Gesundheitsversorgung in Afghanistan

Die Wege ins Krankenhaus sind jetzt sicherer

04:46 Minuten
Die Ärztin Sölveig Köbe mit einer Mutter mit ihrem Kind, die sie in Afghanistan behandelt.
Für "Ärzte ohne Grenzen" hat die Berliner Kinderärztin Solveig Köbe sechs Monate im Krankenhaus in Herat gearbeitet. Die Mangelernährung vieler Kinder gefährdet deren Gesundheit. © Deutschlandradio / Solveig Köbe
Von Philipp Lemmerich  · 12.08.2022
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Seit der Machtübernahme der Taliban hat sich die Lage in den Krankenhäusern eher verschlechtert. Die Kinderärztin Solveig Köbe von "Ärzte ohne Grenzen" arbeitete sechs Monate in einem Kinderkrankenhaus in Herat und erzählt von ihren Erfahrungen.
Es wirkt paradox: Seit die Taliban vor einem Jahr in Afghanistan die Macht an sich rissen, scheint es für die Menschen tatsächlich so zu sein, dass sie sich in ihrem Land sicherer bewegen können, erzählt die Kinderärztin Solveig Köbe. Sie war nach der Machtübernahme der Taliban für die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" sechs Monate in einem Kinderkrankenhaus in Herat tätig, der zweitgrößten Stadt des Landes.

Mehr Leute kamen ins Krankenhaus

"Aus dem, was mir die Kollegen vor Ort berichtet haben, sah man tatsächlich einen sehr deutlichen Anstieg der Patientenzahlen. Was wir vor allen Dingen darauf zurückgeführt haben, dass sich die Sicherheitssituation im Land deutlich verbessert hat und die Menschen mobiler waren und auch aus entlegenen Regionen bessere Krankenversorgung erreichen konnten."

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Die Menschenrechtslage hat sich nach Angaben von "Ärzte ohne Grenzen" in den letzten Monaten massiv verschlechtert. Viele Menschen sind geflohen oder wollen es noch. FInanzielle Hilfe aus dem Ausland ist schwierig zu organisieren, weil die Sanktionen gegen die Taliban-Regierung Bankgeschäfte blockieren. Es fehlt an Geld für Lebensmittel und medizinische Versorgung an allen Ecken.
"Wir haben viele Patienten gesehen, die lange zu Hause gewartet haben, bevor sie medizinische Hilfe gesucht haben", sagt Köbe. Sie organisiert im Krankenhaus in Herat Fortbildungen und packt selbst mit an.

Mangelernährung gefährdet die Gesundheit

Viele Krankheiten sind alltäglich: Atemwegsinfekte im Winter, Durchfallerkrankungen im Sommer. Sie können vor allem bei schlecht ernährten Kindern gefährlich werden, wenn sie unbehandelt bleiben. "Wir haben sehr viele schwer mangelernährte Kinder betreut, die dann mit medizinischen Komplikationen im Krankenhaus landen", sagt Köbe. Die durch Mangelernährung geschwächten Körper seien oft nicht in der Lage, andere Krankheiten abzuwehren.
Köbe hatte im Oktober 2021 das Angebot bekommen, in Afghanistan zu arbeiten. Sie habe darüber nachgedacht, es mit ihrer Familie und ihrem Partner besprochen. Hauptberuflich arbeitet die Ärztin sonst in einem Berliner Krankenhaus. Alle zwei Jahre geht sie für "Ärzte ohne Grenzen" für einige Monate ins Ausland. Köbe war im Jemen, in Pakistan und in Haiti.

Arbeiten im Ausnahmezustand

Im Januar 2022 reist sie nach Herat, zum drittgrößten Krankenhaus des Landes. Dort arbeitet Köbe mit fast 60 einheimischen Kollegen zusammen und wohnt mit internationalen Helfern auf dem Krankenhausgelände. "In Herat haben wir einen relativ großen Komplex gehabt. Da standen drei, vier kleinere Häuser", so Köbe. Es habe nur einen Zugang von der Straße gegeben mit einem Wachmann, der am Tor kontrollierte, wer hinein darf.
Auf dem Gelände habe striktes Waffenverbot geherrscht. Die Ärzte seien immer gemeinsam vom Wohnort zum Arbeitsplatz gefahren oder zum Einkaufen in die Stadt. "Doch ein Restrisiko bleibt immer." Es habe in der Zeit auch Angriffe auf Ärzte gegeben. "Es ist nicht viel Schlimmes passiert, aber es ist ganz klar etwas, dessen man sich bewusst sein muss, dass das passieren kann."
Das Risiko geht Köbe ein. Sie sei schließlich Kinderärztin geworden, um sich in der humanitären Hilfe zu engagieren. In Afghanistan sehe sie praktisch keinen Patienten, der die medizinsche HIlfe nicht dringend benötigt.
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