Afghanistan in Bildern

Lobeshymnen auf zwei Fotobände

Blick über Wälder der südafghanischen Provinz Urusgan auf die Berge des Hindukusch.
Blick über Wälder der südafghanischen Provinz Urusgan auf die Berge des Hindukusch. © picture-alliance / dpa / Can Merey
Von Michael Groth |
Vor den Kriegen war Afghanistan bettelarm, aber fröhlich. Das ist auf den Fotos von Luke Powell in dem Band "Afghan Gold" zu sehen. Ebenfalls beeindruckend: die Sammlung "A Distant War" mit Arbeiten des "Time Magazin"-Fotografen Robert Nickelsberg.

Afghanistan-Bilder aus 30 Jahren

Krieg, Armut, Unterdrückung, Zerstörung: Schlagworte, mit denen sich Afghanistan seit Anfang der achtziger Jahre beschreiben lässt. Inzwischen dauert der Krieg, der das Land am Hindukusch verwüstet, länger als 30 Jahre. Das Ende der sowjetischen Besatzung 1988; der anschließende Bürgerkrieg, der die Hauptstadt Kabul in eine Trümmerwüste verwandelt; die Machteroberung der Taliban 1996; letztlich der Einmarsch der Amerikaner und ihrer Verbündeten nach 9/11: Die Bilder gleichen sich.
Robert Nickelsberg, Fotograf des "Time Magazin" war seit 1988 dabei. "A Distant War" heißt seine beeindruckende Sammlung aus jenen Jahren, und ob man "distant" nun mit "entfernt" oder mit "fremd" übersetzt, Nickelsbergs Fotos sagen mehr über Afghanistan als mancher kluge Aufsatz und als jede Parlamentsdebatte.
Ein Beispiel aus den Anfangsjahren: Im März 1989 fotografiert Nickelsberg in einem Gefecht nahe Jalalabad getötete Regierungssoldaten; einen Monat später, im April, dann in Kabul die Parade junger Kadetten zu Ehren des elften Jahrestags der kommunistischen Machtergreifung. Die meisten der jungen Männer, die hier ihre Waffen präsentieren, dürfte die kommenden Jahre nicht überlebt haben.
Im Mai 1990 reist Nickelsberg als einer der ersten westlichen Berichterstatter in die Quartiere der Mudjahedin in Nord-Waziristan. Er porträtiert Jalaluddin Haqqani, damals Freund der CIA und Osama Bin Ladens und bis heute mit einem verzweigten Netzwerk an der Destabilisierung der Region beteiligt. Er fotografiert auch die Ausbildung von Pashtunen und Arabern in einem Al Kaida Trainingscamp. So etwas ist nicht ungefährlich. Nickelsberg ergänzt seine Bilder mit Reflexionen, in denen er von seinen Erlebnissen an vorderster Front berichtet:
In Kabul gab es einen kurzen Waffenstillstand (…) …Wir sprachen mit den Kämpfern, die sich in den zerschossenen Häusern und Geschäften mit allem bedienten, was nicht niet- und nagelfest war. Plötzlich stritten sie über ein gestohlenes altes Fernsehgerät. Einer der Kämpfer schoss seinem Mitstreiter in den Bauch: Wir sollten den Verletzten mit unserem Taxi ins Krankenhaus bringen (…) Unser Fahrer hatte aber einen versteckten Schalter installiert, der das Fahrzeug in Notfällen unbrauchbar machte. Sie luden den Kämpfer dann auf eine Schubkarre.
Festgehalten auch das mit der Kamera.
Nickelsberg dokumentiert Stillstand und Entwicklung. Im Mai vergangenen Jahres fotografiert er zwei US-Einheiten auf dem Flughafen Baghram: Die eine verlässt das Land, müde, erschöpft, und froh, den Einsatz überlebt zu heben. Die Helme tragen sie in der Hand. Gegenüber, gerade eingetroffen, ihre Nachfolger. In voller Montur – bereit zu einem Kampf, den auch sie nicht entscheiden werden.
Natürlich gibt es Unterschiede zwischen der Herrschaft der Kommunisten und der Taliban, sowie den jetzt mehrfach – nach afghanischen Verhältnissen weitgehend frei gewählten – Parlamenten und Präsidenten. Mädchen gehen zumindest in den Städten unbehindert in die Schule, und im komplett zerstörten Kabul entstand neues Leben. Die Menschen gehen ihren Geschäften nach, und sie feiern sogar.
Eine Warnung ist dennoch angebracht. Eines der letzten Bilder des Buches zeigt den Abtransport eines nur noch aus dem Gerüst bestehenden Autowracks vor einem zerstörten Gebäude: Ergebnis eines Selbstmordattentates im Mai 2013, bei dem in Kabul 16 Menschen getötet wurden.

Das Afghanistan der Teestuben

Warum es sich lohnt, das Land nicht aufzugeben, verrät ein ebenfalls jetzt erschienenes Buch des Fotografen Luke Powell. "Afghan Gold" ist eine ideale Ergänzung zu Nickelsbergs Reportageband. Powell betrachtet die Region nicht journalistisch. Er bildet den Alltag ab, jenseits des Krieges und der Gewalt. Fast zu schön, um wahr zu sein. Aber das Afghanistan der Teestuben, der Märkte, der Hochzeitsfeiern und der Hahnenkämpfe, das gibt es eben auch.
Powell bereiste das Land seit 1971. Sein opulenter Band ist in Kapitel aus den Jahren 1973 bis 78; 2001 bis Anfang 2002, sowie 2003 unterteilt. Der friedliche Eindruck auf den ersten Seiten (bis zur kommunistischen Herrschaft) zeigt, wie es auch hätte kommen können. Afghanistan war bettelarm, aber geschäftig und fröhlich.
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Luke Powell: Afghan Gold© Preste, USA
Zur Jahrtausendwende kehrt Powell auf Einladung der Taliban zurück. Das Land scheint entvölkert, ein Eindruck, der den Beobachter auch auf dem letzten hier abgebildeten Aufenthalt nicht verlässt 2003 reist Powell auf Einladung des Minenräumprogrammes der Vereinten Nation durch Afghanistan.
Grandiose Landschaften und kulturhistorische Erinnerungen prägen die Bilder Powells. Seine Fotos gleichen Gemälden. Pastellfarbige Töne, diffuses Licht, wenig Kontraste. Powell hat die amerikanischen und französischen Meister studiert – und er folgt ihnen in der Konstruktion seiner Fotokunst.
Powells Afghanistan ist heute weitgehend verschollen. Umso wichtiger ist diese Dokumentation eines wunderbaren Landes, das wir auch nach dem Abzug unserer Soldaten nicht abschreiben sollten. Die Menschen, um die es letztlich sowohl Nickelsberg wie Powell geht, sie sind noch da – und sie wünschen sich in ihrer großen Mehrheit ein Leben jenseits von Armut und Gewalt.

Robert Nickelsberg: Afghanistan. A Distant War
Prestel / USA, 182 Seiten, ca. 53 Euro

Luke Powell: Afghan Gold. Photographs 1973-2003
Steidl Verlag, 224 Seiten sowie 48 Seiten Textbuch, 98 Euro