Kinderzirkus geht das Geld aus
Es geht nicht nur um Akrobatik, Jonglieren und Spaß, sondern auch um das Verarbeiten von Krieg und Trauma: Der mobile Mini-Zirkus in Afghanistan hat viele Kinder und Jugendliche begeistert. Doch nun droht ihm das Aus.
Es ist früh am Morgen und die Stimmung ist gut. In der Zirkus-Schule des Mobilen Mini Zirkus in Kabul balanciert Najia auf einem großen Ball und jongliert dabei mit drei kleinen Bällen. Die 12-Jährige trägt leuchtend gelbe Prinzessinnenflügel.
"Ich trage diese Flügel immer, wenn ich übe. Wir haben die auch in unseren Vorstellungen an, damit die Leute uns aufmerksamer zusehen."
Neben ihr bauen die Zirkus-Jungs eine menschliche Pyramide, aber Najia konzentriert sich nur auf ihre Bälle. Die 12-jährige weiß genau, was sie will.
"Ich will Polizistin werden. Ich will dabei helfen, dass Afghanistan friedlich wird. Ein guter Polizist sollte den Menschen helfen und sich opfern, wenn es sein muss, um Menschen zu retten."
Najia klingt wie so viele afghanische Kinder oft viel zu erwachsen für ihr Alter. Monir ist der Clown im morgendlichen Zirkustraining, an dem rund 70 Kinder teilnehmen. Der 13-Jährige ist ein gelenkiger Seil- und Tuchakrobat mit schelmischem Lachen. Monir ist auch der Hauptdarsteller fast aller Sketche, die zum Kinderzirkusprogramm gehören. Es sind kleine Stücke über Gleichheit oder über die Gefahr von Landminen.
"Wenn ich hier bin, habe ich keine Angst"
"Ich will Schauspieler werden. Ich weiß, dass das in Afghanistan sehr schwer ist. Aber warum sollte ich das nicht schaffen? Wenn ich hier bin, habe ich keine Angst. Draußen habe ich manchmal Angst vor Anschlägen."
Monir und Najia sind beide nach dem Sturz der Taliban auf die Welt gekommen. Beide kennen wie die meisten Kinder in Afghanistan keine sichere Kindheit. Die meisten afghanischen Kinder kennen Armut, Hunger, Flucht, Angst und Gewalt. Diese Kinder will der Däne David Mason mit seinem Zirkusprojekt erreichen. Der ehemalige Tanzlehrer lebt seit fast 15 Jahren in Afghanistan.
"Wenn du glaubst, dass du einen Konflikt wie in Afghanistan schnell militärisch oder politisch lösen kannst, dann wirst du schnell enttäuscht. Wenn du glaubst, dass Pädagogik, Bildung und Kultur Probleme lösen können, dann musst du einen langen Atem haben und warten können."
Der Mobile Mini-Zirkus hat inzwischen Ableger in fünf Provinzen und in einem großen Flüchtlingslager. Die Kinder reisen und treten regelmäßig zusammen auf. Doch das Geld wird immer knapper. Es geht längst um die Existenz des Projekts.
"Wir haben Probleme, die vielen ungeduldigen Menschen zu überzeugen. Wir stecken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, es fällt uns schwer, Geldgeber und politische Entscheidungsträger heute noch davon zu überzeugen, dass unsere Arbeit mit den Kindern wichtig und nachhaltig ist."
Der Zirkus schweißt die Kinder zusammen
Trapezkünstler Idris ist schon seit vielen Jahren dabei. Der 15-Jährige wickelt sich in luftiger Höhe kopfüber in rote Stofftücher, dann baut er mit drei Freunden eine menschliche Leiter, Kopf nach unten.
"Dafür braucht man körperliche und mentale Stärke. Wir wollen mit unserer Übung aber auch zeigen, dass wir zusammenhalten. Egal woher wir kommen. Egal, wie reich oder wie arm wir sind. Afghanistan hat eine Zukunft. Es kann irgendwann ein friedlicher Ort werden."
Idris will Bauingenieur werden. Er will Häuser und Fabriken bauen. Und danach einen Staudamm. Doch im Moment konzentriert er sich nur auf die nächste Knotenakrobatik im roten Tuch.