Emran Feroz ist freier Journalist mit afghanischen Wurzeln. Er berichtet regelmäßig über die politische Lage im Nahen Osten und Zentralasien. Feroz publiziert in deutsch- und englischsprachigen Medien.
Die Kriegsfürsten verschwinden nicht
In Afghanistan endete das vergangene Jahr sowohl blutig als auch mit politischen Machtkämpfen. 2018 werde das Land wohl weiter in Gewalt versinken, befürchtet der Journalist Emran Feroz. Im besten Fall setze sich ein Fünkchen politische Ordnung durch.
In Kabul endete das Jahr 2017 mit Blutvergießen. Mehr als 40 Menschen starben bei einem Selbstmordanschlag des IS in der afghanischen Hauptstadt. Auch in den letzten Wochen und Monaten vor Jahresende ereigneten sich derartige Attentate, die zahlreiche Zivilisten töteten. Sie machen deutlich, dass auch in den urbanen Gebieten des Landes die Präsenz des IS keineswegs zu unterschätzen ist – und dass unweit vom Präsidentenpalast Anschläge zum Alltag gehören und nicht zu verhindern sind.
Laut den Vereinten Nationen wurden 2016 über 11.500 Zivilisten am Hindukusch getötet oder verletzt. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2017 zählte man mindestens 8019 zivile Opfer. Das sind erschreckende Zahlen, die auf absehbare Zeit nicht abnehmen werden.
Der Präsident ist allerdings mit Anderweitigem beschäftigt. Ashraf Ghani, seit 2014 im Amt, hat einen wichtigen Machtkampf hinter sich. Ihm und seinem Regierungspartner Abdullah Abdullah gelang es, Atta Mohammad Noor abzusetzen. Dieser mächtige Ex-Gouverneur der nördlichen Provinz Balkh galt lange Zeit als unantastbar. Auch die Bundeswehr arbeitete jahrelang mit ihm zusammen.
Für die Zentralregierung in Kabul ist der Schritt gegen den ehemaligen Kriegsfürsten ein Erfolg, der ohne Unterstützung aus Washington wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. In der Vergangenheit wurden Noors Milizen für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht.
Laut den Vereinten Nationen wurden 2016 über 11.500 Zivilisten am Hindukusch getötet oder verletzt. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2017 zählte man mindestens 8019 zivile Opfer. Das sind erschreckende Zahlen, die auf absehbare Zeit nicht abnehmen werden.
Der Präsident ist allerdings mit Anderweitigem beschäftigt. Ashraf Ghani, seit 2014 im Amt, hat einen wichtigen Machtkampf hinter sich. Ihm und seinem Regierungspartner Abdullah Abdullah gelang es, Atta Mohammad Noor abzusetzen. Dieser mächtige Ex-Gouverneur der nördlichen Provinz Balkh galt lange Zeit als unantastbar. Auch die Bundeswehr arbeitete jahrelang mit ihm zusammen.
Für die Zentralregierung in Kabul ist der Schritt gegen den ehemaligen Kriegsfürsten ein Erfolg, der ohne Unterstützung aus Washington wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. In der Vergangenheit wurden Noors Milizen für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht.
Machtspiel zwischen regionalen Kräften und Großmächten
Doch genau dieser Punkt weist auf ein Problem hin, das Afghanistans politische Geschichte seit jeher prägt: das Machtspiel zwischen regionalen Kräften und Großmächten. Letztere betrachten das Land als ihr Schachbrett und nehmen auf innerafghanische Akteure Einfluss. Während Washington und der Westen weiterhin auf Ghanis Regierung setzen, werden Kriegsfürsten wie Noor sich wohl an andere wenden: China, Russland und den Iran. Dies könnte sogar unter der Führung von Ex-Präsident Hamid Karzai stattfinden, dem immer wieder nachgesagt wird, in die afghanische Politik zurückkehren zu wollen.
Ende November war Karzai Ehrengast der jährlich stattfindenden Afghanistan-Konferenz im nordrhein-westfälschen Schwerte. Für Männer wie Noor fand er ausschließlich lobende Worte. Er verglich ihre Bedeutung für die afghanische Gesellschaft mit jener von Weltkriegsveteranen in Westeuropa. Nicht jedem auf der Konferenz gefiel das - in Afghanistan kommt es allerdings bei manchen gut an.
Im besten Fall gelingt es Präsident Ghani, ein halbwegs funktionierendes Staatssystem aufzubauen, das nicht von korrupten Politikern und Warlords dominiert wird. In der Karzai-Ära wurde genau dieser Systemfehler begangen - mit westlicher Unterstützung. Im schlimmsten Fall zerreißt 2018 durch all diese Machtspiele das Konstrukt des afghanischen Nationalstaates endgültig.
Denn die aufständischen Taliban nehmen – im Gegensatz zu der afghanischen IS-Zelle - auf dem Schlachtfeld weiterhin eine dominierende Rolle ein. Derzeit werden mindestens 40 Prozent des Landes von ihnen kontrolliert oder drohen, in ihre Hände zu fallen. 2018 werden sich diese Größenverhältnisse wohl kaum verringern.
In Anbetracht all dieser Realitäten aus einem Land, in dem seit fast vierzig Jahren Krieg herrscht, ist es kaum zu fassen, dass die deutsche Bundesregierung, ähnlich wie andere EU-Staaten, weiterhin darauf besteht, afghanische Geflüchtete abzuschieben.
Ende November war Karzai Ehrengast der jährlich stattfindenden Afghanistan-Konferenz im nordrhein-westfälschen Schwerte. Für Männer wie Noor fand er ausschließlich lobende Worte. Er verglich ihre Bedeutung für die afghanische Gesellschaft mit jener von Weltkriegsveteranen in Westeuropa. Nicht jedem auf der Konferenz gefiel das - in Afghanistan kommt es allerdings bei manchen gut an.
Im besten Fall gelingt es Präsident Ghani, ein halbwegs funktionierendes Staatssystem aufzubauen, das nicht von korrupten Politikern und Warlords dominiert wird. In der Karzai-Ära wurde genau dieser Systemfehler begangen - mit westlicher Unterstützung. Im schlimmsten Fall zerreißt 2018 durch all diese Machtspiele das Konstrukt des afghanischen Nationalstaates endgültig.
Denn die aufständischen Taliban nehmen – im Gegensatz zu der afghanischen IS-Zelle - auf dem Schlachtfeld weiterhin eine dominierende Rolle ein. Derzeit werden mindestens 40 Prozent des Landes von ihnen kontrolliert oder drohen, in ihre Hände zu fallen. 2018 werden sich diese Größenverhältnisse wohl kaum verringern.
In Anbetracht all dieser Realitäten aus einem Land, in dem seit fast vierzig Jahren Krieg herrscht, ist es kaum zu fassen, dass die deutsche Bundesregierung, ähnlich wie andere EU-Staaten, weiterhin darauf besteht, afghanische Geflüchtete abzuschieben.