Die integrative Kraft des Sports wird an diesem Abend hier auf dem Sportplatz in Berlin-Mitte erlebbar. Und noch mehr: Zwei Tore und ein Ball stillen die Sehnsucht der Frauen nach einer Normalität, die sie in ihrer Heimat in dieser Form nie erleben konnten.
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