Afghanische Sternengucker

Rendezvous mit dem Mond in Kabul

Der Sternengucker Ibrahim Amiri hat Physik studiert.
Der Sternengucker Ibrahim Amiri hat Physik studiert. © Deutschlandradio / Sandra Petersmann
Von Sandra Petersmann |
Afghanische Hobby-Astronomen haben es schwer: Ein Teleskop könnte für einen Raketenwerfer gehalten werden. Das hält faszinierte Sternengucker nicht ab - sie treffen sich, um gemeinsam in den Himmel zu schauen.
Die Sternengucker von Kabul bauen ihr Teleskop im Innenhof eines Kultur-Cafés auf, das von einer hohen Mauer umgeben ist. In einem Land, in dem Terroranschläge und Gewalt zum Alltag gehören, kann so ein Teleskop schnell wie ein Raketenwerfer wirken, erzählt Yunus Bakshi, die treibende Kraft der Hobby-Astronomen von Kabul.


Yunus Bakshi: "Wir laufen Gefahr, zum Ziel zu werden von Leuten, die nicht verstehen, was wir da in der Dunkelheit mit diesem Gerät treiben. Die Leute werden nachts sehr schnell misstrauisch. Es ist schwer, an den Straßensperren zu erklären, dass das Teleskop keine Waffe ist."
Ibrahim Amiri baut das Teleskop auf.
Ibrahim Amiri baut das Teleskop auf. © Deutschlandradio / Sandra Petersmann
Yunus Bakshi stammt aus einer religiösen Familie. Er wuchs in dem Glauben auf, dass Gott die Welt geschaffen hat. Als junger Mann lebte er lange in Russland und lernte dort auch Kosmonauten kennen. Heute arbeitet er für die Vereinten Nationen in Afghanistan. Die Sterne bringen ihn dazu, die Rolle der Religion und ihre Interpretation zu hinterfragen.
"Durch unser astronomisches Wissen können wir Grenzen überwinden. Wenn du in den Himmel schaust, siehst du keine geographischen oder politischen Grenzen. Egal ob du schwarz oder weiß, muslimisch, christlich oder jüdisch bist, wir teilen uns den Himmel und die Sonne."
Ibrahim Amiri, Autorin Sandra Petersmann und Yunus Bakshi mit dem Teleskop.
Ibrahim Amiri, Autorin Sandra Petersmann und Yunus Bakshi mit dem Teleskop. © Deutschlandradio / Sandra Petersmann
Neben Gründungsvater Yunus Bakshi ist der 26-jährige Ibrahim Amiri das aktivste Mitglied der Sternengucker von Kabul. Er wuchs in einem afghanischen Flüchtlingslager im Nachbarland Pakistan auf. 2003 kehrte er mit seiner Familie nach Kabul zurück.
Ibrahim Amiri: "Es geht mir nicht nur ums Wissen, die Sterne zu entdecken und das Universum zu begreifen ist auch romantisch. Im Endeffekt führen uns die Sterne zu uns selber. Unser Ursprung liegt in diesen Sternen. Die Astronomie ist so ein wichtiges Feld."

Ibrahim will Kinder für Astronomie begeistern

Ibrahim hat Physik studiert und arbeitet als Übersetzer. Er träumt von einem Astrophysik-Studium in den USA. Schwarze Löcher faszinieren ihn. Er besucht oft Schulen, um afghanische Kinder für die Astronomie zu begeistern.

"Wenn dir klar wird, dass du nur auf einem winzigen Planeten lebst, der um einen Stern kreist, und dass es da draußen Milliarden Sterne in unserer Galaxie gibt und dass es Milliarden von Galaxien gibt, das öffnet dein Denken. Das hat meine Sicht auf das Leben und die Welt sehr verändert."
Laila Haidari schaut an diesem Abend zum ersten Mal in ihrem Leben durch ein Teleskop. Sie studiert den Mond. Nach ein paar Minuten des Schweigens huscht ein breites Grinsen über ihr Gesicht.
Autorin Sandra Petersmann schaut durch das Teleskop.
Autorin Sandra Petersmann schaut durch das Teleskop. © Deutschlandradio / Sandra Petersmann
Laila Haidari: "Viele Dichter vergleichen das Gesicht einer Frau mit dem Mond. Aber wenn mehr Frauuen die Krater und Narben da oben selber durch das Teleskop sehen könnten, würden sie es den Dichtern verbieten..."
... fasst Laila lachend ihr erstes Rendevouz mit dem Mond über Kabul zusammen.
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