Die Angst eines Polizisten in Kabul
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Verzweifelt versuchen Tausende Afghanistan zu verlassen, weil sie die Taliban-Herrschaft fürchten. Ein Sohn bangt um das Leben seines Vaters, der bisher in Kabul als Polizist arbeitete. Er sieht kaum Chancen für eine Flucht.
Tausende Afghanen versuchen noch immer das Land zu verlassen. Die Bilder vom Flughafen in Kabul - sind ein einziger Ruf nach Hilfe. Besondere Gefahr besteht für jene Afghanen, die mit den ausländischen Truppen zusammengearbeitet haben oder unter den Vorgängerregierungen Ämter bekleidet haben – Richter, Polizisten, Lehrer, Dolmetscher.
Bangen um die Familie
Einige von ihnen haben Angehörige in Deutschland, die nun von hier aus alles versuchen, ihre Angehörigen in Afghanistan irgendwie zu retten. Die Geschichte eines Mannes in Kabul steht stellvertretend für dieses fast aussichtslose Unterfangen.
Sein Sohn lebt in Deutschland. Er bangt um seinen Vater, der unter den Vorgängerregierungen in Kabul als Polizist arbeitete. Er befürchtet nun, dass ihm und seiner gesamten Familie in Afghanistan die Ermordung durch die islamistischen Milizen droht.
"Das Problem ist, dass mein Vater sehr große Angst hat und er nicht aus dem Haus gehen will", erzählt der Sohn. Die Taliban zögen bereits von Haus zu Haus. "Sie gehen in jede Wohnung, sie gehen einfach rein, sie gucken, ob die Leute eine ID-Karte finden oder solche Sachen." Gesucht werde vor allem nach Personen, die bisher bei der Polizei oder am Gericht tätig waren.
Versteckt im Keller
Seit knapp einer Woche versteckt sich der Vater bei Verwandten im Keller, die Familie geht nicht mehr aus dem Haus. Eine deutsche Urkunde des Bundesnachrichtendienstes belegt, dass der Vater Lehrgänge besucht hat. Auf einem Ausbildungspass ist auch auf Deutsch der Dienstgrad des Polizisten vermerkt.
Ein Foto zeigt eine Gruppe afghanischer Polizisten und ihre deutschen Ausbilder, wie sie in die Kamera lachen, hinter ihnen die deutsche und die afghanische Flagge. Deutsche Behörden wurden deshalb kontaktiert, ebenso das Bundeskanzleramt und Außenminister Heiko Maas (SPD).
Große Erwartungen
Der Sohn sorgt sich auch um seine anderen Familienmitglieder: "Ich habe zwei Schwestern, sie sind zu Hause bei meinen Eltern, sie sind nicht verheiratet." Das Studium können die jungen Frauen derzeit nicht fortführen. Die Angst vor einer Zwangsverheiratung mit Taliban-Kämpfern ist in der Familie groß.
Angesichts dieser Not sind die Erwartungen an den Sohn in Deutschland groß, er möge irgendwie helfen. "Seit drei Nächten kann ich nicht schlafen", sagt er. Wenn er mit seinen Schwestern telefoniere, flössen die Tränen.
Der Sohn hofft, eine Lösung zu finden und alle aus Kabul rauszuholen. Aber angesichts der geschlossenen Grenzen zu den Nachbarstaaten ist eine Flucht auf dem Landweg derzeit nahezu aussichtslos.