Lieder aus der Freiheit
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Elaha Soroor wurde durch die Reality-TV-Show „Afghan Star“ berühmt. Wegen ihres selbstbewussten Auftretens musste sie aus Afghanistan fliehen. In London fand die Sängerin Musiker, die einen interessanten Kontrast zu ihrer markanten Stimme liefern.
Mit psychedelisch verspielten Grooves hat sich das Londoner Trio "Kefaya" einen Namen gemacht. Die Improvisationen bestechen mit hoher musikalischer Raffinesse. Wenn es Vocals gibt, erklingen zu solchen Sounds üblicherweise Jazz- und Soul-Stimmen oder Samples davon. Kefaya aber haben sich mit der Sängerin Elaha Soroor zusammengetan.
Elaha Soroor startete ihre Karriere vor zehn Jahren in einer Castingshow in Afghanistan, wo sie populäres Liedgut sang. Man könnte sagen: volkstümliches Repertoire. "Vor allem Folk und Pop aus den afghanischen 60ern. Aber jetzt ist mein Sound ganz anders als damals", sagt Soroor.
Die Show "Afghan Star" ging im Jahr 2005 auf Sendung und fand großen Zuspruch nach den Taliban-Jahren, in denen keine Musik erlaubt war – außer gesungenen Koranversen. Damals mussten Frauen zu Hause bleiben und durften nicht arbeiten. Das ist nun nicht mehr so streng. Doch Frauen auf der Bühne und in den Medien werden nicht nur positiv gesehen.
"Sängerin, das wird als unanständiger Beruf für eine Frau gesehen. Das gilt als schamlos, als respektlos. Deshalb war es sowieso schon schwierig, zumal meine Familie sehr religiös und konservativ ist. Dass ich als Sängerin, Musikerin in der Öffentlichkeit stand, war für sie nicht akzeptabel."
"Aber die Familie war zuerst einverstanden mit der Show?", fragt der Autor. "Nein, ich tat das ohne die Erlaubnis meiner Eltern. Ich war schon 18, deshalb konnte ich für mich selbst entscheiden."
Bedroht von religiösen Fanatikern
Geboren 1988, hatte Elaha Soroor schon einige Erfahrung gesammelt, als sie ins Musikgeschäft einstieg. Die heute 32-Jährige hatte in ihrer Jugend als Reporterin gearbeitet und andere Mädchen unterrichtet, die unter den Taliban nicht zur Schule gehen durften. Mit diesem Hintergrund nahm sie selbstbewusst ihre Rolle als Popstar wahr und wurde dafür bald von religiösen Fanatikern bedroht.
2015 erschien das Orient-Pop-Terzett mit zwei afghanischen Starmusikern. Damals war Elaha Soroor bereits geflüchtet, weil es für sie zu gefährlich in ihrer Heimat geworden war. In London brauchte sie eine Weile, um musikalischen Anschluss zu finden. Sie hörte Jazz und Electro Sound und traf schließlich Kefaya, die sie nun als Band begleiten.
Giuliano Modarelli, einer der Gründer, hat auch bei dem Orient-Popsong mitgewirkt. Er kombiniert Jazzgitarre mit Effekten und indischen Akkorden.
"Es war ein glücklicher Zufall, dass ich in London gelandet bin. Die Stadt ist multikulturell, die Menschen hier, die Künstler, wollen ihre Kunst teilen. Kunst sollte für jeden frei zugänglich sein, und wir sollten sie teilen."
Sängerin mit großem Potenzial für die Zukunft
Elaha Soroors Lebensweg illustriert den Wert der Freiheit von Kunst und Musik sehr eindrucksvoll. Diese Möglichkeiten nützt sie auch auf dem Album mit Kefaya. Elaha singt Volkslieder, die traditionell von der Mutter an die Tochter weitergegeben werden. Doch manche hat sie umgedichtet, wie das Schlaflied, das sich ursprünglich an einen Sohn richtete.
"Es gibt keine Wiegenlieder für Mädchen. Deshalb habe ich den Text verändert. Die Mutter singt es bei mir für ihre Tochter. Sie hofft, dass ihre Tochter stark und unabhängig wird – und dass sie alles tut, was eine Frau genauso gut wie ein Mann machen kann."
Besonders live entwickelt die charismatische Interpretin mit der starken Ausstrahlung eine ganz eigene Energie. So erscheint Elaha Soroor als Sängerin mit großem Potenzial für die Zukunft. Ihr Vokalstil und ihre Melodien verbinden orientalische Stilistik mit Bollywood-Einflüssen. Das bildet einen tollen Kontrast zum atmosphärischen Sound von Kefaya.